Diesen Artikel schreibe ich im Stau in Dar es-Salaam. Ein neues Bussystem mit Extra-Spuren wird aufgebaut, deshalb ist die Straße eine einzige Baustelle, in der jeder an jedem Ort in jede Richtung fährt, insbesondere die Motorradfahrer (siehe Foto). Verkehrspolizisten gibt es zwar, aber die scheinen sich vor dem Chaos zu fürchten und stehen deshalb nur da, wo der Verkehr ordentlich fließt.
Ich bin auf dem Weg zu unserem Kloster in Tororo in Uganda, von dem ich möglichst viele Fotos für unsere Öffentlichkeitsarbeit machen soll. Als ich gestern (Freitag) früh den Koffer packte, sah ich, dass meine Aufenthaltserlaubnis vor vier Tagen abgelaufen war. Alle meinen, dass jetzt nur einer helfen könne, Pater Peter Wella, der Sekretär des Bischofs. Ich fahre also nach Njombe, in dem dunklen Büroflur der Bistumsverwaltung sitzt nur ein junger weißer Mann an seinem Laptop, der mir auf Deutsch sagt, dass er gerade eben mit Pater Wella bei der Ausländerbehörde war, aber dass der jetzt beim Zahnarzt ist. Also warten. Wir kommen ins Gespräch. Der junge Deutsche ist völlig frustriert und zählt nur noch die Tage bis zur Abreise. Er kannte über ein paar Ecken den Bischof und hat sich deshalb als Volontär zum Unterrichten an der bischöflichen Sekundarschule in Kilocha beworben. Seine Ansprechpartnerin in Njombe war eine 80-jährige Deutsche, die schon für den Vorvorvorgänger des Bischofs gearbeitet hat. Die hat vergessen, den Volontär am Flughafen abholen zu lassen. Dann hat sie vergessen, ihn in Njombe am Bus abholen zu lassen. In Kilocha haben sie mit ihm nichts anfangen können, er hat erst nach 10 Wochen anfangen können, zu unterrichten, und das auch nur zwei oder drei Stunden die Woche. Strom gibt es in Kilocha nur für wenige Stunden am Abend, wenn der Generator angeschaltet wird. Andere deutsche Volontäre gibt es zwar in den Nachbarorten, aber niemand hat sich darum gekümmert, ihn mit denen in Kontakt zu bringen. „Ich will nur noch weg,” lautet sein Fazit. Ich weiß, dass die Betreuung von Volontären hier oft wirklich schlecht ist, es kann aber auch sein, dass der junge Mann mit mehr Eigeninitiative bessere Erfahrungen hätte machen können. Jedenfalls tut es mir leid für ihn, dass sein Aufenthalt hier so verunglückt ist.
Ich selbst habe ja auch schlechte Erfahrungen gemacht, aber mein Gesamtbild vom Land wird eher durch die wunderbaren Menschen geprägt, die ich hier kennengelernt habe. Also, junge Deutsche, lasst Euch nicht abschrecken, kommt nach Tansania, aber plant den Einsatz gut und kommt am besten mit einer bewährten Organisation wie „Weltwärts”.
Um 12 Uhr werden wir zum Mittagessen am Tisch des Bischofs eingeladen (der selbst nicht da ist), danach führt mich ein Priester in die Privatwohnung von Pater Wella, der sich vorm Fernseher vom Zahnarzt („Nur eine Plombe eingesetzt, kein Zahn gezogen”) erholt. Sofort steht er auf und fährt mich zur Ausländerbehörde. Er macht mir aber nicht viel Hoffnung, „Die Reise kannst du vergessen. Du kannst höchstens Montag in Dar es-Salaam eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis beantragen und dann am Dienstag fliegen. Wenn du hier in Njombe den Antrag stellen würdest, dann würden die Unterlagen sowieso erst nach Dar es-Salaam geschickt.” Bei der Behörde angekommen, werden wir sofort vom Chef persönlich begrüßt – „Pater Wella ist eine wichtige Persönlichkeit, geh ja nicht ohne ihn zur Behörde, das schadet mehr, als dass es nützt”, hat man mir gesagt, der schlägt meinen Pass auf, sieht, dass die Erlaubnis vor vier Tagen abgelaufen ist, lacht, sagt, „Es gibt da eine grace period (Gnadenfrist) von anderthalb Monaten. Du kannst ohne weiteres ausreisen, wieder einreisen, und dann stellst du den Antrag auf Verlängerung.”
Und tatsächlich: Den Schluss dieses Artikels schreibe ich am Flughafen, kurz vorm Boarding. Der Grenzbeamte hat kein Problem gemacht. Aus dem Stau sind wir gestern auch rausgekommen, unserem Fahrer hat es offensichtlich Spaß gemacht, seine Fahrkünste zu zeigen und uns sicher durch das Chaos zu bringen. Die fröhliche Gelassenheit gehört auch zu den wunderbaren Eigenschaften der meisten Menschen hier.
Stau, Chaos, Gelassenheit
Autor des Artikels : rsk6400
Zum Original-ArtikelErlebnisse eines deutschen Mönchs im Alltag auf Kuba.