Stimmen von der rechten Basis

Die im Alltag üblich gewordene Bedenkenträgerei, man könne mit "diesen aggressiven Türken" oder "unangepassten Negern" als Gesellschaft nicht zusammenleben, geschieht nicht parallel zum Thema NSU – sie war und ist ihr Substrat.
Neulich ein Gespräch mit einer Bekannten, einer Verkäuferin. Den NSU-Prozess und die NSU fände sie schlimm. Punkt. Nächster Satz: Aber manche Ausländer sind auch selber schuld, dass man sie nicht möge. Auf Arbeit habe sie oft Ärger mit Ausländern, schlussfolgerte sie. Die seien frech und hätten keinen Respekt.

Das kam mir sehr bekannt vor, auch die Nationalsozialisten sagten ja bekanntlich, dass die Juden am Antisemitismus schuld seien, weil sie so seien, wie sie nun mal sind. Nicht der Antisemit musste demnach seine Positionen überdenken, sondern der Jude. Ein Prinzip, das heute scheinbar unter anderen Vorzeichen weiterexistiert. Nicht der Ausländerhasser muss sich fragen, ob sein Hass nicht auf seine eigene Borniertheit baut, sondern der Ausländer muss es sich gefallen lassen, als Ursache dieses Hasses genannt zu werden. Dabei handelt es sich um ein vulgäres Konzept der Rechtfertigung, das man in vielen Varianten findet. So entkräftete man schon manchen Vergewaltiger, indem man provokant fragte, warum das Opfer auch unbedingt einen aufreizenden Minirock tragen musste.
Ähnliches erlebte ich kurz danach, zwei Bekannte glaubten mir mitteilen zu müssen, dass die meisten Menschen aus dem islamischen Teil der Welt minderwertig wären. Diese Leute erachtete einer der beiden nicht mal als Menschen. Auf Nachfrage, welche Menschen - die ja keine seien - er meinte, lavierte er zwischen Salafisten und Ausländern. Er konnte nur so ein vages Gefühl definieren, sprach dauernd von "diesen Leuten", wusste aber offensichtlich nicht mal, wie er sie abgrenzen sollte.
Da stehen also die NSU und daneben diese kleinen Rassisten-Sprüche aus dem bundesdeutschen Alltag. Sie stehen da so, als gehörten sie nicht zusammen. Aber sie tun es. Dieser "gute Umgangston", der sich ganz seriös über das Zusammenleben mit Ausländern ausläßt, ist das Fundament von solchen Gruppen wie der NSU. Vereinfacht gesagt: Die sehen als ihre eigene Sendung an, das dumpfe Gefühl der murrenden Mehrheit durchzusetzen.
Ich jedenfalls möchte nicht wissen, wie oft Mundlos und Böhnhardt mit einem Anflug von Zweifel ihren Alltag bestritten. War es richtig, was sie da planten und umsetzten? Jeden Menschen plagen solche Gedanken, selbst ideologisch unzugängliche Menschen zweifeln zuweilen. Das ist nur menschlich - und da Terroristen nicht Teufel sondern Menschen sind, schlagen auch sie sich mit dieser menschlichen Eigenschaft herum. Ich stelle mir vor, wie die beiden einkaufen gingen, im Hinterkopf die Zweifel verarbeitend, aber im Supermarkt manchem Gespräch anderer Kunden lauschten. Oder im Bus oder der Bahn. Gespräche, in denen man die Gesellschaft als von Ausländern befallen befand, in der die Unerträglichkeit der Überfremdung gebrandmarkt wurde, Multikulti für pervers erachtete - diese typischen Alltagssprüche, die mir meine Bekannten gelegentlich auch unter die Nase reiben.
Flugs waren alle Zweifel bei Mundlos und Böhnhardt verflogen, der Auftrag im Untergrund für die Massen unterjochter Deutscher wieder definiert. Man tötete ja für diese deutschen Menschen, die sich da beklagten. Diese verächtlichen Kommentare des Alltags waren gewissermaßen die Auftraggeber.
Lapidare Sprüche und mörderischer Rassenhass bedingen einander. Sie sind nicht voneinander trennbar. Man kann nicht über die NSU moralisch urteilen und gleichzeitig vom Joch der Überfremdung sprechen. Die Paradoxie der von der oben genannten Verkäuferin, die NSU und Leben mit Ausländern in zwei aufeinanderfolgenden Sätzen thematisierte, ist nur das kleine Beispiel. Das große Paradoxon sind Medien, die einerseits den NSU-Prozess mit Argusaugen verfolgen, sich eine Bestrafung erhoffen und gleichzeitig vom Roma-"Problem" berichten. Oder die die Islamkonferenz als eine Einrichtung des Innenministers, in der Moslems generell der Aggression verdächtigt werden, unkritisch begleiten.
Die NSU mag keine Terrorzellenbasis gehabt haben. Diese Leute waren insofern rechte Avantgarde, die sich arrogant über die Bewegungslosigkeit von Politik und Masse hinwegsetzten. Dennoch ist es jene Masse an Menschen, die sich immer wieder flüchtig zum Ausländer-Problem in Deutschland äußern, die als Fundament der NSU wirkten. Jede neue Terrorzelle aus dem rechtsextremistischen Lager hätte insofern stets eine neue Basis, auch wenn diese Basis natürlich strikt leugnen würde, mit jeglichem Terror etwas zu tun zu haben.

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