Syrische Flüchtlinge in Bodrum und Kos

Ein Appel an alle Bodrum- &-Kos-Touristen

Anstatt zu meckern, pöbeln oder wegzusehen: Probiert es doch mal mit hinfühlen und helfen!

Ein Beitrag auf ARTE lässt mich meinen Beitrag nicht länger aufschieben: Kos, das neue Tor Europas. Inzwischen trifft man syrische Flüchtlinge überall in Bodrum an. Sei es bei der Migrationspolizei, in Bodrums Marina Hafen, in der Altstadt und an den Stränden. Das Gleiche auf Kos, der griechischen Insel, die nur 19 Seemeilen von Bodrum entfernt ist. Viele junge Familien mit ihren Kindern betteln um einige Lira. Sie kaufen sich Wasser, zu essen, doch das meiste Geld legen sie beiseite, um die 1.000 Dollar pro Erwachsenen und die ca. 250 bis 500 Dollar pro Kind für eine Überfahrt im Schlauchboot auf die griechische Insel Kos machen zu können. Die Fähre, die täglich vom Marina Hafen in Bodrum ablegt dürfen sie nicht nutzen. Ohne Pass, keine Aus- und Einreise. Die Fähre würde sie nur 19 Euro kosten. Ja, organisierte Schleuser verdienen sich jetzt eine goldene Nase mit dem Elend und Leid zahlreicher syrischer Kriegsflüchtlinge.

Seit Jahresbeginn sind nach Angaben des UNHCR über 48.000 Menschen illegal über das Meer nach Griechenland gekommen. Über 22.000 sollen es auf eine der Ägäisinseln nahe der Türkei geschafft haben. Seit mehreren Wochen gehen auf der Insel Kos tausende von Immigranten an Land: Von Januar bis Mai waren es 7000 – im gleichen Zeitraum letzten Jahres gerade mal 500!

Als ich im Mai mein Ikamet (Aufenthaltsbewilligung) bei der Migrationspolizei verlängern musste, traf ich eine junge syrische Familie mit ihren vier kleinen Kindern. Die türkische Polizei kümmerte sich rührend um die Familie, gab ihnen zu essen und versorgte sie zunächst mit Wasser, ehe sie die Personalien aufnahm. Ich steckte der jungen aber sehr erschöpften Mutter 200 TL zu, da fing die junge Fran plötzlich an zu weinen. Ihre Kinder umarmten sie sogleich, ihr Mann streichelte ihr sanft durch das Haar und versuchte sie so zu beruhigen. Später traf ich die selbe Familie in der Altstadt wieder. Die Kinder (4, 5, 7, 9) lagen auf Tüchern auf einer Wiese unter Palmen direkt im Marina-Yachthafen. Die junge Mutter sang ihnen ein syrisches Volkslied, während der Vater Touristen ansprach: “Syria, my family and me Syria” und bat Passanten um ein paar Lira. Viele der englischen, dänischen, niederländischen und deutsche Touristen schüttelten genervt den Kopf. Einige hörte ich sagen: „Das ist ja ekelhaft. Wieso kümmert sich die Polizei nicht um dieses Saupack. Und so etwas im feinen Bodrum.” Das sind übrigens die selben, die morgens im Hotel ihr Frühstück geniessen und die Zeitungsbeiträge über syrische Flüchtlinge lesen und die dann gern sagen: „Diese armen Menschen.”
Manchmal möchte ich vor Wut laut aufschreien. Bodrums fliegende Händler erzählen mir: „Ich habe nichts gegen die syrischen Flüchtlinge, aber es sind auf einmal so viele, die hier auf den Strassen schlafen und betteln. Das stört unser Geschäft mit den Touristen. Das Elend ist keine gute Visitenkarte für Bodrum.”

Bruder und Schwestern spielen in Kos Musik und bitten um ein paar Münzen. Viele Touristen fühlen sich dadurch gestört. Warum? Sie singt für eine warme Mahlzeit und für ein paar Euro. Wer in ihre Augen schaut, erkennt wie müde und geschafft diese Kinder sind. Doch ihre Musik gibt ihnen Halt und manchmal beschert es ihnen auch ein paar Euros. Fern der Heimat und ohne ihre Eltern versuchen sie in einem fremden Land anzukommen. ...scheinen diese Augen sagen zu wollen. Als ich ihr 50 Euro schenkte, schaute sie die Banknote mit grossen Augen an. Später traf ich die drei zufällig bei Lidl wieder: Einkaufen... Die Fähre von Bodrum fährt täglich zur griechischen Insel Kos. Syrische Flüchtlinge ohne Pass dürfen nicht nach Kos. Deshalb organisieren sie sich und bezahlen Schleuser bis zu 1000 Dollar, um nach Europa auf die griechische Insel Kos zu kommen. Die Fähre kostet hin- und zurück 19 Euro. Syrische Kriegsflüchtlinge4

Anfang Juni war ich mit einem Bekannten auf der griechischen Insel Kos. Als wir in einem Restaurant zum Mittagessen sassen, kamen drei syrische Kinder und spielten Musik an unserem Tisch. Ich fragte die drei, woher sie seien und da sagten sie mir mit gebrochenem Englisch: “Syria. War. No parents…” Nachts schliefen die drei Geschwister in Kos am Strand. Tagsüber spielten sie Musik und baten um ein paar Münzen. Ich fragte sie, ob sie sich bereits bei der Polizei gemeldet hätten, doch bereits beim Wort Polizei bekamen sie Panik. Ich beruhigte die Kinder und versuchte ihnen zu erklären, dass ihnen dort geholfen werden würde, doch der Junge schüttelte energisch den Kopf… Sie hatten Angst auseinander gerissen zu werden. Inzwischen sind die drei Geschwister registriert und haben ein Dach über den Kopf.

Ja, es macht mich traurig, welches Elend über ein ganzes Volk gekommen ist. Und es empört mich, wie ignorant wir Menschen oftmals auf solche Schicksale reagieren. Jeder denkt immer nur an sich. Und in den Ferien wollen wir schon gar nicht mit dem Elend anderer Menschen konfrontiert werden. Die sollen mal alle schön da bleiben, wo sie herkommen…

Das erinnert mich an die zahlreichen traurigen Erzählungen meiner Grossmutter Anna, als sie hochschwanger und mit ihren drei Kindern Peter, Karin, Ingrid von Gleiwitz (heutiges Polen) zunächst zu Fuss, später mit dem Zug nach Berlin fliehen musste so wie 8.5 Millionen anderer Deutsche, die aus Ostpreussen, Schlesien, Pommern und Ost-Brandenburg vertrieben wurden. Meine Grossmutter Anna wurde mit ihren Kindern zunächst nach Bremen, später nach Schneverdingen evakuiert. Egal wo die Familie meines Vaters in Deutschland als deutsche Heimatvertriebene ankamen, überall wurden sie als „diese elenden Flüchtlinge”, „Drecksbande” und „unnützes Pack” beschimpft. Oma Annas Mann Wilhelm diente als Soldat und befand sich damals in russischer Kriegsgefangenschaft. Es grenzte fast an ein Wunder, dass sich die Familie 1954 im tiefsten Ruhrpott in Bergkamen wiederfand. Ich bin sicher, viele Deutsche können eine ähnliche Geschichte erzählen. Ebenso sicher bin ich, dass es viele hilfsbereite Menschen gibt, die syrischen Flüchtlingen bereits geholfen haben und weiterhin helfen werden.

Dennoch: Liebe Bodrum- und Kos-Touristen, anstatt Euch angewidert wegzudrehen, schaut lieber mal hin. Es braucht wahrlich nicht viel, um ein wenig Unterstützung zu leisten. Aufmunternde Worte. Nüsse, Brot, frisches Obst oder ein paar Euros macht keinen von uns arm. Teilt einfach das, was Ihr entbehren könnt mit denen, die jetzt unsere Unterstützung benötigen, um sich irgendwo in dieser Welt eine neue Existenz aufbauen zu können. So schwer ist doch Nächstenliebe wahrlich nicht.

Schaut Euch gern den Beitrag auf ARTE an: Kos: Das neue Tor nach Europa


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