Mit Superlativen ist es eben nicht einfach, weil sie sich schnell abnutzen und nicht mehr wahrgenommen werde, wenn sie denn zu oft oder unberechtigt verwendet werden. Nichts Neues. Das wusste auch Joachim Friedrichs 1989 schon und viele andere immer dann, wenn die Ereignisse doch ein Superlativ einforderten. Eben auch ich habe deshalb oder überhaupt Respekt vor jenen. Und doch darf ich sie an dieser Stelle einmal wieder riskieren: das neue Foo-Fighters-Album ist das Beste, das die Band je produziert hat. Mit anderen Superlativen und Vergleichen halte ich mich zurück, da sich insbesondere über den Musikgeschmack eben nicht streiten lässt.
Sonic Highways stellt natürlich nicht alles andere in den Schatten – das wäre nun wirklich übertrieben. Aber Sonic Highways ist nicht weniger als die Essenz aller musikalischen Zutaten, die die Band bisher eingebracht hat. Das Ergebnis einer langen Aufgabe, einer Rechnung, um deren Lösung man sich Jahr für Jahr bemüht hatte. Das ist nicht übertrieben, nein, das kann man mit reinem Gewissen so aufschreiben. Jedoch braucht man für dieses Ergebnis mehr als nur ein schnelles Rechnen oder ein kurzes Reinhören. Darauf kommt man (ich) erst nach dem 20. Hören des kompletten Albums. Ist man aber erst einmal soweit gekommen, schwankt man zwischen Kniefall und Krönung. Oder aber man reicht die Krone knieend verneigten Hauptes nach oben. Ich komme nicht mehr los von dem, was da täglich aus den Boxen dröhnt.
Die Idee für das Album hätte man im ersten Moment für verstörend halten können und, okay – ich geb es zu, in meinen Augen und Ohren war sie wohl auch vom Wahnsinn des Dave Grohl getrieben: Acht Songs in acht verschiedenen US-Städten zu produzieren. Acht verschiedene Orte, acht unterschiedliche Studios. Kann das gut gehen? Warum? Was soll das? Aber, das zeigt sich nun, es macht nicht nur Sinn, sondern es ist tatsächlich eine Reise durch nicht nur verschiedene Städte, sondern vor allem durch den Sound der ausgewählten Orte. Produziert wurde in New York, Chicago, Austin, Los Angeles, Nashville, New Orleans, Seattle und Washington. Nicht, dass man als Normalsterblicher heraushören würde, an welchem Ort welcher Song eingespielt wurde. Und doch kann man den einen oder anderen Sound irgendwohin verorten.
Am Ende jedoch ist es ein Konzeptalbum, das man am besten gesamt, aber durchaus und ohne Problem auch stückweise hören kann. Am schönsten ist aber das Gesamtkunstwerk, wie es sich auch auf dem Cover schon zeigt. Eine imaginäre Stadt aus allen Aufnahme-Orten zusammengesetzt. In der Mitte steht ein Haus in Form einer Acht (acht Songs, acht Städte), daneben die Space Needle von Seattle direkt neben dem Hollywood-Schriftzug von L.A., dahinter das John Hancock Center Chicago, aus Manhattan sehen wir Chrysler Building, One World Center Tower, Empire State Building und Freiheitsstatue, dann folgt das Washington Monument mit Reflecting Pool, darunter das Panthenon Nashville neben Superdome New Orleans und schließlich noch der Frost Bank Tower Austin. Alles in einer Stadt, und alles passt. Und überall ist eine 8 zu sehen – als Autobahnkreuz, als Parkweg, als Hausnummer. Acht Städte, acht Songs, unendlos gut.
Schon der Opener zeigt, was (eventuell) noch folgen wird. “Something from Nothing”, eingespielt in Chicago unter Mithilfe des Cheap-Trick-Gitarristen Rick Nielsen, mag zu Beginn ungewöhnlich kantig klingen, steigert sich von Takt zu Takt jedoch zu einem typischen Fighter-Song. Bei Nummer zwei geht es dann richtig ab. “The Feast and The Famine” (produziert in Arlington bei Washington) stolpert sich rein, als wäre ein Kratzer auf der Platte, bevor es dann gewaltig los rockt. Dave Grohl in Beststimmung, Taylor Hawkins (dr), Pat Smear (git), Nate Mendel (b) und Chris Shiflett (git) schieben und drücken von hinten dermaßen gewaltig, dass man bei dieser Nummer nicht ruhig sitzen bleiben kann. Ein zorniger Revoluzzer-Song mit offenen Fragen und unklaren Aussichten. Hey, where is the monuments to the dreams we forget? We need a monument. And a change will come. And a change will come. Is there anybody there? Anybody there? There?!
Nummer drei stammt aus Nashville und ist der erste Höhepunkt auf Sonic Highways. “Congregation” protzt nur so von Sound und Rock, dass einem schwindlig werden kann. Mittendrin auf einmal Orgelsound wie einst von Deep Purple oder Manfred Mann´s Earthband gewohnt. Rock-Klassische Klasse. Nummer vier sind eigentlich zwei Songs. “What Did I Do?/God As My Witness” (Austin) spaltet sich auf, beginnt eher harmlos, wird nach der Hälfte erst wirklich spannend. Zusammen aber eben doch hörbar gut und nach und nach immer besser. Dann folgt (für mich) der Höhepunkt des Albums. “Outside” beginnt ungewöhnlich, gar nicht FF-like. Das mag an Eagles-Gitarrist Joe Walsh liegen, der hier seine Finger im Spiel hat, oder am Einspielort Joshua Tree. Oder an Sänger Grohl, der die ersten Takte in ungewohnter Ton- und Gesangslage eher flüstert denn schreit. Spätestens ab Minute 1:11 ist klar, dass es eben doch die Fighters sind.
Auffallend, aber nicht neu, sind mal wieder die teils nichts sagenden Texte. Texte, die sich ohne Sinn und Aussage irgendwie durch den Song schlängeln. Aber das war und ist bekannt – Dave “the fucking drummer of Nirvana” Grohl kann richtig gute Musik machen, mit dem Texten hat er´s nicht so. Das tut aber, wieder einmal, dem Hörgenuss keinen Abbruch und so sind auch “In The Clear”, “Subterranena” und “I Am A River” hörenswert. Besonders letzterer sticht noch einmal heraus. Eine nicht enden wollende Hymne (7:08 Minuten lang) inklusive Streichorchester, gewaltigem Chorus und dann doch nochmal Text: The channels changing. The heart is racing. From voices on the wire. The soul is yearning. The coal is burning. The embers start a fire. Can we recover love for each other?
So, wer bis hier durchgehalten hat, sollte spätestens jetzt Sonic Highways einlegen und sich damit einen Gefallen tun. Denn dieses Album macht große Laune und ich bin mir nun sicher, wem die Krone gebührt.