10.000 Quadratkilometer Wiese – standard. 10.000 Quadratkilometer Kartoffelfeld – vorstellbar. 10.000 Quadratkilometer Salzwüste – unrealistisch. Die Salar de Uyuni ist die größte Salzwüste der Welt und wir sind die größten Entdecker.
Die auf 3600 Metern gelegene Wüstenstadt Uyuni ist nicht sonderlich schön. Staubige Straßen, zerfallene Häuser und Touragenturen an jeder Ecke. Für Touristen also nicht sonderlich attraktiv. Gäbe es da nicht die Salar de Uyuni und ein Sinn hinter den Agenturen. Nach ausgedehnter Recherche auf Tripadvisor entschieden wir uns für eine 3 Tages Tour mit Quechua Connections. Wir zahlen, laden unsere Rucksäcke aufs Dach des Allradjeeps und fühlen uns wie kurz vor einer Mission zum Mond. Denn wir wissen was auf uns zu kommt. Die nächsten 3 Tage sollten neben unserem Städtetrip durch Rio zu einem weiteren Highlight der Reise werden…
Tag 1: Tote Züge und die endlose Weite der Salzwüste
In einer Kolonne bestehend aus 4 Fahrzeugen geht es auf zum ersten Teil des Trips. Neben mir sitzt ein Mann mit 17 Jahren Berufserfahrung. Er fährt diese Tour 2 Mal pro Woche. Man merkt ihm bereits auf den ersten Metern Schotterpiste seine Erfahrung an. Er heißt Roberto und ist kein Mann vieler Worte, er kaut lieber Kokablätter und konzentriert sich auf die Straße die eigentlich Keine ist.
Roberto – Fahrer – liebt Kokablätter
Roberto chauffiert uns zum ersten Programmpunkt der Tour. Dem Cementerio de los Trenes. Ein Zugfriedhof auf dem ausgebootete Dampflokomotiven vor sich hin rosten und seit dem als Fotomotive herhalten müssen bevor sie sich vollständig auflösen.
Mit einem Pfiff und dem Wort “vamos” (dt. Auf gehts) macht Jose auf sich aufmerksam und trommelt die Herde zusammen. Mit großen Schritten bewegen wir uns auf die am Horizont glitzernde Salzwüste zu, nach einem kurzen Zwischenstopp im Dorf Colchani in dem Einheimische Souvenirs verkaufen und uns zeigen wie das funktioniert mit der Salzherstellung. Ich bemerke wie der Himmel immer dunkler wird. Ein Sturm zieht auf und bringt Wolken mit. Wir entkommen dem Gewitter und befinden uns urplötzlich auf dieser riesigen Salzfläche, dessen Salzkruste bis zu 7 Meter dick sein kann. Am Eindrucksvollsten finde ich nicht die Reflektion, die wir in diesen Monaten und ohne Sonnenstrahlen ohnehin nicht zu sehen bekommen, sondern die endlose Weite der Salar de Uyuni und das Kachelmuster was ihr diese gewisse Surrealität verleiht auch ohne zu reflektieren.
Nach einer kurzen Fotosession geht es in hohem Tempo einem Hotel entgegen, welches komplett aus Salz besteht. Wände, Tische, Stühle. Ich hab es mir nicht nehmen lassen ein wenig Salz von der Wand zu kratzen und das zu überprüfen.
Salzhotel
Nach einem ausgedehnten Mittagessen, es gab keine Pommes und auch kein Salzbraten, hievten wir unsere Körper auf die Fahrräder um die endlose Weite nur für uns zu haben. Keine Motorengeräusche, keine Gespräche, keine unnatürlichen Töne, nur das Rauschen des Windes und die Reibung des Gummis auf dem Salzboden. Für Jennifer das Highlight des ersten Tages. Für mich eine Gelegenheit mehr in Ruhe zu Fotografieren und die “Augen aus Salz” unter die Lupe zu nehmen, aus denen Wasser aus bis zu 100 Metern Tiefe an die Oberfläche blubbert.
Ojos de Sal
Der letzte Stop des Tages war an einer Mitten in der Salzwüste wie aus dem Erdboden gezogenen Insel mit tausenden Kakteen. Wir fanden das nicht wirklich spektakulär und nutzten die Zeit für einen kleinen Spaziergang um die Insel bevor wir Abends tod müde ins Bett fielen.
Incahuasi
Tag 2: Flamingos, Lagunen und Vulkane
Mittlerweile vollständig akklimatisiert und ausgeschlafen verlassen wir die Salar de Uyuni. Roberto chauffiert uns durch die Wüste Chiguana, aus der neben, vor und hinter uns schneebedeckte Vulkane in Richtung Himmel ragen. Aus einem der immer wieder aktiven Vulkane (Ollague) steigt sogar etwas grauer Rauch auf. Gleichzeitig werden wir das Gefühl nicht los, uns in einer scheinbar anderen Welt zu befinden. Einer natürlichen Welt ohne Menschenmassen, Hektik und Ampellichtern.
Blick auf den aktiven Vulkan Ollague
Wir sind überwältigt von der Schönheit Boliviens. Wir fahren weiter, je weiter wir fahren desto schöner wird es. Plötzlich wird es rosa, Berge und Flamingos spiegeln sich an der Wasseroberfläche der Laguna Cañapa. Inmitten der kargen Hochebene des Altiplanos wirkt die Lagune wie eine Oase der Friedlichkeit und die pinken James-Flamingos, die mit ihren Schnäbeln nach Kieselalgen und Krebsen suchen, wie der wichtigste Teil dieser Surrealität.
Laguna Cañapa
James-Flamingo
Nach einem Mittagessen an einem der wohl außergewöhnlich schönsten Orte Boliviens geht es in Rallye-Dakar-Manier durch die Wüste Siloli zu einem Wüstenabschnitt in dem es schien als ob es irgendwann einmal riesige Steine hagelte. Und mitten drin der Arbol de Piedra (Rock Tree) und ein Chinchilla.
Arbol de Piedra
Chinchilla
Vorbei an zwei weiteren Lagunen (Laguna Honda & Laguna Ramaditas) deren Größe und Farbe wir auf Grund der unglaublichen Eindrücke nicht mehr wirklich verarbeiten können geht es zum großen Finale des Tages: Der Laguna Colorada als Tor zum Nationalpark Eduardo Abaroa. Die Laguna Colorada ist ein 60km² großer See, er besticht durch seine rote Färbung, war in der engeren Auswahl zu den sieben Naturweltwundern und liegt auf einer Höhe von 4278. An Höhenkrankheit ist in diesem Moment aber nicht zu denken. Die Sonnenstrahlen und der Wind machen die Lagune zur magischsten der gesamten Tour. Mir fehlen schlicht und einfach die Worte. Mehr Natur geht nicht, sowas siehst du nicht zwei Mal im Leben. Die Kameraaufnahmen entschädigen zumindest ein wenig.
Laguna Ramaditas
Laguna Honda
Laguna Colorada
Tag 3: Mondlandschaft
Es war eine kurze, eiskalte Nacht. Wenige grad über Null vereinfachten uns das Aufstehen um 5 Uhr Morgens. Roberto und Jose taten alles um uns rechtzeitig zum Sonnenaufgang bei den Geysiren Sol de Mañana eine nahezu unwirkliche Landschaft zu präsentieren. Der Schwefelgeruch zieht in unsere Nasen, weißer Rauch steigt aus dem kalten Wüstenboden auf, die Sonnenstrahlen durchbrechen den warmen Nebel und Alles zusammen liefert das perfekte Szenario. Es scheint, als wären wir auf dem Mond angekommen. Es ist stickig, es riecht, es ist kalt und anders als all das was wir kennen.
Mondlandschaft Sol de Mañana
Mit abgefrorenen Fingerspitzen geht es zurück ins Auto. Durch die Wüste Salvador Dalis (Desierto de Dali) geht es zur letzten Lagune der Tour. Der Mix aus wolkenlosem, blauem Himmel, braunen Felsen im Wüstensand, die auf einer Anhöhe liegen, wie als wären Gott ein paar Kieselsteine aus der Hosentasche gefallen und grüner Lagune (Laguna Verde) lassen mich wieder einmal sprachlos werden. Es scheint, als säße ich inmitten eines Gemäldes des spanischen Künstlers. Es fehlen nur die zerflossenen Uhren.
Laguna Verde
Die nächsten sieben Stunden heißt es vom Süden Boliviens, fast an der Grenze zu Chile zurück nach Uyuni. Wie der Wind durchqueren wir das bolivianische Altiplano, hören passende Musik und schweigen. Auf einmal fährt Roberto in einen kleinen Canyon, vorbei an Lamas und märchenhaften Grünflächen auf einen Platz mittem im Nirgendwo der mich in seinen Bann zieht. Ich fühle mich kurzzeitig als wäre ich eine Märchenfigur. Ein Hänsel auf der Suche nach Gretel oder Rotkäppchen auf ihrem Weg durch den Wald zur Großmutter.
Märchenlandschaft
Auch nach Ankunft in Uyuni fühle ich mich noch immer als hätte ich 3 Tage auf dem Mond oder im Märchen verbracht. Einzig und allein der rumpelige Nachtbus nach La Paz schafft es mich aufzuwecken aus diesem Traum. Wir sind zurück in der Realität. Zurück in der Großstadt, weit entfernt von Surrealität. Wir wissen aber das es sie gibt.
Irgendwo da draußen in Bolivien.