✰ Stephanie Parris – Ketzer – Eine Frau kommt zu Wort

Schön, dass jetzt auch eine Frau mal zu Wort kommen darf. Mir liegt da nämlich so einiges auf der Seele. Auch wenn Männer denken, wir Frauen hätten nichts im Hirn außer den neusten Stickmustern. Dass uns das, was außerhalb unserer vier Mauern passiert, nicht interessiert – oder dass wir dafür zu schwach sind. Für einige von uns mag das ja zutreffen – für meine Mutter zum Beispiel. Die zieht sich lieber mit Migräne in ihr abgedunkeltes Kämmerchen zurück als mal ihr Gehirn einzuschalten.

Ich habe glatt vergessen, mich vorzustellen. Entschuldigung, aber ich bin wirklich sehr aufgeregt! Mein Name ist Sophia Underhill und ich bin die Tochter des Rektors der Universität von Oxford. Und warum ich mich so aufrege? Das kann ich euch erzählen. Alles begann im Mai. Eines Tages kamen da zwei Männer angeritten, der eine war Philip Sidney, der andere Giordano Bruno. Philip Sidney können wir jetzt wieder vergessen, was der wollte, weiß ich sowieso nicht. Wichtig ist nur dieser Giordano. Angeblich war er früher mal ein Mönch und wurde wegen Ketzerei angeklagt. Er ist dann geflohen – aber mehr weiß man davon nicht. Er will auch nicht darüber reden – wahrscheinlich hat er irgendwas angestellt, dass er am liebsten für immer vergessen will. Wegen eines verloren gegangenen Buches ist er jetzt hier in Oxford, aber auch dazu habe ich nicht viel aus ihm herausbekommen. Natürlich habe ich ihn bei einem Abendessen danach gefragt – ich halte nichts davon, dass Frauen nur stumm dabei sitzen. Ich bin doch keine Blumenvase! Nein, ich will alles genau wissen, denn mein Name bedeutet schließlich Weisheit – ein gutes Omen wie ich finde. Also habe ich ihn mal schön ausgefragt, was der Kerl in seiner Erzählung natürlich auch nicht erwähnt. Sieben Jahre war er unterwegs – und was hat er da bitteschön gemacht? Ich wette, da gibt es noch mehr, die das brennend interessieren würde.

Eigentlich war dieser Giordano trotz seiner Geheimnistuerei um seine Vergangenheit und den Grund seines Besuches ja ganz nett. Man konnte sich auch wirklich gut mit ihm unterhalten – er hat mich nicht wie eine dumme Gans behandelt, sondern sich auf Augenhöhe mit mir unterhalten. Und er sah ja auch nicht schlecht aus. Wobei da ja sofort wieder das Gerede anfing. Kann man sich denn nicht mal mit einem Mann unterhalten, ohne das gleich gemunkelt wird, man hätte etwas miteinander? Außerdem gibt es da schon jemanden in meinem Leben – aber psst! – das muss vorerst geheim bleiben.

Dann wurde es ja doch noch richtig spannend – ansonsten passiert hier ja nichts. Ein Mann wurde ermordet. Von einem Hund zu Tode gehetzt – das habe ich gerade noch so mitbekommen, denn mir erzählt ja nie einer was! Die glauben wohl, ich würde beim Anblick einer Leiche direkt in Ohnmacht fallen. Natürlich tat es mir leid für den Mann, war bestimmt kein schöner Tod, aber endlich hatten wir mal Leben in der Bude. Natürlich musste sich Bruno einmischen – genau so hatte ich ihn eingeschätzt, immer an vorderster Front sein. Und das Einmischen hat ihm in diesem Fall gar nicht gut getan. Denn das war nicht der letzte Tote. Vielleicht hatte er ja selbst seine Finger im Spiel, wer weiß das schon. Die Suche nach diesem mysteriösen Buch ist ja auch reichlich verdächtig. Finde ich. Interessiert bloß niemanden.

Warum die Sache für Giordano dann noch richtig gefährlich wurde, kann ich euch leider nicht sagen – lest einfach seinen kleinen Bericht. Aber glaubt ihm bloß nicht alles, was er euch erzählt! Vor allem, was er über mich erzählt. Alles gelogen! Ich könnte euch erzählen, wie es wirklich war. Besucht mich einfach in der kleinen Taverne am Marktplatz und setzt euch zu mir. Das Bier ist übrigens wirklich gut!



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