Im BdeW verwendet Seuse auch das Symbol der Blume für die ´ewige Weisheit`. Genauer gesagt, spricht er von einer Feldblume (226, 11).Um zu verstehen, was Seuse den Lesern seiner Texte symbolisch sagen wollte, muß man sich vor Augen halten, was unter dem Symbol der Blume zu verstehen ist.Das Symbol der Blume war in der Antike wie im Christentum seit jeher ein Symbol des Frühlings. Es war ein Symbol der erwachenden Natur, der Hoffnung und es wurde in der Blume ein verbliebenes Stück des verlorenen Paradieses gesehen.Die Blume war sehr beliebt, denn durch ihre Farbigkeit und ihren Duft sollte sie den Menschen in eine gehobenere Stimmung versetzen. So fand die Blume breite Beliebtheit und wurde schon „im heidnischen Kult als Schmuck von Tempeln, Altären, Götter- und Heroenstatuen, Opferpriestern und Opfertieren sowie von Mysten verwendet“ .Gelten „die Blumen in Indien als Liebessymbole“, so wird das Symbol der Blume in der Heiligen Schrift vor allem als Bild für die Vergänglichkeit des irdischen Lebens und dessen Kürze gebraucht. So zu Beispiel in Psalm 103: „Des Menschen Tage sind wie das Gras, er blüht wie die Blume des Feldes. Fährt der Wind darüber, ist sie dahin“ (Ps. 103, 15f.).Wenn Seuse nun das Symbol der Blume verwendet, dann schwebt ihm sicher nicht die Vergänglichkeit vor Augen. Denn die ´ewige Weisheit` ist ja nicht vergänglich. Er stützt sich wohl mehr auf die Vorstellung, die in der Blume Jesus Christus erblickt. Diese Vorstellung geht auf Jes 11, 1 zurück, wo die Rede von der aus der Wurzel Jesse entsprossenen Blume ist.Im Hohenlied, welches immer wieder als Versinnbildlichung des Brautverhältnisses zwischen Christus und Kirche herangezogen worden ist, spricht Christus als Bräutigam der Kirche im 2. Kapitel: „Ich bin die Blume auf den Wiesen des Scharon, eine Lilie der Täler“ (Hld 2, 1).In diesem Buch der Bibel wird so häufig wie in keinem anderem von Blumen gesprochen. Daher ist es verständlich, wenn Seuse, der sich auch als Braut der ´ewigen Weisheit` versteht, diese Symbolik aufgreift. An der Stelle der Ecclesia setzt er sich selbst, so daß er sich in der Rolle der Braut sieht. Das Seuse eher diese Bedeutung hier meint, geht daraus hervor, daß er die ´ewige Weisheit` nicht nur mit der Feldblume vergleicht, sondern daß er weiter schreibt: „du gemintes herztrut in dien umbvangnen armen der reinen minnenden sele“ (226, 11f.).Seuse wollte mit dieser Symbolik weder die Vergänglichkeit versinnbildlichen noch eine Zeichen der Hoffnung setzen. Er ist hier klar von dem Hohenlied inspiriert.