Suicide: Drei Monate und ein Tag
Taschenbuch: 300 Seiten
Verlag: Books on Demand
ISBN-10: 3735757030
ISBN-13: 978-3735757036
"Ich spürte Wärme. Langsam erwachte ich aus diesem Traum, der mir seltsam bekannt vorkam und öffnete die Augen ..."
Sevilla in den 1990ern. Stefan widerstreben Karrieretreppen, er sieht seine nächste Station in Spanien. Leichtigkeit, Sonne in seinem Leben, Streifzüge durch die Stadt. Und ganz nah bei sich, in der Residenz entdeckt er eine ganz besondere Sehenswürdigkeit: Susanne.
Ist sie genau die Eine? Es beginnt eine Sevillana der besonderen Art: Leidenschaft, Gleichklang und Gegentakt. Aus sinnlichem Tanz wird bitterer Ernst. Ein altes Trauma reißt einen Abgrund auf.
In einer tagebuchartigen Rückblende erzählt Stefan Lange die Geschichte einer passionierten Liebe, eines Lebens zwischen Manie und Depression. Die Sprache besticht durch Klarheit; schonungslos offen, zynisch-brutal und sehnsüchtig-hoffnungsvoll zugleich rührt der Autor mit Suicide an ein Tabuthema.
Über den Autor:
Geboren wurde ich 1965. Alles sah eigentlich nach einem normalen Leben aus. Schule, Abitur, Lehre und dann das Studium (Betriebswirtschaftslehre). Die Begegnung mit einem Menschen riss ein altes Trauma wieder auf und ich stürzte in einen tiefen Abgrund. Die Befreiung daraus war das Schreiben. Eigentlich habe ich nur für mich selbst geschrieben. Eine Freundin, die sich für die Aufzeichnungen interessierte, meinte, ich sollte meine Geschichte öffentlich machen ...
Heute engagiere ich mich in der Suizidprävention und meine Geschichte soll einen Beitrag leisten, die Themen Depression und Suizid zu entstigmatisieren.
Rezension:
Es gibt Bücher, die liest man nebenbei, bei manchen bekommt man Lachanfälle und bei einigen müssen die Taschentücher in Reichweite stehen. Und dann gibt es Bücher, bei denen das alles nicht zutrifft. So wie "Suicide: Drei Monate und ein Tag". Dieses Buch hat es geschafft, dass ich es bereits beim Lesen der ersten Seiten beiseite legen musste, um tief Luft zu holen und mich nicht in meiner eigenen Vergangenheit zu verlieren. Ich habe sehr lange an der Geschichte von Stefan gelesen und es vermieden, mich durch ein anderes Buch ablenken zu lassen. Warum fiel mir das Lesen so schwer? Und warum sitze ich nun hier und suche die passenden Worte für eine Rezension?
Die Geschichte von Stefan ist eine von vielen und doch einzigartig. Ein Mann Anfang 30. Mit sich und der Welt im Reinen. Auf dem Weg, sich beruflich auszurichten, trifft er in Sevilla auf Susanne und damit die große Liebe. Und verliert sie wieder. Seine Liebe verwandelt sich in Hass und Aggression. Gegen Susanne, das Leben und sich selbst. Er verliert sich immer mehr. Oder findet sich gerade erst. Wie auch immer - es endet in einem Selbstmordversuch und dem schmerzvollen Weg zurück ins Leben. So die Kurzform.
In Wahrheit liest man eine Erzählung in Tagebuchform, in der der Erzähler Einblicke in sein Innerstes, seine Gefühle und Gedanken in der damaligen Zeit gibt. Und die mich beim Lesen immer wieder an eigene Situationen erinnert haben. Vielleicht ist daher dieses Buch für mich ein ganz besonderes. Es gibt viele Parallelen und - zum Glück - vieles, dass in meinem Leben anders verlief.
18. Oktober 1994. An diesem Tag beginnt Stefans Erzählung. Es ist ein Tag wie viele: erwachen nach einem nächtlichen Traum, der bekannt und unangenehm war. Die Erinnerungen an die Vergangenheit. Das Versuchen, damit umzugehen. Das Zurückkehren in eine Zeit voller Emotionen und Tränen.
Noch einmal stelle ich mir die Frage, wann dieser Haß, diese Lähmung, die mich wie eine schleichende Krankheit durchdrang, begonnen hatte. Vielleicht war ich ja schon verloren, bevor ich geboren wurde und hatte seither den Tod immer in mir getragen, oder begann alles mit einer Reise nach Sevilla?
April 1994 - Stefan ist ein junger Mann Anfang Dreißig, der darüber nachsinnt, was er in seinem Leben noch erreichen will und kann. Er entscheidet sich für eine Auszeit in Sevilla, da ihn diese Stadt magisch anzieht und hofft auf eine zukunftsweisende Zeit. Seine Freunde kennen ihn als freundlichen, weltoffenen Menschen, der gerne lacht und sich den Problemen des Lebens stellt. Dass es in seinem Inneren ganz anders aussieht, erahnen sie nicht.
Seit jeher war ich ein Reisender gewesen, auf der Suche nach einem Ort, an dem es Liebe und Geborgenheit gab...
...In meinem Gefühlsspektrum herrschte eine gewisse emotionale Lücke. Liebe und Geborgenheit hatte ich seit meiner Kindheit entbehrt...
...Es herrschte manchmal eine Widersprüchlichkeit im Denken und Handeln und mein Temperament war sprunghaft und unberechenbar. In mir lebten zwei Seelen. Auf der einen Seite konnte ich eine Frohnatur sein, dann trieb wieder abgrundtiefer Haß nach oben...
...Im Grunde genommen war ich schüchtern, eine Tatsache, die mir bei meinem selbstbewußten Auftreten niemand so recht glauben mochte...
Anfang Mai begegnet Stefan in Sevilla Susanne. Und verliebt sich in sie. Obwohl gebunden, läßt auch Susanne sich auf diese Liebe ein und in den nächsten Wochen genießen die Beiden eine unbeschwerte Zeit miteinander.
Dieses Kribbeln im Bauch war berauschend, als wir Hand in Hand zur Schule gingen. ich mußte mich immer wieder von der Schwerkraft überzeugen. ich hüpfte und tanzte.
...Wir zogen uns an wie starke Magnetfelder und gaben uns einander hin...
Susanne schafft es, in Stefans Innerstes vorzudringen und erahnt, was wirklich in ihm vorgeht. Nur zögerlich gestattet er, dass sie erfährt, wie verletzlich er in Wahrheit ist. Die Angst, sich preiszugeben kann er nur sehr zögerlich überwinden.
Ich glaubte, daß sich alle Menschen, die mir nicht nur auf einer freundschaftlichen Ebene begegneten, sondern denen ich einen tieferen Einblick in mein Seelenleben gab, von mir abwendeten. Vielleicht war das einzige, was ich im Leben zustande brachte, Abneigung hervorzurufen.
Bis... Susanne beschließt, zu ihrem Freund heimzukehren und ihr Leben weiterzuleben.
Stefan, der über die Zurückweisung nicht hinwegkommt, beginnt Susanne zu terrorisieren. Mit Worten, gefasst in Telefonate und Briefe. Er bettelt und droht. Gefühlschaos pur. Bei beiden. Und er merkt nicht, wie er Susanne dadurch immer weiter von sich weg schiebt. Geradezu erschreckt und verängstigt flüchtet sie und der Abstand zwischen den Beiden wird immer größer. Und Susannes Angst vor ihm. Und seine Selbstzweifel steigern sich ins Unermässliche. Zweifel am Leben, an der Liebe, an Allem. Die Gedanken, die ihn beschäftigen führen ihn unausweichlich auf ein Ziel zu: der Erkenntnis, dass das Leben nicht lebenswert ist und der Tod die angenehmere Alternative.
Als er diesen Gedankenpunkt erreicht, scheint die Zukunft wieder in einem neuen Licht: er hat ein Ziel vor Augen, dem er sich nun unaufhaltsam zusteuert. Und verfehlt... Denn der Selbstmordversuch scheitert und er erwacht in einer Ausnüchterungszelle der Polizei. Und wird zurückgestoßen ins Leben. Zuerst noch überzeugt, einen neuen Versuch zu starten, wird er nach und nach davon abgebracht und durch den Besuch eines Therapeuten lernt er schließlich, sich seinen eigenen Ängsten, Vergangenheiten und Gedanken zu stellen.
Der Todeswunsch kam nicht plötzlich über mich. An diesem Leben zwischen wahrem Kern und äußerer Hülle bin ich langsam erstickt. Ich habe mich durch mein eigenes Verhalten selbst versklavt, und letztlich hat mich der Wunsch nach Geborgenheit in die Katastrophe getrieben. ich wurde Opfer meiner selbst.
Es lässt sich für mich nicht in Worte fassen, was Stefan alles auf diesem beschwerlichen, langen Weg durchlebte. Dafür gibt es ja aber dieses Buch. Was so einfach klingt, ist ein unbeschreibliches Arbeiten, Bewältigen und immer wieder Zurückkehren an Punkte, zu denen man nie wieder wollte. Diese immer wieder notwendige Bewältigung der eigenen Vergangenheit und dem Erkennen, wann und wo das Leben einem den letzten Tritt gegeben hat, dass ist das Schwierige an Depressionen. Denn auch, wenn Gespräche helfen und notwendig sind - die wichtigste Therapie kann man nur mit sich selbst bewältigen.
Das Bösartige daran ist, daß ich diese Krankheit geleugnet habe und kein Außenstehender darauf gekommen wäre...
... Leider ist mir erst durch einen ungeheuren Leidensdruck deutlich geworden, daß ich etwas für mich tun mußte. Es gab eine echte Chance und ich habe damit angefangen, sie zu nutzen...