Ich war jung, mir gehörte die Welt. Sommer 1977. Es war der Sommer, in dem mich die Fotografenlehre zur Erkenntnis führte, dass es in der Fotografie nur die richtig großen Fotografen und die Hungerkünstler gibt. Wer als Berufsfotograf nicht zu den Großen zählt, geht tendenziell in Richtung Hunger. Heute kann ich sagen, dass dies vielleicht eine an Genialität grenzende Erkenntnis war. Sie hat mich in drei weitere Berufsausbildungen und eine Latte Fortbildungen geführt. Auf einem Bein steht es sich bekanntermaßen schlecht.
Vielleicht ist es ein Attribut des Alters, dass man ab und an Rückschau hält. Durch den Umzug in meine Bananenblatthütte fiel mir nun eine Holzkiste mit Bildern in die Hand, die ich vor über 30 Jahren in meiner Dunkelkammer auf Papier gebracht habe. Abzüge in 9×13 cm, mit dem Charme einer längst vergangenen Zeit. Vom Sommer 1977 habe ich in recht vielen Bilder. Es war die Zeit, die ich in Spanien verbrachte. Wochenlang wurde eine Set vorbereitet, bis endlich in wenigen Stunden die Werbeaufnahmen für einen Autohersteller im Kasten waren. Soweit zum Thema der schnellen Fotografie. In der Werbung wurde damals nichts dem Zufall überlassen. Das kostete Zeit … eine Komponente, die sich heute viele Fotografen nicht mehr leisten können. Aber das ist ein anderes Thema. Bevor ich meine Lehre begannt, hatte ich mir das Fotografenleben anders vorgestellt, weil ich kein geduldiger Mensch bin. Langwierige Vorbereitungen, um am Ende ein paar Bilder zu bekommen, waren mir damals echt zuwider. Und wahrscheinlich reizte mich sowieso viel mehr der Gedanke, dass Fotografen ständig von hübschen Mädels umgeben sind.
Jetzt verrate ich ein großes Geheimnis: Die beruflich vor der Kamera stehenden Mädels sind hübsch bis sehr schön, aber es macht keinen Spaß mit Egomaninnen den Tag zu verbringen, von den Nächsten ganz zu schweigen. Außerdem können sie, sobald sie eine Kamera sehen, auf Knopfdruck lächeln und werfen sich in Pose. Mein Ratschlag an alle Fotografen, die mit einem Modell ins Bett gehen wollen: Räumt vorher alle Kameras aus dem Schlafzimmer weg. Schnell hatte ich dieses Gehabe bis zum Stehkragen über. Was gibt es Schöneres, als echtes, unverfälschtes Lächeln und Flirten? Ich flirte gerne und noch viel lieber mit der Kamera in der Hand. Hauptsache es ist echt.
Sommer ’77 in Spanien. Ein Bild fiel mir gestern in die Hände. Ein Flirt mit der Kamera. Mein Flirt mit einem echten, unverfälschten Mädchen. Ihren Namen habe ich vergessen, aber nicht die schönen Stunden, die ich mit ihr verbracht habe. Und dieses Bild ist mir auch geblieben. Ich weiß nicht, ob von ihr noch weitere Bilder in meinem Negativwust zu finden sind. Aber das ist auch egal. Es war ein schöner Sommer, damals in Spanien 1977. Wir waren jung, unbeschwert und hungrig auf das Leben. Ich genieße nach über 30 Jahren die bildliche Erinnerung in Händen zu halten. Nach dem Spanien-Sommer hatten wir nie wieder Kontakt, aber all das, was ich damals auf Film gebannt habe, ist eine bleibend Erinnerung. Wenn ich überlege, wie viele Digitalbilder auch bei mir schon der digitalen Demenz anheim gefallen sind, wird mir übel. Meine Schöne, vielleicht liest Du das und hast ganz andere Erinnerungen an den Sommer ’77. Die Fotografie ist und bleibt ein wichtiger Teil persönlicher Erinnerungen. Vielleicht sollten sich so manche Kamerabediener über diesen Aspekt einmal Gedanken machen.