Stuttgart 21: Heiner Geissler als Mediator oder „Deutschland sucht die Supernase“

Stuttgart 21: Heiner Geissler als Mediator oder „Deutschland sucht die Supernase“

Jens Zehnder / pixelio.de

Man soll sich ja eigentlich nicht selbst zitieren, aber auf unserer Homepage kann man nachlesen, was eine Mediation eigentlich leisten soll: sie ist „ein strukturiertes, freiwilliges Verfahren zur konstruktiven Beilegung oder Vermeidung eines Konflikts. Die Konfliktparteien wollen mit Unterstützung einer dritten allparteilichen Person (dem Mediator) zu einer gemeinsamen Vereinbarung gelangen, die ihren Bedürfnissen und Interessen entspricht. Der Mediator ist lediglich für das Verfahren verantwortlich und trifft keine eigenen Entscheidungen.“

Nun also Heiner Geissler im Spannungsfeld zwischen den wirtschaftlichen Interessen der Grossinvestoren, den politischen Interessen von Bundes- und Landesregierung – und ein bisschen auch den Bürgerinteressen sowohl der teilweise heftig demonstrierenden Gegner wie auch der durchaus vorhandenen Befürworter.

Schneidig hat er angefangen: erst einmal den Baustopp verkündet, denn mit dem Baggergeratter vor der Tür sei schlecht ergebnisoffen verhandeln; und tatsächlich, schon zeigten die Parteien, wie offen sie dieser Mediation gegenüberstehen, der Baustopp war kein Problem für Bahn und Landesregierung.

Verwundert rieb man sich die Augen, warum nicht gleich so – doch am Ende hätte man sich die Augen lieber nicht ausgewischt, denn als der Schleier fiel, stellte sich heraus, dass dieses Zugeständnis die reine Luftnummer war; natürlich sollen weiter Aufträge vergeben werden, und die angeblichen Baustopps beruhten schlicht und ergreifend auf dem Umstand, dass diese Arbeiten sowieso erst in einigen Monaten bzw. sogar Jahren geplant waren. Blendwerk für das Volk, direkt aus dem Arsenal der Taschenspieler – und irgendwie genau mit dem Geschmäckle, was inzwischen allen Politikeräusserungen unterstellt wird…

Aber Bahnchef Rüdiger Grube (da ist der Name wohl Programm) musste dringend noch nachsetzen – irgendwie muss man sich ja anständig um die legitime Nachfolge eines Herrn Ackermann in der Beliebtheitsliste bewerben : “Es kann und darf keinen Bau- und Vergabestopp geben“, sagte der oberste Tunnelbauer bei einer Veranstaltung in Stuttgart am Montagabend. „Mit dem Grundwassermanagement können wir nicht aufhören. Ein Vertrag ist ein Vertrag, und ein Vertrag ist dafür da, dass er erfüllt wird“, fügte er vor mehreren hundert Vertretern von Wirtschaft und Politik hinzu. (Klick) Wahrlich unterirdisch, diese Äusserungen.

Ok, anwesend waren in erster Linie diejenigen, die wohl eher nicht gegen das Projekt sind, aber hat der Grubengräber für die Bemühungen des Herrn Geissler eta nicht damit gerechnet, dass seine Äusserungen postwendend von den versammelten Journalisten weitergegeben werden? Doch, hat er, da bin ich mir ganz sicher, und damit wird seine Stossrichtung deutlich – weg mit dieser Verhandlung, das Projekt Stuttgart 21 ist beschlossen und wird durchgedrückt, egal, gegen welche Widerstände und egal, mit welchen Mitteln. Nein, Herrn Bahnchef denn geht es überhaupt nicht um Schlichtung oder Mediation, nein, “Hier geht es um ja oder nein“, so Grube. Wahrhaftig titanisch, dieser Kampf Schwarz gegen Weiss, Gut gegen Böse, Bahn gegen Bürger.

Und Grube sagt sogar dreist-öffentlich, was er tatsächlich von Heiner Geissler erwartet: dieser solle die „verunsicherten“ Menschen (denn das seien die Demonstranten) wieder für Argumente zugänglich machen. Das hat ja etwas Messianisches – die irregeleiteten Schäfchen müssen wieder auf den tugendhaften Pfad der Wirtschaftskapitäne und Berufspolitiker zurückgeführt worden – ins heilige Land der schönen, neuen Bahn(unter)welt mit oberirdischem Glitzerviertel.


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