(Simone de Beauvoir und Jean-Paul Sartre)
Von Günter Verdin
Es ist immer ein intellektuelles Vergnuegen, Simone de Beauvoir zu lesen oder an sie in Fernseh-Porträts erinnert zu werden, wie jetzt wieder auf ARTE. Die Frage stellt sich nur: wie will man dieser grossen Denkerin und vielseitigen Schriftstellerin im TV -Einheitsformat für Porträts von einer Dreiviertelstunde auch nur einigermassen gerecht werden? Das Film-Porträt " Simone de Beauvoir -eine moderne Frau" betont die emotionale Seite. Die Beauvoir war eine grosse Liebende, eine intensiv Verliebte, die ihre Gefühle in wunderschönen Liebesbriefen bis ins kleinste Detail sezierte. Das ist wohl der Grund, warum ihre Liaisonen, bis auf die mit ihrem Lebensmenschen Jean-Paul Sartre , eher von kurzer Dauer waren. So macht man Literatur, Madame, nicht Liebe! Mit Sartre hatte sie ein "Pachtverhältnis" , das beiden Treue unter groesstmoeglicher Freiheit auch für andere Beziehungen auferlegte. Da viele Romane der Beauvoir autobiographisch geprägt sind , und sie ihr Leben umfangreich in vierbändigen Memoiren reflektiert hat, ist der Erzaehlmodus des Films angemessen. Es gibt viele schöne Originalzitate, auch Beauvoir und Sartre im Originalton: er spricht dezidiert und prononciert, sie wiederum scheint mit dem Sprechen kaum ihren Gedanken hinterher zu kommen, so schnell gibt sie ihre Antworten.
Die geschichtliche Bedeutung der beiden Zentralfiguren des Existentialismus und der französischen Linken, auch die grundlegende Bedeutung von Simone de Beauvoir für den Feminismus, werden in diesem Porträt nur ansatzweise gestreift. Aber wie sagt doch einer der im Film Interviewten so richtig: es ist unmoeglich, eine Biographie der Simone de Beauvoir zu verfassen, mit jedem Dokument aus ihrer Hinterlassenschaft kommen neue Facetten zutage.