Orson Welles entdeckte ihn ihm auffällig oft sein Alter Ego, den despotischen, vereinsamten und fülligen, sich über sein egozentrisches Machtterritorium schleppenden Patriarchen, der in einem fürstlichen Thron kauert, nach manipulativen Winkelzügen zur Tat schreitet, die anderen nur zuwider sein können. In "Citizen Kane" beispielsweise, aber auch in Welles' einstündigem Spätwerk "Stunde der Wahrheit" korrelieren Abscheu und Aura hinsichtlich eines Mannes, der die letzten vergänglichen Ruinen von Glück im Sterben, in unumkehrbarer Zersetzung, erfährt, um selbst archäologisches Relikt zu werden. Jeanne Moreau (sinnenfreudig) und Norman Eshley (strubbelig) dienen dabei diesem gefallsüchtigen Patriarchen als Zeitzeugen, Mythos in Geschichte(n) und Geschichte(n) in Wahrheit umzuschreiben: Eine dem Vernehmen nach beliebte Seemannsanekdote um einen Matrosen, der den Deal seines Lebens eingeht, wird aufwendig nachgespielt – und gefühlsmäßig nachempfunden, auf dass das Seemannsgarn den Zweifel des Unglaublichen verliert. "Stunde der Wahrheit" changiert weniger exaltiert zwischen den Orson-Welles-Meriten, zwischen Oper und Opfergang etwa. Das Bühnenbildnerische ist, so viel Welles muss sein, aber trotzdem präsent; der Film verschränkt Raum und Zeit zu einer knackig dirigierten Kurzepisode, die, farblich gedämpft und im Bildausschnitt von Kerzen ornamentiert, latent gruselig wie spätromantisch einer bemitleidenswerten Existenz (Musik: Eric Satie) die letzte Ehre erweist. Ein ominös entrücktes Kuriosum eines Tyrannen, der Genie sein musste.
6 | 10