Tomi Ungerer, "Eat" - affiche contre la guerre du Vietnam, 1967. Reproduction offset. Collection Musée Tomi Ungerer - Centre international de l'Illustration, Strasbourg © Diogenes Verlag AG Zurich. Photo : Musées de la Ville de Strasbourg / M. Bernhart
Was im Tomi Ungerer Museum derzeit als temporäre Schau zu sehen ist, kann sich wirklich sehen lassen und sei jedem Straßburgbesucher ans Herz gelegt. Unter dem Titel „Politrics. Politische Karikaturen von Tomi Ungerer“ wird ein Querschnitt von Ungerers bissigen Polit-Kommentaren präsentiert, die weder vor West noch vor Ost Halt machen.
Schon als Kind hatte Ungerer seine Eindrücke des zweiten Weltkrieges zu Papier gebracht und Soldaten gezeichnet, die den Krieg selbst als Karikatur erscheinen lassen. Später war es sein starkes Engagement gegen die Atomkraft, das er in vielen Zeichnungen ausdrückte. Bauern, die Totenköpfe aus der Erde ziehen wie andere ihre Rüben, oder die Form des Brüsselers Atomiums, dessen einzelne Atome durch Totenköpfe gekennzeichnet sind und welches mit der Unterschrift „Atom – Kraft durch Freude“ gehässig kommentiert wird. Der Hinweis auf die Vernichtungslager der Nazizeit geschieht dabei stilecht durch die Verwendung der Frakturschrift. Das sind nur zwei Beispiele von vielen, die Ungerer verwendete, um auf die unmittelbaren Gefahren der atomaren Verstrahlung aufmerksam zu machen.
Aber auch der Nationalsozialismus selbst wurde von Ungerer mit seiner Kunst angeprangert: Ein Affe hinter Gitterstäben im Zoo, mit einem Hakenkreuz versehen, hebt die Hand zum Hitlergruß, als Leute sich vor seinem Käfig aufstellen. Bissiger kann man wohl die politische Unvernunft der Menschen zu jener Zeit nicht darstellen.
Die kommunistische Kritik erscheint in Form eines großen Fisches, der mit einer Sichel und einem Hammer einen Schwarm kleiner Fische verschluckt. Arabische Ölscheichs, die durch eine Pipeline aneinander gekettet erscheinen oder ein Muhezin, der sein Gebet von einem gotischen Kirchturm aus ruft sind wiederum Sujets, die, obwohl 1970 und 1995 gezeichnet wurden heute mehr politische Brisanz denn je aufweisen. Ein Schwarzer, der unter einem mit Stars und Stripes verzierten Kreuz zusammenzubrechen droht, ist nicht das einzige Motiv, mit dem Ungerer Unrecht, hervorgerufen durch die Vereinigten Staaten, aufzeigte.
Keine Ideologie, keine weltpolitisch wichtige Staatsmacht ließ der Künstler in seinen scharfen Grafiksatiren aus. Genau dieser Umstand macht diese Schau so sehenswert. Zeigt sie doch, dass Ungerer selbst als ein denkender Mensch erscheint, der sich, gänzlich unbeeinflusst von jeder Ideologie, sein eigenes Bild der Politik macht und sich nicht scheut, dies auch pointiert festzuhalten.
Mit einigen tollen Blättern von Max Fabre, der unter dem Pseudonym „Jo Vendôme“ für die Presse zeichnete, wird die fulminante Schau noch ergänzt. Dieser widmet sich in einer kleinen Serie ganz der Politkarikatur Frankreichs und lässt dabei schon mal einen kleinen Jungen an einem roten Ballon davon schweben, der über einer gelangweilten Gesellschaft seine rote Zunge weit aus dem Mund streckt.
„Politrics“ wird noch bis 29. März gezeigt und kann als gelungenes Beispiel gelten, dass man durch eine Ausstellung auch die Kritikfähigkeit des Publikums durchaus schärfen kann.