Tag 7- Von Malham nach Horton in Ribblesdale ( 23.5 Kilometer, 884 Meter Anstieg)

Nach einer urbequemen Nacht im Hostelbett schrillt der Wecker erbarmungslos um sechs Uhr los. Während ich mich nochmal rumdrehe, ist die bayerische Sabine
schon auf Zack und wenig später abmarschbereit.

Zu später Stunde hatte sich gestern abend noch Nicky ins Zimmer geschlichen, eine gestandene Engländerin, die im Juni den kompletten Pennine Way gelaufen ist und nun aus Sehnsucht für sechs Tage zurückgekehrt ist. Sie kann mir einige Tipps und Kniffe verraten und ich bekomme einen Eindruck, was da draußen noch so auf mich lauert.

Allmählich muss auch ich mal in die Puschen kommen und stehe Punkt sieben wieder auf der Straße. Der Pennine Way ist an diesem Morgen wieder mal ultraschön und supergemein zu mir. Ich laufe Richtung Malham Cove, einem naturgeformten Amphitheater aus Kalkstein und bin verblüfft angesichts einer solch übermächtigen Szenerie. Leider führt meine Mit-offenem-Mund-durch-die-Gegend-Gestolperei dazu, dass ich wieder mal den Blick auf die Karte versäume. Ich weiß, dass ich auf den zerklüfteten Rücken des Riesen raufsteigen werde, aber ich wähle den völlig falschen Pfad nach oben. Ziemlich steil, ziemlich lebensgefährlich. Auf halber Strecke, mit den Füßen dicht am Abhang realisiere ich, dass das niemals der richtige Pfad sein kann. Der Pennine Way ist zwar tough, aber er bringt dich nicht in Lebensgefahr.

Beim Abstieg rutschen meine Füße ständig weg und ein brennender Schmerz schießt in mein linkes Knie. Ich zittere vor Angst. Ich komm hier nicht mehr runter, fürchte ich. Ich brauche fast eine Stunde, um wieder sicheren Boden unter den Füßen zu haben. Mein Knie brennt wie Feuer. Ich fürchte, dass es das jetzt gewesen ist, setze mich auf einen Stein und schluchze was das Zeug hält. Nach zehn Minuten raffe ich mich auf. Scheiß auf die Schmerzen. Ich geh diesen verdammten Weg zu Ende und wenn ich kriechen muss.

Und weiter gehts. Über 400 Stufen führen auf den Gipfel. Dort angelangt stehe ich nicht nur mitten im Nebel, sondern auch noch vor einem Rätsel. Wo ist der Pfad? Ich drehe mich im Kreis, aber ich kann nur meterweit sehen. Da naht hinter mir ein junger Mann heran. Doch auch der hadert und ist plötzlich im Nebel verschwunden. Und als ich mich nochmal umdrehe, sehe ich ein vertrautes Gesicht: Nicky ist da! Wir gehen eine ganze Weile zusammen und verabschieden uns am Malham Tarn, einem großen See, den ich an diesem Morgen nur erahnen kann. Mein Knie ist wieder das alte und renkt sich langsam wieder ein.

Heute treffe ich eine Menge Hiker auf dem Trail. Darunter zwei ältere Damen um die siebzig aus Sheffield. Eine von ihnen ist den Pennine Way im Juni im Ganzen gelaufen. Das flößt mir ziemlichen Respekt ein. Sie sind denn auch flott unterwegs und entgleiten bald meiner Sicht.

Die heutige Route ist eine der härtesten, denn ich muss gleich über zwei Monsterberge rüberklettern. Der erste ist Fountains Fell, ein von Moor bedeckter Endlosanstieg, der den Atem dünn werden lässt. Der ganze Tag ist nebelverhangen, doch ich wünsche mir, dass sobald ich mein Lieblingsungetüm, den gigantischen Pen-Y-Ghent erreiche, die Sonne durchbricht. Und genauso kommt es. Der reinste Wahnsinn. Ich verehre diesen Berg aufs Innigste. Er sieht wirklich monströs aus, wenn er vor einem aufragt, aber er lässt mich geruhsam bis zu seiner Spitze klettern. Und die ist unsagbar hoch. Ich klettere mitten in eine Wolke hinein und als ich oben bin, bin ich ganz allein. Auf einem Stein markiere ich stolz meinen heutigen Tagesrekord und mache mich an den Abstieg. Der zieht sich unendlich dahin. Bis ich endlich in Horton in Ribblesdale ankomme vergehen Stunden.

Gegen sieben Uhr erreiche ich den Campingplatz, doch ich muss mit Schrecken feststellen, dass dieser von der britischen Armee in Beschlag genommen wurde, die in den nächsten Tagen auf den unliegenden Bergen trainieren wird. Na super! Ich bin völlig am Ende und dann das. Also flitze ich zum nächsten Pub und frage höflich an, ob ich mein Zelt vielleicht im Garten aufstellen kann. Man weißt mir ausnahmsweise eine Rasenfläche zu, die eigentlich ein Parkplatz ist, Toilette gäbe es aber keine. Das klingt irgendwie doof und ich klingle mal bei einer nahegelegenen Pension an. Dort bekomme ich glatt noch ein Luxuszimmer mit Badewanne, heißer Schokolade und allem Tamtam. Könnte schlimmer sein.

Abends im Pub treffe ich alte Bekannte wieder. Nicky, zwei holländische Pärchen, die älteren Damen in den siebzigern und ein Vater-Sohn-Gespann, wobei der Vater um die 80 sein wird. Alle haben wir dasselbe Ziel: den Pennine Way bezwingen. Ich bestelle eine Cumbrische Wurst und nach einem netten Pläuschchen zieht sich jeder in seine Kuschelhöhle zurück. Und nun seht selbst:

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