Subjektiv einseitiger Rückblick auf die CeBIT 2013


Vor vielen vielen Jahren entstand die Hannover Messe. Da erwachte die Stadt an der Leine aus dem Dornröschenschlaf und die Preise für Hotelzimmer und heiße Würstchen explodierten. Hannover Messe, das war die Mutter aller Industriemessen und da ging es um Baukräne, Bagger, Maschinen und Energie. Dann kam das Centrum Büro Informationstechnik kurz CeBIT dazu in den unübersichtlichen Hallen 1 und 2.

Messeeingang Nord CeBIT 2013, Quelle: Messe Hannover

Messeeingang Nord CeBIT 2013, Quelle: Messe Hannover

Die CeBIT wurde immer größer und somit selbstständig. In den “goldenen Zeiten” waren alle Hallen gut gefüllt. In den späten 90iger Jahren mußte die Deutsche Telekom eine temporäre Zelthalle bauen, bis die neue Halle 26 fertig gestellt war, welche dann von der Telekom gut zur Hälfte und von den andern wichtigen Unternehmen der mobilen und festen Telekommunikationsbranche genutzt wurde. Namen wie Nokia, Ericsson, Sony, Netzbetreiber wie Telekom, Mannesmann (heute Vodafone), E-Plus, VIAG Interkom (heute Telefonica o2), Serviceprovider wie Alphatel, Victor Vox oder Drillisch (heute, Drillisch), Debitel, Mobilcom, Cellway, D-Plus, Talkline (alle heute unter Mobilcom-Debitel, seinerzeit aus Axicon, Proficom, Martin Dawes entstanden), Hutchison (heute The Phone House) gehörten damals auf der CeBIT zum guten Ton, ihre Stände waren echte Publikumsmagnete.

Seite einigen Jahren bleiben weite Teile der Telekommunikationsbranche dem Hannoveraner Treffen fern, die gesamte moderne Halle 26 ist im Dornröschenschlaf versunken. Nach der Eingemeindung von Arcor hat Vodafone die ehemaligen hölzernen japanischen Pavillons der Weltaustellung übernommen und bittet darin ausgewählte Kunden zum Hintergrundsgespräch, das interessierte Multiplikatoren-Publikum muß draussen bleiben und am Samstag – ganz offizieller Messetag – hat Vodafone bereits geschlossen und baut vor den Augen des verdutzten Publikums schon seine Zelte ab.

Irritierte und frustrierte Kunden berichten das umgehend im Social Web und mancher Kunde hat Vodafone bereits aus seinem Portfolio herausgenommen. Wenn Vodafone den Anschluß auf dem deutschen Markt nicht verlieren will, sollten sie das schleunigst ändern. Ja “Privatkunden” können nervig sein, können lästige Frage nach günstigen Schnäppchen stellen, sie sind aber auch Seismographen und ihre Anregungen und Wünsche können die teuersten Consulter für viel Geld nicht so direkt und unmittelbar liefern.

Manch interessierte Kunde fährt doch gerade deswegen auf eine Messe, weil er sich aus erster Hand informieren will, denn die Verkäufer in den Läden wissen oft weniger über die zu verkaufenden Produkte, als die Kunden vor der Theke. Das ist kein Trend, das ist trauriger Fakt.

Wer sich im Vodafone Bau umschauen konnte, fand einige interessante Produkte, Projekte und Endgeräte zu sehen. “Emmas Enkel” eine originelle Idee, die Probleme der modernen Streßgesellschaft “Keine Zeit zum Einkaufen”, mit der Nostalgie des legendären Tante Emma Ladens zu verbinden. Man geht in ein plüschig, kultiges Ladenlokal und “fotografiert” über eine Augmented Reality App die Waren, die man kaufen möchte. Das können reale Waren im Regal sein, oder virtuelle Waren auf einer Plakat- oder Videowand abgebildet, verpackt wird im Hintergrund. Geliefert wurde in ökologisch freundlicher Papiertüte an den Stand, in der Realität wird derzeit nur im Stadtgebiet von Düsseldorf ausgeliefert und eines schönen Tages auch einmal flächendeckend bundesweit. Doch solange nicht einmal die Mobilfunknetze flächendeckend bundesweit verfügbar sind, bleiben das Träume.

In seiner Pressekonferenz zeigte Vodafone eine schöne neue Kommunikations-Welt, in der alles möglich ist, weil es ein Netz – das von Vodafone – gibt. Gleich darauf mußte Jens Schulte-Bockum, der sympathische neue CEO von Vodafone Deutschland, einräumen, daß das Netz aktuell kleinerer Renovierungen bedürfe, während sein Technik Chef Hartmut Kremling der Fachpresse einräumen mußte, daß die Probleme wohl drängender sind, als bislang gesagt. Nutzer an der Front berichten schon länger, daß “EDGE “im Netz von Vodafone oft mit “Datenstillstand” gleichzusetzen ist. Wo 3G von Vodafone existiert, funktioniert es in der Regel schon, von einigen Ballungszentren abgesehen. Die große Hoffnung LTE ist aber noch lange nicht überall verfügbar sei es aufgrund fehlender Sender oder eher aufgrund fehlender Engeräte. Wenn man bei einer ziemlich angesagten Handymarke derzeit “nur” ein LTE 1800 Handy kaufen kann, hilft “real LTE” (=LTE 800) nun mal rein gar nichts. Es ist das klassische Henne-Ei-Problem.

Am Stand der Deutschen Telekom in Halle 4 wurde umfangreich das (Geschäftskunden)Angebot der Deutschen Telekom vorgestellt, aber so, daß es auch den Endverbraucher interessieren konnte. Schwerpunkt-Thema ist die “Cloud”, die als “Cloud” bei vielen Kunden und Verbrauchen dumpfe Ängste beschwört, aber streng genommen ein alter Hut ist. Wer sein Online-Postfach bei T-Online oder GMX besitzt, wer seine Homepage bei Strato, 1&1 oder einem andern Provider hosten läßt, nutzt seit Jahr und Tag auch die “Cloud”, nur der Begriff war damals noch nicht geprägt. Noch Neuland ist die Idee, daß man Software nicht mehr kauft und dann auf dem eigenen Rechner installiert, sondern komplett im Netz pardon in der Cloud “mietet” oder kostenfrei nutzen kann, etwa um mit Kollegen oder alleine Texte, Präsentationen oder Tabellen zu verfassen. Der klare Vorteil: Die Software wird zentral verwaltet und aktualisiert, keine Probleme mit vergessen Updates oder Inkompatibilitäten auf dem heimischen Rechner, der Nachteil die Software kostet permanent Geld, vielleicht auch dann, wenn sie gar nicht genutzt wird.

Bei Telekom an der Ecke – tradtionell und sehr lobenswert – der riesengroße Customer-Care Schalter, wo komplizierte Kundenprobleme einmal in Ruhe mit kompetenten Leuten besprochen werden konnte. Das macht die Telekom seid vielen Jahren und der Erfolg gibt ihr Recht. Bei Vodafone gabs im Eingangsbereich der eigenen Halle einen kleinen Desk, wo man sein Problem vortragen konnte.

E-Plus glänzt seit Jahren mit Abwesenheit. Deren Tarife sind teilweise wirklich gut, die Discount-Angebote fokussieren sich unter zig Markennamen alle auf die 20 Euro AllNet-Flatrates, aber die Kunden wollen keine Laufzeitverträge mehr. Hier hätte man die Gelegenheit nutzen können, im direkten Dialog mit dem Kunden den Sinn und Zweck von Laufzeitverträgen und den technischen Möglichkeiten mit neuen Endgeräten im Netz zu erklären.

Traditionell lud o2 zur Presekonferenz am Dienstag ein, aber der Termin wurde in letzte Minute abgeagt. Nichts schlimmes, es gab schlicht ein größeres Terminproblem in München. Die CeBIT ist unwichtig geworden. Mit Wehmut erinnern sich langjährige o2-Mitarbeiter an die preisgekrönten o2-Stände auf der Telekom. Doch so ein Stand kostet und bringt nichts oder genauer – die Kostenrechner glauben, daß er nichts bringt. Wirklich nicht?

Die Handyhersteller waren teilweise in Hannover, aber nicht mit eigenen Ständen unter eigenem Namen, sondern zu Gast bei der Deutschen Telekom oder bei Vodafone, beispielsweise BlackBerry, HTC, Sony oder Nokia. Das ist besser wie nichts und das angetroffene Standpersonal war sachkundig und gut informiert, keine schlechte Idee und lohnend für den Besucher, der öfters die eine oder andere Frage endlich beantwortet bekam, die ihm in der Vergangenheit keiner erklären konnte. Oder wußten Sie, warum bei Windows Phone 7 oder 8 unter “Einstellugnen” manchmal die Menüpunkte mit einer alphabetischen Untergliederung und manchmal nicht auftauchen? Kennen Sie die Armband Uhr von Sony oder deren kreativer Gebrauch von NFC Tokens, die das Handy genial einfach von Laut auf Leise oder von Handy auf Musikwiedergabe etc. umstellen können?

Davon würde man sich mehr wünschen.

Neu seit einigen Jahren der “Planet Reseller”, der “normalen” Messebesuchern versperrt blieb, quasi eine Messe in der Messe, der sich an handelndes Fachpublikum richtete, mancher Stand hätte auch Besucher aus Endkundenkreisen verdient, die dann so informiert, ihrem lokalen Händler, der vielleicht keine Zeit hatte, zur Messe zu gehen, motivieren könnten, beim Anbieter X zu bestellen.

Vorbei die Zeiten, wo Nokia ein komplettes Reparatur-Labor auf die CeBIT-Messe karrte, wo komplizierte Reparaturen vor Ort binnen weniger Stunden durchgeführt wurden, vorbei, wo man noch nagelneue Sendertechnik von Nokia (heute Nokia-Siemens-Networks) oder Ericsson bestaunen konnte. “Das hätte man ja alles in Barcelona sehen können.” Nur Barcelona ist für technisch interessierte Multiplikatoren nahezu unerreichbar (eine Karte würde ab 750 Euro kosten), die CeBIT aber schon.

Shareconomy

“Shareconomy” der Leitbegriff der CeBIT 2013 . Die Messe Hannover hat wohl verstanden, daß sie twas tun muß, um die Messe zurück in die Köpfe der Öffentlichkeit zu bekommen und solche Begriffe werden dann gerne landauf landab diskutiert, am liebsten in Kreisen, wo man über das Thema nicht viel weiß, aber dennoch “mitreden” will.

Nun: Das Wort Shareconomy (Share Economy) bildet sich aus “Teilen” und “Wirtschaften” und beschreibt einen Effekt, daß viele Dinge heute nicht mehr gekauft, sondern höchstens gemietet oder vielleicht nur geteilt (geliehen, verschenkt) werden. Eine Bohrmaschine liegt die meiste Zeit im Schrank, weil sie nur selten gebraucht wird. Was läge also näher, sie vom “Nachbarn” auszuleihen, statt eine eigene zu kaufen? Dieser “Nachbar” könnte irgendwo in der Internet-Community zu finden sein. Car Sharing, das Auto steht um die Ecke und man nimmt sich ein passendes, das man im Internet geortet und geordert hat und öffnet die Tür mittels Smartphone. 29 Cent pro Minute kostet so ein Auto, diesen Preis haben die Mobilfunker ja schon vorbelegt. Steht das Auto im Parkhaus, könnte die Minute günstiger sein oder auf 0 sinken, je nach Angebot und Anbieter. Dauerreservierte Parkplätze für Car-Sharing Autos gefallen dem ADAC natürlich nicht, weil seine Mitglieder schon jetzt unter Parkplatzproblemen ächzen, hier müssen viele Leute noch umdenken.

Ein Diskussionsteilnehmer eines Panels bei Vodafone berichtete, daß er außer Essen und Trinken für nichts mehr Geld ausgeben wolle, alles andere könne geteilt werden. Man stelle sich das vor: Die Huaweis, ZTEs, Nokia-Siemens und wie sie alle heißen dieser Welt “verleihen” ihre Sender und Vermittlungstechnik an die Netzbetreiber und was (außer Geld) könnten sie dafür zurück bekommen?

Schon Realität: Die Netzbetreiber “leihen” ihre Handys an die Endkunden, doch dann muß man die bei Vertragsabschluß gegebenen Zusagen auch bis zum Ende der Laufzeit einhalten, was auch nicht immer so reibungslos klappt.

Originell bis futuristisch das Angebot der Deutschen Telekom unter dem Titel WLAN to Go: Sie installieren einen WLAN-Router an Ihrem T-DSL-Anschluß der im Prinzip zwei WLAN-Router enthält. Der eine Router versorgt Sie in Ihren eigenen 4 Wänden mit WLAN, das kennen sie ja. Wenn Sie den zweiten “virtuellen” Router freigeben, bekommen Sie selbst einen Benutzernamen und ein Passwort, womit sie sich in allen Telekom-Routern, die auf gleiche Weise freigegeben wurden, einloggen können und das ohne jegliche Kosten. Im Gegenzug dürfen die Mitglieder dieser WLAN-Community, die übrigens vom Anbieter “FON” realisiert wird, bei Ihnen daheim einloggen. Durch die Ausgabe getrennter Zugangsdaten, kann im Ernstfall der “fremde” Nutzer ermittelt werden, falls es zu tatsächlichen oder vermeintlichen Verstößen gegen Copyright oder was auch immer kommen sollte. Das hat die Telekom vorher “juristisch abgeklopft”. Notwendig ist dazu ein brandneuer Speedport 724 Router, weitere werden folgen.

Mal sehen, wieviele Anwender diese knuffige Idee nutzen werden. Im Idealfall läßt sich so recht elegant viel Last vom Mobilfunknetz herunternehmen und die Netzversorgung verbessert sich auch endlich indoor. Künftige Handys werden sich automatisch in WLAN-Netze einloggen können, ohne daß der Nutzer es merkt und ohne, daß man kryptische Startseiten aufrufen und noch kryptischere Passworte eingeben muß.

Falls Sie sich wegen der oben benannten Parkplatzprobleme einen Wagen mieten möchten und dazu bei Sixt anfragen, könnte der künftig auch mit einem WLAN-Hotspot ausgestatt sein. Im Auto steckt ein GSM/UMTS/HSPA/LTE Modem, das die empfangenen Mobilfunksignale an einen Mini-WLAN-Router im Auto weiterleitet. Gedämpfte Scheiben oder empfangsschwache Handys stellen damit in Zukunft kein Problem mehr dar.

Ein Wermutstropfen bleibt: Die Tage des einst modernsten Telefonnetzes der Welt in ISDN-Technik sind gezählt. Die Telekom will sich spätestens ab 2016 und teilweise schon ab sofort vom bewährten ISDN-Netz verabschieden und hat begonnen, seine Kunden von analoger oder ISDN-Technik auf All-IP umzustellen. Das ist in vielen Fällen problemlos, wenn es aber um anspruchsvollere Kunden geht, die Dienste wie CCNR oder eine Alarmanlage oder ein EC-KArten-Terminal oder einen Senioren-Notruf betreiben, muß die althergebrachte Technik (POTS) weiter vorgehalten werden. Bis auf weiteres. Je älter diese Technik wird, desto teurer wird es.

Bis zum absoluten Ende von ISDN werden noch einige CeBITs vergehen. Ob der Vorschlag von Kanzlerin Merkel Wahrheit wird, daß die CeBIT eines Tages wieder ein kleiner Teil der internationalen Hannover Messe Industrie wird?

Oder eine CeBIT wo das Thema Mobilfunk wieder groß geschrieben wird? Wo alle Netzbetreiber, Service-Provider und Gerätehersteller  und Zubehörlieferanten vor Ort sind, mit Informationen für das Fachpublikum, für Einkäufer und Wiederverkäufer aber auch mit sachkundigen Informationen für fortgeschrittene Verbraucher die “mehr” wissen wollen, mit Workshops und Dialogen, Panels, wo der Kunde sich wichtig udn ernstgenommen fühlt. Das müßte sich am Ende Tages auch rechnen und allen Beteiligten richtigen Spaß machen oder etwa nicht?

Schlagwörter: CeBIT, Deutsche Telekom, E-Plus, FON, Messe, o2, Vodafone, WLAN


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