Spiel mit dem Feuer

So ein paar Tage Urlaub müssen gelegentlich mal sein – da lasse ich gern auch die Finger vom Rechner. Zumal ich als Normalarbeitnehmer ohnehin nicht allzu viele Tage pro Jahr frei habe, so das jeder einzelne davon extrem kostbar ist. Leider komme ich jetzt doch nicht umhin, einen weiteren Blogeintrag zum Thema “Was ist Arbeit wert?” zu schreiben, weil sich mir vorhin beim Lesen der Weisheiten des Oberwirtschaftsweisen Christoph M. Schmidt schon wieder die Nackenhaare aufgestellt haben: Schmidt warnt davor, einen gesetzlichen Mindestlohn einzuführen. Ein Mindestlohn sei ein “Spiel mit dem Feuer”.

Der Präsident des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung erklärt das auch: “Jeder Arbeitsplatz muss sich wirtschaftlich tragen, sonst fällt er weg.” Klar, wenn man Arbeitsplätze um jeden Preis haben will, dann müssen die Leute auch zu jedem Preis arbeiten. Das klingt zwar logisch, ist es aber nicht: Wer bei Trost ist, will doch nicht arbeiten, weil das Arbeiten so schön ist, sondern um den Lebensunterhalt damit zu verdienen. Wenn der mit dem Job nicht verdient werden kann, dann braucht man doch auch die dämliche Arbeit nicht! Es gibt doch nun wirklich schönere Dinge im Leben als einen nervigen, langweiligen, ätzenden, stressigen, öden, krank machenden, Lebenszeit verkürzenden Job!

Der Professor räumt sogar ein, dass in Deutschland mancher Arbeitnehmer von seiner Arbeit nicht leben könne. Dafür sei aber nicht ein viel zu niedriger Lohn verantwortlich, sondern “vor allem die erhöhte Bedürftigkeit von Haushalten mit Alleinerziehenden, einem arbeitslosem Partner oder vielen Kindern”. Da fragt man sich doch, was der Professor mit seiner ganzen Wissenschaft denn eigentlich festgestellt hat, vom Leben der Menschen scheint er jedenfalls nicht viel Ahnung zu haben: Weder Alleinerziehende, noch sonstige Menschen mit Kindern und/oder arbeitslosen Partnern haben dafür gesorgt, dass die Mieten rasant steigen oder Energie und gesunde Lebensmittel immer teurer werden und deshalb der Bedarf an Geld für den Lebensunterhalt ebenfalls ungemein ansteigt. Dafür sorgen doch viel mehr die Besserverdiener, die sich den ganzen teuren Krempel trotz der Preissteigerungen noch immer locker leisten können. Und dann kommt so ein Besserverdiener-Prof daher und schwadroniert über die Bedürftigkeit der Niedriglöhner, die bitte schön noch bescheidener werden und sich am besten Kinder und arbeitslose Partner ganz verkneifen sollen, damit sich ihr kostbarer Arbeitsplatz auch morgen noch bezahlt macht. Die Wissenschaft möge doch bitte einmal feststellen, wer denn morgen zu solchen Konditionen überhaupt noch arbeiten kann?

Wenn der Professor mal konkret Wissenschaft betreiben und den angeblich viel zu hohen Stundenlohn von 8,50 Euro in seinen Taschenrechner eingeben würde, könnte er feststellen, dass man damit für einen Vollzeitjob gerade einmal 1.360 Euro brutto bekäme; netto ist es dann vielleicht gerade noch vierstellig. Von 1.000 Euro monatlich muss man auch als Alleinstehender schon ziemlich bescheiden sein, um davon einigermaßen leben zu können. Nimmt man einen Stundenlohn von 6 Euro pro Stunde an, den Professor Schmidt vermutlich noch immer für großzügig hält, kommen bei einem Vollzeitjob gerade noch 960 Euro brutto zusammen, netto etwa 750 Euro. So viel kostet für einen Drei-Personen-Haushalt allein schon die Miete.

Über noch niedrige Löhne muss kein weiteres Wort verloren werden, die lohnen sich nämlich überhaupt nicht, zumindest nicht für den, der dafür arbeiten soll. Hier kommen wir zum eigentlichen Punkt: Natürlich lohnt sich auch der letzte Scheißjob noch – für den Chef nämlich.

Und genau deshalb muss der Wirtschaftsweise den Leuten predigen, dass der Mindestlohn des Teufels ist. Leider kann dieser in unserem System nur mit dem Beelzebub ausgetrieben werden: Mehr Lohn und bessere Arbeitsbedingungen ändern ja nichts daran, dass diejenigen, die gezwungen sind, für Geld zu arbeiten, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, immer für den Chef mitarbeiten müssen. Deshalb heißen sie ja auch “Mitarbeiter”. Und wenn der keinen Schnitt machen kann, gibt’s keine Jobs. Sagt der Wirtschaftsweise. Und der Weise (ganz ohne Wirtschaft aber mit Verstand) fragt: “Na und?”

Damit diese Erpressung endlich mal aufhören kann, muss die Forderung also nicht lauten, mehr Geld für Arbeit zu bekommen, sondern nicht mehr für Geld arbeiten zu müssen.

Nein, damit bin ich nicht für das bedingungslose Grundeinkommen. Ich bin im Gegenteil für das bedingungslose Abschaffen von Einkommen. Damit alle ein Auskommen haben.



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