Das Leistungsgefälle im Sonntagskrimi ist bekanntermaßen ziemlich groß. Erst laufen klasse Krimis, eine Woche später völlige Flops. Auf schauspielerischen Properz folgen Armutszeugnisse und Berufsverfehlungen. Mal gibt es überbordernde Spannung, mal frustrierende Langeweile. Heuer gibt’s hoch Hochdeutsch, eine Woche drauf Dialekt zum Abwinken (und Untertitel einschalten). Umso erfreulicher ist die Rückkehr aus der (viel zu langen) Tatort-Sommerpause.
Hatte der Luzerner Tatort-Ableger vor rund zwei Monaten noch das Sommerloch mit einem nur wenig aufregenden Flüchtlings-Krimi eingeläutet – und sich selbst damit einmal mehr bestätigt -, so ist es wiederum der Schweizer Tatort, der die zweite Sonntagskrimi-Jahreshälfte eröffnet. Und man höre und staune: Die Schweiz kann jetzt endlich auch Tatort. So viel Hirn wie diesmal gab's selten.
Es ist schon ein ziemlich dünnes Eis, auf dem sich Regisseur Florian Froschmayer und sein Autor Urs Buehler bewegen. Ein Wohltäter geht in Robin Hood-Manier auf die Jagd, um für Gerechtigkeit zu sorgen und die noch nicht verurteilten Schwerverbrecher hinzurichten. Blutige Selbstjustiz, weil die echte Justiz das alles nicht mehr schafft. Und der Tatort begeht den Fehler, sich halbwegs auf die Seite seiner Hauptfigur zu stellen. Als versehentlich der Bruder eines Vergewaltigers ermordet wird, befragen Kommissar Flückinger (Stefan Gubser) und dessen Vorgesetzter Mattman (Jean-Pierre Cornu) den nicht Ermordeten. Und nicht zuletzt hier geht die Tendenz in Richtung des folgenden Tenors: Eigentlich habt ihr kein Recht, von uns geschützt zu werden. Das macht sich auch in anderen Gesprächen zwischen Flückinger und Kollegin Ritschard (Delia Mayer) bemerkbar. „Und solche Leute müssen wir jetzt beschützen?“, heißt es da einmal. Ein ziemlich grenzwertiges Buch, das durchaus Mitgefühl und Verständnis für einen Heckenschützen zeigt. Gewagt.
Umwerfender Monot, überraschend brutale Bilder
Das trifft leider auf nicht alle Aspekte in „Ihr werdet gerichtet“ zu. Im Hintergrund vergeht kaum ein Augenblick, in der es nicht vor sich hin dudelt. Ein nerviger Dauer-Soundtrack. Handwerklich legt der Film an anderen Punkten aber schon besser Hand an. Die Kamera ist toll, und wenn Monot seinem Hobby nachgeht, dann spritzt Blut in Fontänen in die Luft, die Leichen werden so gezeigt, wie man sich Leichen eben vorstellt: Hirn quillt heraus, liegt auf dem Bordstein. Ein ungewöhnlich brutaler Anblick zum Wochenend-Ausklang. FSK 16 lässt rufen. Mutig.
Während der Zuschauer schnell weiß, dass Monot hinter diesen Taten steckt, müssen sich Flückinger und Ritschard durch den Nebel mit verbundenen Augen tasten. Das tut der Spannung keinen Abbruch und mündet in einem krassen Finale.
BEWERTUNG: 7,5/10Titel:Tatort: Ihr werdet gerichtetErstausstrahlung: 06.09.2015Genre: KrimiRegisseur: Florian Froschmayer
Darsteller: u.a. Stefan Gubser, Delia Mayer, Jean Pierre Cornu, Antoine Monot jr., Misel Maticevic, Sarah Hostettler
Hatte der Luzerner Tatort-Ableger vor rund zwei Monaten noch das Sommerloch mit einem nur wenig aufregenden Flüchtlings-Krimi eingeläutet – und sich selbst damit einmal mehr bestätigt -, so ist es wiederum der Schweizer Tatort, der die zweite Sonntagskrimi-Jahreshälfte eröffnet. Und man höre und staune: Die Schweiz kann jetzt endlich auch Tatort. So viel Hirn wie diesmal gab's selten.
Links: Der Rächer. Rechts: Seine Frau. (Monot & Hostettler) ©SRF
Der größte Dank gebührt Antoine Monot jr. - besser bekannt als Saturn-Testimonial Tech-Nick-, der hier als eine Art Robin Hood allen anderen die Show stiehlt. Monot spielt hier mal ausnahmsweise nicht sein Saturn-Ich, sondern Simon Amstad. Dieser lebt zuhause mit seiner Frau Karin (Sarah Hostettler), die daheim eine Zigarette nach der anderen verbraucht. Aber wer mag es ihr verdenken, schließlich erlitt sie ein schweres Schicksal: Ihr Chef vergewaltigte sie vor einiger Zeit, seit Jahren schon warten sie und ihr Ehegatte auf einen Prozess, die Schweizer Behörden sind jedoch chronisch überfordert. Andere Vergewaltiger, Schläger und Verbrecher jeglicher Couleur laufen seit Jahren ungeschoren herum. Zeit, zu handeln, denkt sich Simon. Der Bärtige schnappt sich eine Waffe, seinen schwarzen Bulli und versetzt die Schweizer Kleinstadt in Angst und Schrecken. Abgeknallt von Tech-Nick!Es ist schon ein ziemlich dünnes Eis, auf dem sich Regisseur Florian Froschmayer und sein Autor Urs Buehler bewegen. Ein Wohltäter geht in Robin Hood-Manier auf die Jagd, um für Gerechtigkeit zu sorgen und die noch nicht verurteilten Schwerverbrecher hinzurichten. Blutige Selbstjustiz, weil die echte Justiz das alles nicht mehr schafft. Und der Tatort begeht den Fehler, sich halbwegs auf die Seite seiner Hauptfigur zu stellen. Als versehentlich der Bruder eines Vergewaltigers ermordet wird, befragen Kommissar Flückinger (Stefan Gubser) und dessen Vorgesetzter Mattman (Jean-Pierre Cornu) den nicht Ermordeten. Und nicht zuletzt hier geht die Tendenz in Richtung des folgenden Tenors: Eigentlich habt ihr kein Recht, von uns geschützt zu werden. Das macht sich auch in anderen Gesprächen zwischen Flückinger und Kollegin Ritschard (Delia Mayer) bemerkbar. „Und solche Leute müssen wir jetzt beschützen?“, heißt es da einmal. Ein ziemlich grenzwertiges Buch, das durchaus Mitgefühl und Verständnis für einen Heckenschützen zeigt. Gewagt.
Stehen vor einem Rätsel: Kommissare Ritschard und Flückiner (Mayer, Gubser) ©SRF
Dieser Heckenschütze wird von Monot wahnsinnig überzeugend gespielt. Na ja, gespielt ist definitiv das falsche Wort. Monot ist schlicht umwerfend, er gibt seiner Figur einen ganz besonderen Touch. Erst knallt er die Schweine ab („Es gibt keine Gerechtigkeit, außer man sorgt selbst für welche!“), dann geht er in die Bäckerei, besorgt sich dort Berliner, teilt sie mit seiner Frau und bastelt in aller Seelenruhe im Wasch-Keller an seiner Waffe. Seine Taten sind nachvollziehbar, er verleiht seiner Figur die nötige Tiefe und Verbittertheit, die das Buch ihm zuschreibt. Gelungen.Umwerfender Monot, überraschend brutale Bilder
Das trifft leider auf nicht alle Aspekte in „Ihr werdet gerichtet“ zu. Im Hintergrund vergeht kaum ein Augenblick, in der es nicht vor sich hin dudelt. Ein nerviger Dauer-Soundtrack. Handwerklich legt der Film an anderen Punkten aber schon besser Hand an. Die Kamera ist toll, und wenn Monot seinem Hobby nachgeht, dann spritzt Blut in Fontänen in die Luft, die Leichen werden so gezeigt, wie man sich Leichen eben vorstellt: Hirn quillt heraus, liegt auf dem Bordstein. Ein ungewöhnlich brutaler Anblick zum Wochenend-Ausklang. FSK 16 lässt rufen. Mutig.
Während der Zuschauer schnell weiß, dass Monot hinter diesen Taten steckt, müssen sich Flückinger und Ritschard durch den Nebel mit verbundenen Augen tasten. Das tut der Spannung keinen Abbruch und mündet in einem krassen Finale.
©ARD
Sowieso hat der Zuschauer genug zu tun, vor allem rätselt man die ganze Zeit, was eigentlich Misel Maticevic in diesem Tatort für einen Auftrag hat. Er taucht auf, war in irgendeiner Form mit Monots Figur verbandelt, aber just in dem Moment, in dem man es hätte erfahren können, nuscheln er und Hostettler um die Wette. Sie in ihre Kippe, er in seinen Bart. Es wird das große Geheimnis dieses Sonntags bleiben. Das zweite Tatort-Halbjahr kann trotzdem kommen.BEWERTUNG: 7,5/10Titel:Tatort: Ihr werdet gerichtetErstausstrahlung: 06.09.2015Genre: KrimiRegisseur: Florian Froschmayer
Darsteller: u.a. Stefan Gubser, Delia Mayer, Jean Pierre Cornu, Antoine Monot jr., Misel Maticevic, Sarah Hostettler