»Dass Gott eben Gott ist, des bin ich Ursache«, schrieb Meister Eckhart schon im Mittelalter. »Wäre ich nicht, so wäre Gott nicht Gott.« Der Ursprung dessen, der über uns steht, ist immer der, der darunter ist und vor allem: seinen Status als »der, der darunter ist« akzeptiert. Manchmal habe ich mich schon ertappt, wie ich das Zitat auf all die Niedriglöhner beziehe, ohne die die »Leistungsträger« und »Eliten« nicht so wären, wie sie gerne wären. »Dass die Leistungsträger eben Leistungsträger sind, des sind die Niedriglöhner Ursache; wären sie nicht, so wären diese Eliten nicht Eliten.«
Nun ist natürlich »Leistungsträger« und »Eliten« recht hoch gegriffen. Es handelt sich ja auch meist nur um Leute aus der besser betuchten Mittelschicht, die vom Heer des Prekariats zehren. Auch sie treffen in ihrem täglichen Leben auf Menschen, die für niedrigen Lohn, mit wenigen Arbeitnehmerrechten oder in Scheinselbständigkeiten arbeiten. Der ganze Apparat würde zusammenbrechen, wenn es diese Armee an billiger Arbeitskraft nicht gäbe. Und damit soll nicht gesagt sein, es wäre vernünftig gewesen, dass seinerzeit ein Niedriglohnsektor geschaffen wurde. Damit soll ausgedrückt werden, dass die Ursache für diesen mittelschichtigen Wohlstand - nach Art von »Geiz ist geil« und »Unterm Strich, zähl ich« - diejenigen sind, die an diesem Wohlstand nur in Form von Gesinde teilnehmen dürfen.
Sie sind der Grund dafür, dass sich Deutschland einer »stabilen Wirtschaft« erfreut. Diese vermeintliche Stabilität ist nur durch die Instabilität der Prekarisierten gewährleistet. Man hat dafür gesorgt, das diese Arbeiterschaft am Tropf der Sozialhilfe hängt, die von der besitzenden Klasse immer wieder neu zur Diskussion gestellt und von der Mittelschicht als überflüssig und zu teuer empfunden wird. Darüber vergisst diese Mittelschicht, dass sie von dieser Sozialhilfe so abhängig ist, wie der Empfänger dieser Transferleistungen selbst. Denn wer verkauft ihr sonst die Brötchen? Wer bringt Pakete? Die, die an der Kasse sitzt, lebt sie etwa rein vom geringfügigen Gehalt ohne Zubrot? Einer muss doch dreimal die Woche im Landgasthof Schnitzel an Tische tragen. Und wer soll das für mickriges Geld machen, wenn nicht Leute, die nebenher noch vom Jobcenter aufstocken lassen?
Irgendwie haben sie es geschafft, dass sich dieser »Ursprung der Mittelschichtszufriedenheit und des sorglosen Lebens« schämt und versteckt, statt sich selbstbewusst wahrzunehmen. Ein solcher Umgang mit der eigenen Stellung kommt nicht vor. Obgleich sie das »Rundum-Sorglos-Paket« für Menschen mit guten Einkommen sind, wollen sie nicht auffallen, ziehen sich zurück und kommen als Faktor in der Arbeitsmarktpolitik so gut wie nicht vor. Falls doch, geht es aber nicht um wirkliche Verbesserung ihrer Situation, sondern um Makulatur. Man will schließlich denen, die man als Leistungsträger lobt, keine Sorgen bereiten. Auch morgen muss die Gouvernante noch erschwinglich, der Typ, der den ganzen erkauften Haushalt in Pakete an die Türe schleppt, noch billig genug sein, um »unsere Art zu leben« nicht zu gefährden.
Diese deutsche Sorglosigkeit ab dem oberen Segment der Mittelschicht weiter aufwärts, die wir heute erleben, erinnert fatal an die Selbstzufriedenheit der amerikanischen Gesellschaft in den Fünfzigern. Sie ist ein urbanes Vorortidyll ohne Veranda. Schon damals geschah dieser Wohlstand auf Kosten einer Schicht von Menschen, die für wenig Geld viel taten. Die jede Zumutung als Arbeit annahmen und sich aufrieben für eine fröhliche Schicht von guten Bürgern, die nicht mal ansatzweise Verständnis für die Nöte ihres »indirekt gehaltenen Gesindes« hatten. Bukowski berichtet unter anderem darüber. Céline und Fante ebenfalls auf ihre Art und in ihrer Zeit.
Einer wie Bukowski war der Macher des amerikanischen Traums. Auch wenn in der Beschreibung dieses Traums keine entstellten Gesichter wie seines zu sehen waren. Er und das »befreite Gesinde des freien Marktes« kamen in den Hochglanzprospekten des Wohlstandes nicht vor. Sie waren die Strippenzieher dieses sauberen Lebensgefühls mit weißem Kragen. Eine Gattung, die auch heute immer mehr im Kommen ist. Leute, die für wenig Geld viel machen, dreckig werden, Widrigkeiten auf sich nehmen, unternehmerisches Risiko auf ihre eigene Kappe privatisieren, arbeitend ins Elend abgleiten, während die feine Gesellschaft auf ihre Kosten frisst und ihre Kinder versorgen lässt. Sie pennen nicht mehr in der Treppenkammer, so wie damals bei seiner Lordschaft. Das ist der Fortschritt. Aber sie sind immer noch eine Schicht entrechteter, kleingehaltener, in ihrem Milieu gefangengehaltener Personen. Das ist der Stillstand.
Am Ende bröselte das Idyll und die Schicht derer, die das gute Leben genießen konnten, schmolz dahin. Tut sie auch heute in Deutschland schon. Noch leugnet man es gekonnt weg. Die Wachstumsprognosen klingen ja immer recht hübsch. Und wenn Experten sagen, dass das Wachstum nun doch nicht so anschwelle, wie man zunächst meinte, dann berichtet man davon einfach so gut wie nicht. Darauf kann man doch bauen. Schießlich wachsen wir als Wirtschaft, als Wohlstandsgesellschaft, als Prekariat. Stets zu Diensten ...
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Nun ist natürlich »Leistungsträger« und »Eliten« recht hoch gegriffen. Es handelt sich ja auch meist nur um Leute aus der besser betuchten Mittelschicht, die vom Heer des Prekariats zehren. Auch sie treffen in ihrem täglichen Leben auf Menschen, die für niedrigen Lohn, mit wenigen Arbeitnehmerrechten oder in Scheinselbständigkeiten arbeiten. Der ganze Apparat würde zusammenbrechen, wenn es diese Armee an billiger Arbeitskraft nicht gäbe. Und damit soll nicht gesagt sein, es wäre vernünftig gewesen, dass seinerzeit ein Niedriglohnsektor geschaffen wurde. Damit soll ausgedrückt werden, dass die Ursache für diesen mittelschichtigen Wohlstand - nach Art von »Geiz ist geil« und »Unterm Strich, zähl ich« - diejenigen sind, die an diesem Wohlstand nur in Form von Gesinde teilnehmen dürfen.
Sie sind der Grund dafür, dass sich Deutschland einer »stabilen Wirtschaft« erfreut. Diese vermeintliche Stabilität ist nur durch die Instabilität der Prekarisierten gewährleistet. Man hat dafür gesorgt, das diese Arbeiterschaft am Tropf der Sozialhilfe hängt, die von der besitzenden Klasse immer wieder neu zur Diskussion gestellt und von der Mittelschicht als überflüssig und zu teuer empfunden wird. Darüber vergisst diese Mittelschicht, dass sie von dieser Sozialhilfe so abhängig ist, wie der Empfänger dieser Transferleistungen selbst. Denn wer verkauft ihr sonst die Brötchen? Wer bringt Pakete? Die, die an der Kasse sitzt, lebt sie etwa rein vom geringfügigen Gehalt ohne Zubrot? Einer muss doch dreimal die Woche im Landgasthof Schnitzel an Tische tragen. Und wer soll das für mickriges Geld machen, wenn nicht Leute, die nebenher noch vom Jobcenter aufstocken lassen?
Irgendwie haben sie es geschafft, dass sich dieser »Ursprung der Mittelschichtszufriedenheit und des sorglosen Lebens« schämt und versteckt, statt sich selbstbewusst wahrzunehmen. Ein solcher Umgang mit der eigenen Stellung kommt nicht vor. Obgleich sie das »Rundum-Sorglos-Paket« für Menschen mit guten Einkommen sind, wollen sie nicht auffallen, ziehen sich zurück und kommen als Faktor in der Arbeitsmarktpolitik so gut wie nicht vor. Falls doch, geht es aber nicht um wirkliche Verbesserung ihrer Situation, sondern um Makulatur. Man will schließlich denen, die man als Leistungsträger lobt, keine Sorgen bereiten. Auch morgen muss die Gouvernante noch erschwinglich, der Typ, der den ganzen erkauften Haushalt in Pakete an die Türe schleppt, noch billig genug sein, um »unsere Art zu leben« nicht zu gefährden.
Diese deutsche Sorglosigkeit ab dem oberen Segment der Mittelschicht weiter aufwärts, die wir heute erleben, erinnert fatal an die Selbstzufriedenheit der amerikanischen Gesellschaft in den Fünfzigern. Sie ist ein urbanes Vorortidyll ohne Veranda. Schon damals geschah dieser Wohlstand auf Kosten einer Schicht von Menschen, die für wenig Geld viel taten. Die jede Zumutung als Arbeit annahmen und sich aufrieben für eine fröhliche Schicht von guten Bürgern, die nicht mal ansatzweise Verständnis für die Nöte ihres »indirekt gehaltenen Gesindes« hatten. Bukowski berichtet unter anderem darüber. Céline und Fante ebenfalls auf ihre Art und in ihrer Zeit.
Einer wie Bukowski war der Macher des amerikanischen Traums. Auch wenn in der Beschreibung dieses Traums keine entstellten Gesichter wie seines zu sehen waren. Er und das »befreite Gesinde des freien Marktes« kamen in den Hochglanzprospekten des Wohlstandes nicht vor. Sie waren die Strippenzieher dieses sauberen Lebensgefühls mit weißem Kragen. Eine Gattung, die auch heute immer mehr im Kommen ist. Leute, die für wenig Geld viel machen, dreckig werden, Widrigkeiten auf sich nehmen, unternehmerisches Risiko auf ihre eigene Kappe privatisieren, arbeitend ins Elend abgleiten, während die feine Gesellschaft auf ihre Kosten frisst und ihre Kinder versorgen lässt. Sie pennen nicht mehr in der Treppenkammer, so wie damals bei seiner Lordschaft. Das ist der Fortschritt. Aber sie sind immer noch eine Schicht entrechteter, kleingehaltener, in ihrem Milieu gefangengehaltener Personen. Das ist der Stillstand.
Am Ende bröselte das Idyll und die Schicht derer, die das gute Leben genießen konnten, schmolz dahin. Tut sie auch heute in Deutschland schon. Noch leugnet man es gekonnt weg. Die Wachstumsprognosen klingen ja immer recht hübsch. Und wenn Experten sagen, dass das Wachstum nun doch nicht so anschwelle, wie man zunächst meinte, dann berichtet man davon einfach so gut wie nicht. Darauf kann man doch bauen. Schießlich wachsen wir als Wirtschaft, als Wohlstandsgesellschaft, als Prekariat. Stets zu Diensten ...
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