Steampunk: Melvins Coming-Out

Steampunk: Melvins Coming-Out

Ich glaubte, der Schlag würde mich treffen, als ich Melvin sah. Er stand hinter seiner verlotterten Hütte, trug einen Zylinder, hatte eine Schweisserbrille aufgesetzt und werkelte an einer Dampfmaschine. Nicht eine kleine, wie man sie früher in den Spielzeugläden kaufen konnte, sondern eine richtig grosse, so gross wie ein Traktorenmotor. Doch das war nicht das ganze Bild, das sich mir bot. Das Beste war seine neue Freundin, die aufgetakelt wie eine Fregatte in einer Aufmachung aus dem vorletzten Jahrhundert daneben stand und eine Zigarette in einer Verlängerung rauchte, einer so genannten Porte Cigarette. Mit ihrem Hut hätte sie eher an ein englisches Pferderennen gepasst als in Melvins Hinterhof mit seinen Schrotthaufen.

„Hallo Traumperlentaucher“, begrüsste er mich. „Darf ich dir Lady Elenore von Steamborg vorstellen.“

Er spinnt, dachte ich. Beim letzten Mal hiess sie noch Emma.

„Erfreut Milady“, sagte ich und zu Melvin gewandt: „Was soll das denn werden?“

„Es ist mein neuer Luftschiffmotor. Du wirst sicher mit uns auf eine Ausfahrt kommen?“ Dann musterte er mich von oben bis unten und umgekehrt und bemerkte:

„Allerdings lässt dein Outfit noch zu wünschen übrig.“

„Ja, ich weiß, ich werde mich aber vorher noch parfümieren“, scherzte ich. Die Lady kicherte.

Er schaute mich missbilligend an:

„Wir sind Steampunker“, das solltest du wissen.

Mir fiel es wie Schuppen von den Augen. Natürlich! Diese verrückten Spinner, die sich noch in Königin Victorias Zeiten, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wähnten, Fans von Zahnrädern und Dampfmaschinen. In dieser Szene trugen die Frauen Korsetts – ich musterte verstohlen Lady Elenore – und das „Markenzeichen“ der Steampunker war die Schweisserbrille, häufig verziert mit Zahnrädern. Sie waren Anhänger einer alternativen Zukunft und verrückte Bastler, die sich für Wissenschaftler und Adelige hielten. Sie glaubten an den Æther und gingen in fiktiven Luftschiffen auf Entdeckungsfahrt.

„Das habe ich nicht gewusst. Bisher bist du mir nicht als Steampunk aufgefallen. Auch nicht beim letzten Mal, als du oben im Wald mit den Pilzen gesprochen hast.“

„Ich möchte die Leute nicht erschrecken und im Glauben an ihre Wirklichkeit lassen. Alternative Entwicklungsstränge sind nicht jedermanns Sache.“

„Da hast du Recht. Wer kann sich schon eine Welt vorstellen, die ohne den Elektronikschrott aus China funktioniert, dafür mit dauerhafter, solider Technik und einem Schuss Mystik. Eine Welt in der Frauen noch so sind, wie in unseren schönsten Träumen und die Männer durchwegs Gentleman.“

„Wir schon“, sagten beide wie aus einem Mund.

Komisch, gerade entdecke ich, dass ich im Grunde meines Herzens eigentlich auch ein Steampunk bin. Euer Traumperlentaucher.



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