Da war sie wieder. Diese Parole. An ihr störe ich mich schon seit Jahren. »Hartz IV muss weg!« Wohin muss es denn? Ist es in Eile? Unter bestimmten Linken ist die Parole zu einer Art Lebensmotto geworden. Besonders unter den Kompromisslosen, den antikapitalistischen Rechthabern und Freunden leichter Unterhaltung. Ich habe dieses Motto schon für schwachsinnig gehalten, als ich selbst noch Hartz IV bezog. Ist man deswegen schon ein Sozialfaschist?
So jedenfalls nennt man die Leute, die nicht völlig unkritisch mitmarschieren in jenem Takt, den linke Savonarolas zuweilen vorgeben. Bei Facebook erreichen mich immer wieder Statusmeldungen, in denen festgestellt wird, dass zum Beispiel Ramelow und seine Anhängerschaft Sozialfaschisten, Realos und Revisionisten seien. Sie distanzierten sich nicht ausreichend vom Kapitalismus und von Hartz IV. Hat schon je jemand Ramelow »Hartz IV muss weg!« rufen hören? Ich nicht. Vielleicht habe ich es auch nur überhört. Aber genau dieser Umstand, dass er diesen Satz vermutlich nie gerufen hat, spricht eher für als gegen ihn. Das heißt ja nicht, dass er sich damit abgefunden hätte. Ich auch nicht. Ich habe nur einfach diese Parolen satt, die sich radikal üben, aber letztlich nur ein laues Lüftchen sind.
Wenn Hartz IV weg ist, was geschieht eigentlich dann? Gibt es gar keine Sozialhilfe mehr? Aber die Leute ohne Einkommen müssen doch von was leben. Oder gibt es eine und sie erhält einfach einen anderen Namen? Neuer Wein, alte Schläuche? Auch dieses Modell wird mit Regeln, Vorgaben und Kriterien des Leistungsanspruches arbeiten müssen. Es wird auch dann einen Kanon geben, wann jemand finanzielle Hilfe erhält und wann nicht. Drastische Sanktionen muss es natürlich nicht geben. Man kann es menschlicher, herzlicher machen. Man kann Bestrafungen lockern, auch wenn sie wohl nie gänzlich aufgehoben werden. Einen modus vivendi kann man nur erreichen, wenn es einen Rahmen gibt, der abgesteckt ist. Die Parole ist also nett, gibt sich radikal, aber sie ist völliger Unfug.
Jemanden anzulasten, dass er sie nicht schwingt, ist Anzeichen einer infantilen Wahrnehmung. Ramelow ist zum Beispiel gerade deswegen für den Kreis derer, die diese Parole als linke Herzensangelegenheit im Munde führen, ein Realo oder ein Revisionist. Vielleicht macht er es sich nur nicht so einfach. Vielleicht weiß er, dass Gesellschaft nicht ganz so eindimensional funktioniert. Er sagte mal, dass er die gesellschaftliche Wirklichkeit akzeptieren müsse. Natürlich. Wie denn sonst? Man kann nicht alles neu erfinden. Man kann es aber besser machen. Das heißt: Hartz IV muss nicht weiterhin bleiben, wie es heute schon existiert. Es braucht eine Überarbeitung. Dringend.
Die Sanktionspraxis gehört reformiert. Ein-Euro-Jobs eingestellt. Nicht jede Arbeit darf zumutbar bleiben. Angedachte Kontrollverschärfungen müssen im Keim erstickt werden. Als polizeistaatliche Verfolgungsbetreuung kann die Sozialhilfe nicht fortbestehen. Das gefährdet die Demokratie, geht an die Substanz von Bürger- und Menschenrechten. Ob das Ding dann weiterhin »Hartz IV« heißt, was es ja heute offiziell schon nicht tut, ist dabei völlig unerheblich. Irgendwas Hartzvieriges wird es immer geben. Jede Fürsorge ist ein Angriff auf die Würde, auch dann, wenn sie relativ würdevoll gestaltet ist. Ein bisschen Ankratzen der Würde bleibt letztlich immer.
Die Sozialhilfe kann gar nicht weg. Und jetzt kommt mir nicht mit dem Grundeinkommen. »Bedingungslos« noch dazu. Möglich, dass es dieses Einkommen irgendwann auf irgendeine Weise geben wird. Man kann den Versuch starten, auch wenn er wohl in die Hose gehen wird. Bedingungslos wird es aber nie sein. Jede Gesellschaft, jedes Zusammenleben ist an Bedingungen geknüpft. Manche sind nicht richtig, andere aber nötig. Auch so ein Punkt, warum mancher Linker mit Ramelow auf Kriegsfuß steht. Er geht nicht mit wehenden Fahnen voran in dieser Frage. Er freue sich zwar auf die Debatten in seiner Partei, sagt er. Aber da vor dem Grundeinkommen eine generelle gesellschaftliche Diskussion stattfinden müsse, dünkt es ihm kaum praktikabel. Außerdem fürchtet er, dass es den Niedriglohnsektor ausweitet. Ein richtig gemachter Mindestlohn wäre weitaus sinnvoller. Wenn man aber keine radikalen Umbrüche verlangt, wird man in gewissen linken Kreisen unglaubwürdig.
Es ist schlicht gesagt die Frage zwischen Revolution und Reform, die sich hier auftut. Wieder mal. Typisch links. Was nützen harte antikapitalistische Töne? Bekommt man dadurch Mehrheiten? Und wollen die Menschen überhaupt den totalen Bruch? Sie zweifeln am Kapitalismus - das stimmt. Aber sie wollen ihn überarbeitet, gerechter, an die Leine genommen. Alles andere ist ohnehin zum Scheitern verurteilt. Die Welt sieht ja nicht gerade danach aus, als habe sie nochmals richtig Lust an einer völligen Systemabwicklung. Aber sie sehnt sich nach gerechterer Verteilung, fairen Wohlstand und ökonomischer Sicherheit. Das ist die gesellschaftliche Wirklichkeit. Sie will, dass man einfach das Beste aus dem Vorhandenen macht.
Das heißt nicht, dass man jetzt denen, die Realos genannt werden, völlig freie Hand lassen muss. Den Ausverkauf linker Ideen muss man sich nicht gefallen lassen. Aber so dreist zu sein, jeden, der nicht mitblökt im antikapitalistischen Chor, als dummen »Sozialfaschisten« zu kategorisieren, muss man dann doch nicht sein. Hartz IV muss nicht weg - es braucht unbedingt ein menschlicheres Antlitz. Der Kapitalismus kann nicht einfach verabschiedet werden - er benötigt strukturelle Reformen. Das ist das Ziel. Alles andere ist Träumerei. Ist eine selten dämliche Blutgrätsche. Hierzu braucht man Typen wie Ramelow oder Gysi, aber keine Phantasten. Das mal zu sagen ist nicht populär. Aber manchmal muss man sich in die Nesseln setzen. Das ist hiermit erledigt.
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So jedenfalls nennt man die Leute, die nicht völlig unkritisch mitmarschieren in jenem Takt, den linke Savonarolas zuweilen vorgeben. Bei Facebook erreichen mich immer wieder Statusmeldungen, in denen festgestellt wird, dass zum Beispiel Ramelow und seine Anhängerschaft Sozialfaschisten, Realos und Revisionisten seien. Sie distanzierten sich nicht ausreichend vom Kapitalismus und von Hartz IV. Hat schon je jemand Ramelow »Hartz IV muss weg!« rufen hören? Ich nicht. Vielleicht habe ich es auch nur überhört. Aber genau dieser Umstand, dass er diesen Satz vermutlich nie gerufen hat, spricht eher für als gegen ihn. Das heißt ja nicht, dass er sich damit abgefunden hätte. Ich auch nicht. Ich habe nur einfach diese Parolen satt, die sich radikal üben, aber letztlich nur ein laues Lüftchen sind.
Wenn Hartz IV weg ist, was geschieht eigentlich dann? Gibt es gar keine Sozialhilfe mehr? Aber die Leute ohne Einkommen müssen doch von was leben. Oder gibt es eine und sie erhält einfach einen anderen Namen? Neuer Wein, alte Schläuche? Auch dieses Modell wird mit Regeln, Vorgaben und Kriterien des Leistungsanspruches arbeiten müssen. Es wird auch dann einen Kanon geben, wann jemand finanzielle Hilfe erhält und wann nicht. Drastische Sanktionen muss es natürlich nicht geben. Man kann es menschlicher, herzlicher machen. Man kann Bestrafungen lockern, auch wenn sie wohl nie gänzlich aufgehoben werden. Einen modus vivendi kann man nur erreichen, wenn es einen Rahmen gibt, der abgesteckt ist. Die Parole ist also nett, gibt sich radikal, aber sie ist völliger Unfug.
Jemanden anzulasten, dass er sie nicht schwingt, ist Anzeichen einer infantilen Wahrnehmung. Ramelow ist zum Beispiel gerade deswegen für den Kreis derer, die diese Parole als linke Herzensangelegenheit im Munde führen, ein Realo oder ein Revisionist. Vielleicht macht er es sich nur nicht so einfach. Vielleicht weiß er, dass Gesellschaft nicht ganz so eindimensional funktioniert. Er sagte mal, dass er die gesellschaftliche Wirklichkeit akzeptieren müsse. Natürlich. Wie denn sonst? Man kann nicht alles neu erfinden. Man kann es aber besser machen. Das heißt: Hartz IV muss nicht weiterhin bleiben, wie es heute schon existiert. Es braucht eine Überarbeitung. Dringend.
Die Sanktionspraxis gehört reformiert. Ein-Euro-Jobs eingestellt. Nicht jede Arbeit darf zumutbar bleiben. Angedachte Kontrollverschärfungen müssen im Keim erstickt werden. Als polizeistaatliche Verfolgungsbetreuung kann die Sozialhilfe nicht fortbestehen. Das gefährdet die Demokratie, geht an die Substanz von Bürger- und Menschenrechten. Ob das Ding dann weiterhin »Hartz IV« heißt, was es ja heute offiziell schon nicht tut, ist dabei völlig unerheblich. Irgendwas Hartzvieriges wird es immer geben. Jede Fürsorge ist ein Angriff auf die Würde, auch dann, wenn sie relativ würdevoll gestaltet ist. Ein bisschen Ankratzen der Würde bleibt letztlich immer.
Die Sozialhilfe kann gar nicht weg. Und jetzt kommt mir nicht mit dem Grundeinkommen. »Bedingungslos« noch dazu. Möglich, dass es dieses Einkommen irgendwann auf irgendeine Weise geben wird. Man kann den Versuch starten, auch wenn er wohl in die Hose gehen wird. Bedingungslos wird es aber nie sein. Jede Gesellschaft, jedes Zusammenleben ist an Bedingungen geknüpft. Manche sind nicht richtig, andere aber nötig. Auch so ein Punkt, warum mancher Linker mit Ramelow auf Kriegsfuß steht. Er geht nicht mit wehenden Fahnen voran in dieser Frage. Er freue sich zwar auf die Debatten in seiner Partei, sagt er. Aber da vor dem Grundeinkommen eine generelle gesellschaftliche Diskussion stattfinden müsse, dünkt es ihm kaum praktikabel. Außerdem fürchtet er, dass es den Niedriglohnsektor ausweitet. Ein richtig gemachter Mindestlohn wäre weitaus sinnvoller. Wenn man aber keine radikalen Umbrüche verlangt, wird man in gewissen linken Kreisen unglaubwürdig.
Es ist schlicht gesagt die Frage zwischen Revolution und Reform, die sich hier auftut. Wieder mal. Typisch links. Was nützen harte antikapitalistische Töne? Bekommt man dadurch Mehrheiten? Und wollen die Menschen überhaupt den totalen Bruch? Sie zweifeln am Kapitalismus - das stimmt. Aber sie wollen ihn überarbeitet, gerechter, an die Leine genommen. Alles andere ist ohnehin zum Scheitern verurteilt. Die Welt sieht ja nicht gerade danach aus, als habe sie nochmals richtig Lust an einer völligen Systemabwicklung. Aber sie sehnt sich nach gerechterer Verteilung, fairen Wohlstand und ökonomischer Sicherheit. Das ist die gesellschaftliche Wirklichkeit. Sie will, dass man einfach das Beste aus dem Vorhandenen macht.
Das heißt nicht, dass man jetzt denen, die Realos genannt werden, völlig freie Hand lassen muss. Den Ausverkauf linker Ideen muss man sich nicht gefallen lassen. Aber so dreist zu sein, jeden, der nicht mitblökt im antikapitalistischen Chor, als dummen »Sozialfaschisten« zu kategorisieren, muss man dann doch nicht sein. Hartz IV muss nicht weg - es braucht unbedingt ein menschlicheres Antlitz. Der Kapitalismus kann nicht einfach verabschiedet werden - er benötigt strukturelle Reformen. Das ist das Ziel. Alles andere ist Träumerei. Ist eine selten dämliche Blutgrätsche. Hierzu braucht man Typen wie Ramelow oder Gysi, aber keine Phantasten. Das mal zu sagen ist nicht populär. Aber manchmal muss man sich in die Nesseln setzen. Das ist hiermit erledigt.
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