Stecken wir in der Systemfalle?

Der Goldfluch ist längst besiegt, die Debatte bleibt. Der deutsche Sport in der Systemfalle? Die tz hat nachgehakt – und vergleicht uns mit Nationen wie USA und Frankreich.

Schon vor Beginn der Spiele hatte Fechterin Imke Duplitzer das deutsche Sportsystem scharf kritisiert und erhielt dafür viel Beifall. Auch Duplitzers Fechtkollege Nicolas Limbach hatte sich beklagt. „Es freuen sich alle, wenn wir Medaillen holen, aber im Vergleich mit den Strukturen in den anderen westeuropäischen Ländern sind wir Amateure. Da haben wir einen Standortnachteil. Alle wissen es, und das wird absolut verkannt.“ Der deutsche Sport in der Systemfalle? Die tzhat nachgehakt – und vergleicht das deutsche System mit denjenigen in Nationen wie USA und Frankreich, die wir in den kommenden Tagen vorstellen.

Klaus Pohlen, Chef des bayerischen Olympiastützpunkts in München, sprach sich im tz-Interview für eine größere Zentralisierung und mehr gemeinsame Leistungszentren aus. Doch ist das des Pudels Kern? Oder müssen wir sogar mehr auf Individualisten setzen? Professor Eike Emrich, Leiter des Arbeitsbereiches Sportökonomie und Sportsoziologie an der Universität Saarland hat zu diesem Thema geforscht. Im Gespräch mit der tzerklärt er, dass gerade die Olympiastützpunkte die erhofften positiven Effekte „über die Gesamtheit aller Athleten nicht erreichen.“

Vor allem in Sportarten mit breiter Basis sei unser System nicht in der Lage, die ihm zugedachte Funktion zu erfüllen. Die Individualität des Athleten ist laut Emrich eine Herausforderung, die anders angegangen werden müsste. „Die OSPs sind angelehnt an die Muster der DDR. Die DDR war aber eine geschlossene Gesellschaft, eine Planwirtschaft mit Lenkung von der Spitze aus und mit wenig vorhandenem Breitensport und Sportvereinen. Man hat dieses Modell in einen föderalen Staat übertragen und wundert sich nun, dass dieses planwirtschaftliche Element nicht für alle Bereiche optimal ist.“ Der DOSB sollte also darüber nachdenken, seine Strukturen dort zu belassen wo sie passen (Skispringen, Ski etc.), daneben aber differenziertere Förderstrukturen zu schaffen, die den reellen Ansprüchen gerecht werden.

Emrich schlägt ein anderes Betreuungssystem vor, man könne an die Verbände zum Beispiel Gutscheine verteilen. Die Athleten könnten sie zu Behandlungen oder zur Leistungsdiagnostik an den Stützpunkten einlösen, das Training aber individueller gestalten. Der DOSB würde somit unterstützend begleiten, aber nicht freiheitsraubend kontrollieren. Allerdings: Das kostet Geld, denn auch die Heimtrainer müssen bezuschusst werden.

Im internationalen Vergleich betreibt Deutschland eine Mischform, erklärt Emrich. In den USA ist alles durch und über den Markt geregelt. Den Gegensatz findet man in Russland oder China, dort herrschen staatliche „top-down“ Strukturen, die bei uns nicht mehr passen. „Auf Dauer macht das kein Athlet mehr mit“, so Emrich: „In der DDR hat es funktioniert, weil die Menschen keine konkurrierenden Genüsse hatten. DDR-Sportler durften ausreisen, bekamen früher einen Trabi, eine Wohnung und besaßen Westwährung – sie waren privilegiert. Heute sind die Einkommenschancen für Sportler gering und man muss sein soziales Leben vernachlässigen.“

Aber zurück zur Frage „Stützpunkt oder Heimtraining?“ Emrich zur tz: „Erfolgreiche Athleten sind tendenziell die, die signifikant später in eine OSP-Betreuung eintreten. Es gibt andere Einzelbeispiele, aber statistisch ist das der Fall.“ Wäre es besser, wenn alle mit Heimtrainer arbeiten? Die Leichtathletik wird dafür oft kritisiert, die Fehler der Schwimm-Heimtrainer bei Olympia waren Anlass für Kritik. Emrich empfiehlt eine differenzierte Betrachtung: „Bei Sportarten mit großer Faktor-Spezifität, zum Beispiel einer Skischanze, scheint sich Konzentration und Förderung zu lohnen.“ Aber das gilt nicht für alle. Es scheint, als bräuchten wir mehr Freiheiten – auch wenn es schwierig zu organisieren ist.


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