Hartz IV: Die Politik in der Parallelwelt

Hartz IV: Die Politik in der Parallelwelt

© Gerd Altmann / pixelio.de

Man fragt sich schon in Zeiten von Stuttgart 21 und der Veränderung der Hartz-IV-Sätze, ob sich unsere Politiker inzwischen in einer Parallelwelt befinden, die in immer stärkerem Masse den Kontakt zur Lebenswirklichkeit verloren hat. Früher gab es das geflügelte Wort vom „Raumschiff Bonn“, aber der Umzug von dort in das „Raumschiff Berlin“ hat den Spalt zwischen „denen da oben“ und „denen da unten“ noch grösser werden lassen.

Da feiert sich unser Aussenminister in New York ab, weil die Bundesrepublik Deutschland jetzt für ein paar Monate einen Sitz im UN-Sicherheitsrat hat – für den man vorher kräftig in der Südsee unter Palmen oder auf ähnlich exotischen Orten dieser schönen Welt Werbung gemacht hat – und grossen deutschen Zeitungen (die in der Regel deutlich näher am Puls der Bevölkerung sind als unsere gewählten Volksvertreter) ist dies allenfalls eine Meldung irgendwo zwischen dem Sieg der Deutschen Nationalmannschaft in Kasachstan, der Entscheidung für Düsseldorf als Austragungsort des Schlager-Grand-Prix und den Regionalmeldungen wert; und warum: weil es ausser ein paar nette Aussentermine für unsere Regierung niemandem etwas bringt und den Steuerzahler wieder ein hübsches Sümmchen kostet.

Man verstehe mich nicht falsch: ich bin sogar (theoretisch) ein Verfechter der UN, aber solange es sich dabei um eine Institution handelt, die nichts zu sagen hat und deren oberstes Organ durch Vetorechte blockiert ist, ist das ein netter Debattierclub, angefüllt mit Bedenkenträger, aber ohne jede praktische Aussenwirkung.

Es wäre ja toll, wenn sich die Deutschen ab heute für eine grundlegende Reform der UN  einsetzen würde, aber ehrlich, mir fehlt der Glaube, dass dies bei unserem politischen Federgewicht Westerwelle hoch auf der Agenda steht – und dass er auch nur ansatzweise in der Lage wäre, auch nur die Fidschi-Inseln zu überzeugen, wenn er es denn wollte.

Schön ist doch auch die Meldung, die ich gerade im Radio höre: die Regierung plant jetzt (man könnte fast das Gefühl haben, als angemessene Reaktion auf die Proteste gegen Stuttgart 21) eine Anhebung des Strafmasses für den Widerstand gegen die Polizei von 2 auf 3 Jahren, auch soll die eingetragene (gleichgeschlechtliche) Lebenspartnerschaft der Ehe im Beamtenverhältnis gleichgestellt werden… insbesondere Letzteres ist doch sicherlich – bei allem Respekt vor gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften unter Beteiligung von Beamten – nicht gerade ein Brennpunkt des sozialen Geschehens in der Bundesrepublik Deutschland. Und von einer Anhebung des Strafmasses für Polizisten, die in Ausübung ihrer Tätigkeit mit unverhältnismässiger Gewalt auf Demonstranten losgehen, habe ich nichts gehört – und ich habe sehr genau zugehört.

Aber eigentlich ging es ja um Hartz-IV (Klick): Übermutti von der Leyen will die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Stärkung der finanziellen Situation von Kindern durch weitere Sachzuwendungen stärken und so einer erneuten Ohrfeige aus Karlsruhe entgehen (auch da fehlt mir irgendwie der Glaube, dass sie all dies unternimmt, um wirklich die Lebensumstände von betroffenen Kindern nachhaltig zu stärken, aber Röschen kann mich gerne vom Gegenteil überzeugen).

Ich will mich hier gar nicht mit dem Sinn und Zweck an sich auseinander setzen, sondern mich auf die praktische Umsetzung konzentrieren: im Grunde genommen wäre es doch ganz einfach, vom ADAC lernen heisst Siegen lernen: der hat nämlich mal kurz Sicherheitswesten für Schulanfänger propagiert, dafür Sponsoren gesucht (und gefunden), die Westen produzieren lassen und dann über die Schulen bundesweit verteilt – fertig!

Also, Chipkarten produzieren (man könnte zB. die sicherlich noch vorhandenen Rohlinge der Gesundheitskarte nehmen), von mir aus sogar Sponsoren suchen (dann steht eben eine Werbung für den Bund der verarmten Investmentbänker auf den Karten), die Karten an alle Kinder verteilen, (zB. über die Schulen, da müssten die doch regelmässig anzutreffen sein) und dann zum einen das Kindergeld draufladen, zum anderen die zusätzlichen Beträge für die Hartz-IV-Kinder und die freiwilligen Beträge derjenigen, die kein Hartz-IV bekommen; ich bin sicher, dass man Bankinstitute zu logistischer Hilfe ermuntern könnte, wenn man wollte. Alle Institutionen, die dann Beträge von denen Kindern erheben müssen, wie zB. Sportvereine oder Musikschulen, brauchten dann nichts anderes als ein Kartenlesegerät (funktioniert eigentlich problemlos an jedem Rechner) und Onlinebanking – fertig.

Ich gebe zu, dass man das noch ein wenig ausarbeiten muss, aber ein hochtechnologisiertes Land wie die Bundesrepublik muss so etwas doch schnell und problemlos umsetzen können, ohne bürokratischen Aufwand und Aufbau einer riesigen Verwaltung – und eine solche Regelung für alle Kinder würde jede Stigmatisierung verhindern – nur am Rande: für meinen Sohn wickle ich doch schon jetzt alle finanziellen Angelegenheiten, auch was seine Weiterbildung und Freizeitaktivitäten betrifft, weitgehend bargeldlos ab, wo ist denn da bei den meisten Familien das Problem?

Es gibt sicherlich noch 100 andere Wege, wie man die ganze Geschichte schnell und ohne grosse Hindernisse anschieben könnte, wenn man nur wollte, denn schliesslich soll ja den Kindern geholfen und keine Arbeitsplätze für Verwaltungsangestellte gesichert werden.

Aber Nein, dass wäre alles zu einfach und würde viel zu rasch bei den Betroffenen ankommen. Jetzt sollen – erst einmal – Gutscheine ausgegeben werden für die Leistungen, und dass auch noch leistungsgebunden zB. für für Mittagessen und Schulausflüge. Und all das sicherstellen soll die Bundesagentur für Arbeit (BA).

Wenn man auch ansonsten mit dieser Behörde und ihrer Arbeit nicht immer zufrieden sein muss, dieses Mal kann man schon verstehen, wenn von dort massive Bedenken geäussert werden, denn die Bewilligung und Abrechnung jeder einzelnen Leistung wird dort einen riesigen Mehraufwand erzeugen. Immerhin geht es um etwa 1,8 Millionen Kinder und Jugendlichen aus Familien, die auf die staatliche Grundsicherung (Hartz IV) angewiesen sind.

Dazu braucht die Behörde erhebliches zusätzliches Personal, ansonsten werden deren sonstige Leistungen nicht mehr angemessen erbracht werden können – und schon da gibt es erhebliche Defizite. Ausserdem ist bisher für diesen ganzen Bereich überhaupt nicht die BA zuständige, sondern die Kommunen und Landkreisen, die die Erfahrung im Umgang mit hilfebedürftigen Kindern haben. Tätig werden soll also die falsche Behörde, und die dann auch noch ohne angemessene Personalausstattung.

Deswegen äussert sich die BA auch wie folgt: Die Ausgabe von Gutscheinen sei wegen der „erforderlichen manuellen Bearbeitung jedes Einzelfalls mit massivem Verwaltungsaufwand verbunden“. Die hilfebedürftigen Kinder müssten ein Ausweisdokument bei sich tragen, um einzelne Leistungen in Anspruch nehmen zu können. Dies sei eine „Stigmatisierung, die dem gesetzgeberischen Zweck entgegenstehen könnte“. Außerdem ließen sich über die Software, die bislang zur Verfügung stehe, „auf absehbare Zeit keine hinreichend manipulationssicheren Gutscheine“ ausstellen. (Klick)

Und die Kommunen sehen es genauso: Für den Deutschen Städtetag und den Deutschen Städte- und Gemeindebund sind von der Leyens Vorschläge „in weiten Teilen bürokratisch und verwaltungsaufwendig“. Auch sei völlig unklar, wie die bisherigen freiwilligen Angebote der Städte und Gemeinden mit den neuen Leistungen verzahnt werden sollen. Auch die kommunalen Spitzenverbänden raten zu einer besseren Kooperation mit den Städten und warnen vor einem „Aufbau von Parallelstrukturen“. Der Deutsche Landkreistag spricht sich in seiner Stellungnahme an das Ministerium ebenfalls dafür aus, dass die kommunalen Träger das Bildungspaket umsetzen sollten: „Ein Tätigwerden der Bundesagentur für Arbeit in diesem Bereich wird mit Nachdruck zurückgewiesen.


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