Es lief alles wunderbar. Bei allen 3 Kindern hatte ich, was das Stillen betrifft, großes Glück, welches mich über Jahre hinweg durch meine gesamte Stillbeziehung nie im Stich ließ. Ich hatte weder mit Anlaufschwierigkeiten, noch mit sonstigen Komplikationen und Hürden zu kämpfen. Ich verfügte stets über reichlich Muttermilch und bis auf einige wenige Probleme wie Brustentzündungen, die sich aber im Laufe von Tagen wieder ohne gröberen Verlauf wie von alleine gelöst hatten, konnte ich über keinerlei Einschnitte berichten. Eigentlich lief es, wenn man so sagen will, wie am Schnürchen. Aber was wäre das Leben, wenn nicht plötzlich und total unverhofft eine Wende eintritt. Wie aus dem Nichts heraus hat dieser eine Tag, an dem sich unsere Stillbeziehung um 180 Grad drehte, all meine Kenntnisse und Erfahrungen über Bord geworfen. Dieser Veränderung fand derart überraschend statt, dass, wenn ich es mit einer Metapher ausdrücken würde, an einen stillen harmonisch gelegenen See denke, auf den von einer Minute auf die andere ein gewaltiges Gewitter niederprasselt. Inmitten meines #slowlife Konzeptes war Umdenken gefragt, und dabei vermisste ich in aller Aufruhr das Gefühl des inneren Frieden mehr denn je. Es bestand akuter Handlungsbedarf, und dieses plötzlich auftretende Gefühl, dieser neuen unbekannten Situation ausgeliefert zu sein, mit dem Angst behafteten Hintergedanken: Wie wird das wohl enden? versetzte mich von heute auf morgen in Alarmbereitschaft. Und keine Frage: diese Gedanken, die permanent darum kreisten, eine Lösung für dieses anfänglich ausweglos anmutende Problem zu finden, setzten mich unweigerlich unter Druck.
Auslöser dafür war das Beißen des Frühlingskindes, das mit einem beinahe 4-tätigen Stillstreik einherging.
Zu meiner eigenen Unsicherheit gesellten sich Angst, diesem Problem nicht standhalten zu können, und die Tatsache, dass die Schmerzen mein täglicher Begleiter waren, die mich permanent demotivierten (oder doch antrieben?), raubten mir phasenweise die Hoffnung, dass unsere Stillbeziehung einen Neustart erfahren durfte. Und hier war ich genau an dem Punkt angelangt, an dem mir zwar bewusst wurde, ich würde die Gesamtsituation nur noch verschlechtern, wenn ich mich selbst unter Druck setzte, jedoch kehrte die Praxis eine andere Seite an die Oberfläche: und zwar genau den Teil in mir, der verzagt ist, demotiviert, hoffnungslos, voller Angst, skeptisch und zutiefst erschüttert.
Mein Weg, meine Erfahrungen
Mein heutiger aktueller Erfahrungsbericht hat nur eines zum Ziel: all jene stillende Mütter unterstützen, die sich in einer ähnlichen prekären Situation wiederfinden. Die aus Überzeugung und Hingabe stillenden Mütter, die ihre Stillbeziehung fortsetzen wollen, aber nah dran sind, das Handtuch zu werfen, genauso wie ich in dieser Situation, so hoffnungslos sie auch im ersten Moment erscheinen mag. Mein Weg ist zweifelsohne kein Beispiel dafür, wie diese Hürde"optimal" überwunden werden kann. Es gibt bekanntlich viele Wege, die ans Ziel führen, und dieser eine ist bestimmt nicht für alle passend, aber er dient vielleicht als kleine Stütze, um inmitten des Schlamassels ein Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Ich möchte keine Vergleiche zu anderen ziehen, denen diese Problematik vertraut ist, denn dies ist rein mein individueller Erfahrungsbericht, begleitet von vielen Emotionen, und ich bin überzeugt, dass es sich lohnt, alle Kräfte zu mobilisieren, um diese Hürde auf seine individuelle Weise, die zu euch, zu eurer Familie und zu eurem Weg passt, zu meistern.
Und die wichtigste Essenz daraus: Es hat mich gelehrt, dass anfängliche Zeichen, die in erster Instanz dem "Abstillen" zugeschrieben werden, sich in den vielen Fällen als Trugschluss entpuppten. Mithilfe von Stillberaterinnen konnte ich die belastende Gesamtsituation klarer sehen, und es wurde mir bewusst, dass dieser Streik nicht annähernd mit dem Wunsch des Säuglings nach Abstillen gleich kam, sondern es war lediglich eine Phase, die sehr stark mit dem Zahnen in Verbindung gebracht werden muss. Aber mehr dazu im folgenden Teil 2. Lasst uns zuerst dort beginnen, wo der Streik seinen Anfang nahm.
Review einer Stillbeziehung
Wenn ich hier von BEISSEN spreche, dann spreche ich nicht von dieser Art des "Beissens", diese mehr oder weniger harmlosen Vorfälle, die wir gewöhnlich alle kennen, und die sich vermehrt während des Zahnens eines Säuglings bemerkbar machen.
Genau dieses Beißen war mir sehr wohl aus vorherigen Stillsituationen bekannt, und ich hatte aufgrund einiger Vorfälle das Gefühl, ich konnte sehr gut mit diesen "kleineren" aber dennoch schmerzhaften Beißattacken von Seiten des Frühlingskindes umgehen. Ich folgte stets meiner Intuition und tat das, was ohnehin die Situation erforderte: ich sendete ein eindeutiges Signal aus, und schrie vor Schmerz auf, und beendete mitunter auch die Stillsituation, wenn meiner Reaktion nicht Folge geleistet wurde, was jedoch in den meisten Fällen nicht notwendig war. Sobald sich die Situation beruhigt hatte, erklärte ich dem Baby auf sanfte Art und Weise, mit einfachen Worten, und frei von Anschuldigungen, warum ich so gehandelt hatte, und dass es schlichtweg Schmerzen verursachte. Auch wenn wir oftmals annehmen, dass Babys die Worte, die wir sprechen, nicht in dieser Art und Weise verstehen wie wir Erwachsenen, schwingt mit unseren Worten ja auch immer eine gewisse Tonalität und natürlich auch unsere Emotionen mit, und je nach Inhalt sind diese wiederum geknüpft an das, was wir als "zwischen den Zeilen" deuten. So können sie gekoppelt sein an Frustration, Ärger oder Angst, und im Gegensatz dazu natürlich auch mit positiven Gefühlen!
Babys sind sehr feinfühlig, und ich bin überzeugt davon, dass sie sehr viel mehr verstehen und deuten können, als wir annehmen.
Über Monate hinweg habe ich diese Vorgangsweise bei diversen Beißattacken angewandt, doch eines Tages war ich am Ende meines Lateins angelangt.
10 Monate
Das Frühlingskind war mit seinen 10 Monaten gesund und kräftig, sehr mobil und fröhlich. Er näherte sich dem Thema "Beikost" sehr behutsam an, und in einem Tempo, das er vorgab. Langsam und gemächlich, und das war für mich total OK, zumal ich jeglichen Stress und Druck vom Esstisch fern halten wollte. Mir war es wichtig, so oft wie möglich Mahlzeiten anzubieten, jedoch sollte dies stressfrei erfolgen, denn alles andere empfand ich als kontraproduktiv und absolut nicht nachhaltig. Genauso hatte ich es mit seinen beiden Geschwistern auch gehandhabt, und ich war mir sicher, dass all das Teil einer Phase war, die früher oder später in eine andere münden würde.
So war es auch nicht verwunderlich, dass nach wie vor auch über den Tag hinweg relativ oft gestillt wurde. Die Nächte waren unterschiedlich intensiv, und gerade in der Zeit des Zahnens bemerkte ich, dass das Baby unruhiger wurde und in häufigeren Intervallen die Brust einforderte.
Der sechste Zahn kündigte sich an, und plötzlich war alles anders. Zu diesem Zeitpunkt war mir jedoch noch nicht bewusst, dass das Problem auch auf das Zahnen zurückzuführen war.
Das Stillen lief nun wie folgt ab: sobald ich das Frühlingskind versuchte in gewohnter Manier anzulegen, biss er mich mit all seinen Kräften derart fest in die Brustwarze, trank nicht und wandte sich ab. Dieses Szenario wiederholte sich über den Tag verteilt einige Male. Den nächsten Anlegeversuch wagte ich nachts während er schlief. Und wieder ein Biss, ehe er trinken konnte. Ein Biss, der zur Folge hatte, dass ich über Stunden hinweg mit Schmerzen konfrontiert wurde, und ich für mich den Entschluss fasste: So kann und will ich nicht weitermachen! Zumindest nicht, bis sich die Lage beruhigt hatte.
Tag 1
In dieser einen Nacht holte ich im nächsten Schritt meine Handpumpe aus der Versenkung, da sich durch das exzessive Stillen der Tage davor, bereits ein Milchstau entwickelt hatte. In stündlichem Rhythmus bediente ich die Handpumpe, um die Muttermilch abzupumpen, während ich das kreischende Frühlingskind besänftigte, und auch der Goldjunge plötzlich irritiert und ebenfalls total aus dem Häuschen zu uns ins Bett hüpfte. An Schlaf war nicht mehr zu denken, und ich war neben den Schmerzen, die mit dem Milchstau un der angehenden Brustentzündung einhergingen, der Erschöpfung nahe. Ich war mir bewusst, dass das Abpumpen wiederum zur Folge hatte, dass die Milchproduktion erneut in Gang gebracht wurde. Was für ein Dilemma!
Meine Gedanken kreisten in diesen Tagen um genau EIN Thema, das mich fesselte und Tag und Nacht in Bann hielt:
Warum ist das eingetroffen? Was kann ich dagegen machen? Und vor allem: Wie wird es weitergehen? Ich wollte es nicht für möglich halten, dass dies das Ende unserer 10-monatigen Stillbeziehung sein sollte, da ich wusste, wie einzigartig diese für uns beide war, und wie sehr wie sie bis zu diesem Zeitpunkt genossen hatten. Offensichtlich war es an der Zeit für eine Wende, doch wie genau diese aussah, stand in den Sternen. Ich wusste weder, was ich aktuell zu diesem Problem beizutragen hatte, noch wie es in ein paar Tagen weitergehen würde. Pure Verzweiflung machte sich breit, und bestimmte den Alltag. Ich hasste es, keinen Plan zu haben, geschweigedenn, eine Idee, wie ich mit diesem Problem umgehen konnte. Es fehlte mir schlichtweg an einem -wenn man so will -Notfalls-Plan, den ich Schritt für Schritt gemeinsam mit der Thematik vertrauten und erfahrenen Menschen umsetzen und erarbeiten konnte.
Kurzerhand packte ich den Entschluss: wenn wer eine Idee parat hatte, dann müsste es ein Profi auf dem Gebiet sein. Eine Expertin auf diesem Gebiet, die nicht nur komplexes Wissen sondern auch Erfahrung mit diesem Thema mitbringt wie keine andere: eine Stillberaterin!
Da ich mir gerne verschiedene Meinungen einhole, nahm ich zusätzlich auch Kontakt zu einer Hebamme und einer Stillgruppen erfahrenen Allgemeinmedizinerin auf.
Tag 2
Zeit für Reflexion. Das enorme Schlafdefizites nagte bereits an meinem Nervengerüst und die Lebensenergie kam nur mehr schleppend in seine gewohnten Gänge.
Obwohl ich insgeheim hoffte, es liefe alles in Richtung Deeskalation, verschlimmerte sich der Zustand. Nicht nur die Milchproduktion meiner Brüste hatte mit dieser gewaltigen Umstellung zu kämpfen, auch ich war am Ende meiner Kräfte angelangt. Ich fand mich in einer zu diesem Zeitpunkt beinahe ausweglosen Situation wieder, und das Paradoxe dabei: trotz Konsultation mehrerer unterschiedlicher Seiten, die in sich wiederum sehr stimmig waren, wusste ich einfach nicht weiter. Während ich mit meiner sich stetig verschlechternden Brustentzündung zu kämpfen hatte, wuchs auch meine Unsicherheit. Ich hatte das Gefühl: es gelingt nichts, was ich mir vornehme. Ich versuchte, den Fokus vermehrt auf Entspannung zu legen, ließ ein warmes Bad ein, in der Hoffnung, ich würde dieses Mal Erfolg mit der von der Stillberaterin empfohlenen manuellen Abpumptechnik haben. Jedoch vergebens, es sollte einfach nicht gelingen. Ich führte dies nicht nur auf meine Unkenntnis dieser sehr speziellen Technik zurück, sondern auch auf den Stress, der tief in mir saß.
Das Zahnen...
Es hieß, das Zahnfleisch würde jucken, und es würde Abhilfe schaffen, dem zahnenden Baby etwas anzubieten, worauf es kauen konnte. Dieses Jucken verbunden mit dem Zahnungsschmerz würden den Säugling veranlassen, an der Brust derart heftig zuzubeissen. Klingt logisch. Da Veilchenwurzel, Beissringe aus verschiedensten Materialien wie Holz, Naturkautschuk,so wie auch kaltgestellte Karotte, Kohralbi und Fenchel zu unserer Standardausrüstung zählen, stellte ich mir die Frage: was konnte ich denn noch anbieten, damit der Bube seinen Beissdrang nicht an mir sondern an den genannten Materialien auslebte? Die Realität sah nämlich so aus: er zeigte nicht in geringster Weise Interesse daran!
Kein Tag ohne Pumpe
Eines war mir trotz aller Hürden und Zweifel klar: ich wollte das Stillen nicht so schnell aufgeben. Damit die Milchproduktion weiter angeregt werden würde, musste ich in regelmäßigen Abständen abpumpen. An Tag 2 vermehrten sich die verhärteten Knoten an einer Brust, die sich wie Steine so hart anfühlten so stark, dass die Brust zu platzen drohte, rote Striemen aufwies und sich heiß anfühlte. Sogar die Berührung des T-Shirts verursachte Schmerzen, und es wurde augenscheinlich: hier konnte ich weder manuell noch mit der Pumpe etwas erreichen, dafür war die Entzündung zu weit fortgeschritten, denn dieser machte aufgrund der flächendeckenden Verhärtungen ein Abpumpen unmöglich. Ich hatte 2 Möglichkeiten: entweder, ich fuhr direkt ins Krankenhaus oder es musste Plan B angewandt werden. Ich entschied mich notgedrungen für zweiteren:
ich wollte zu später Stunde noch einen Anlegeversuch unternehmen. Komme was möge, ich würde einen Biss riskieren. Und das erforderte eine große Menge Mut, denn ich hatte riesigen Bammel davor, erneut gebissen zu werden.
Die Bedingungen für eine entspannte Stillsituation waren optimal, denn das Frühlingskind weilte bereits im Land der Träume. Und siehe da: das Trinken gelang erstmals nach 2 Tagen kompletter Stillabstinenz. Die Burst entleerte sich in den darauffolgenden Minuten wie durch ein Wunder, wie weggeblasen waren die Verhärtungen und die das Bangen um meinen eigenen Gesundheitszustand.
Am darauffolgenden Morgen trat jedoch wieder dieselbe Komplikation der letzten Tage auf. Das Beissen war mit einmaliger Unterbrechung wieder zurück, und mit ihm schlich sich allmählich auch die Resignation ein. Ich bediente mich auf neue Faust meines Netzwerkes und setzte alles drauf und dran, eine Lösung zu finden, wie ich mit dieser konkreten Situation umgehen konnte.
Mir war klar. In erster Linie ging es darum, einen Milchstau zu verhindern und die Brust regelmäßig zu entleeren.
Da das Frühlingskind die abgepumpte Milch von Anbeginn an sehr routiniert aus dem Glas und nicht aus der Flasche trank, konnte ich trotz der minimalen Dosen, die er durch die Beikost zu sich nahm, mit Sicherheit behaupten: er ist gut versorgt, sein Nährstoffbedarf ist gedeckt.
Ich wusste rein theoretisch von der Möglichkeit, die Brust auf sehr schonende Weise mit den eigenen Händen nach einer Methode der IBCLC Stillberaterinnen zu entleeren, schaffte es letzten Endes aber trotz aller nur erdenklichen Bestrebungen nicht, mir diese anzueignen.
Gleichzeitig machte sich eine Abneigung gegen die manuelle Handpumpe breit, die den Tag davor auch ausschlaggebend dafür war, dass sich ein derart akuter Milchstau überhaupt entwickeln konnte.
Es war Zeit, etwas Neues auszuprobieren. Bis dato hatte ich keinerlei Erfahrungen mit einer elektrischen Pumpe gesammelt, und sah darin eine realistischere und -so erhoffte ich- angenehmere Möglichkeit, diese kräfteraubende Phase des Nicht-Stillens durchzustehen. Und siehe da, die Milchpumpe, die ich auf Verschreibung des praktischen Arztes beim Sanitätsbedarf auslieh, verschaffte ein gewisses Maß an Entspannung. Ja, sie brachte sogar einen Hauch Leichtigkeit in unseren Alltag zurück. Nicht nur, weil sie- so wie ich empfand - die Brust gleichmäßiger und effektiver entleerte, sondern weil ich sie als viel sanfter und schonender empfand als das Handpumpgerät.
Fortsetzung folgt
Wenn ihr bis hierher mitgelesen habt, dann stellt ihr euch vielleicht die Frage: Und wie ist es schlussendlich ausgegangen? War das nun das Ende der Stillbeziehung oder gab es einen Weg aus dieser Misere?
In Teil 2 erfahrt ihr, wie sich dieser Stillstreik fortsetzte, welche Maßnahmen mir letztendlich am meisten weiterhalfen, und welche Tipps und Erfahrungswerte ich jeder stillenden Mama unter euch mit auf den Weg geben möchte. Stay tuned.
Macht's gut!
Eure Tina