Die Distanz, die doch ganz nahe ist

Die Union verweigert eine Zusammenarbeit mit der AfD. Das passe nicht zusammen, heißt es. Ohne die Union jetzt loben zu wollen: Gut so! Es wäre wünschenswert, wenn diese Partei der Spießer und Pedanten isoliert bliebe. Aber man darf sich von dieser Distanz nicht zu viel erhoffen. Die AfD wird die Union schleifen, wie auch Die Linke auf die Sozialdemokraten abfärbte.
Die Distanz, die doch ganz nahe istWo denn?, wird mancher jetzt fragen. Doch ohne Die Linke wäre der Mindestlohn, sei er auch noch so unzureichend, löchrig und unflächendeckend beschlossen worden, niemals eingetreten. Die Sozialdemokraten wären nie im Leben darauf gekommen, sich für ihn einzusetzen. Der Schröder-Schock sitzt bei ihnen noch viel zu tief. Die Linke forderte ihn hingegen jahrelang, während sich die Sozialdemokraten noch sträubten, spöttisch abwinkten, das sei nicht mehr zeitgemäß und außerdem populistisch. Man war noch voll in dem Modus, dass der Genosse mit seinem Bosse kläffen sollte. Nun gibt es den Mindestlohn aber doch. Gefordert und durchgesetzt von den Sozis, die sich jetzt als Erfinder dieser nötigen Maßnahme zur Regulierung des Arbeitsmarktes feiern lassen. Sozialdemokratie: das Original. Eine feine Werbemasche. Der »Kicker« wirbt zum Beispiel mit demselben Slogan. Er tut es, weil er schon lange von anderen Magazinen überflügelt wurde, die bessere Sonderhefte zum Saisonstart liefern. Irgendein Alleinstellungsmerkmal braucht jeder.

Zweifelslos hat Die Linke die Sozialdemokratie geschleift. Zwar noch viel zu wenig, aber immerhin. Auf Kurs hat sie die alte Karavelle noch nicht gebracht. In manchen Fragen linst sie rüber zu den Linken und wenn sie dabei ertappt wird, wiegelt sie ab, zeigt einen Vogel: Wir doch nicht. Sozialistische Visionen? Das ist mit uns nicht zu machen. Aber man nimmt sich Anleihen. Lässt sich inspirieren. Mietpreisbremse, zeitliche Begrenzung der Leiharbeit oder Kampf dem Dispo. Dinge, die auf der Agenda stehen und schon Die Linke beschäftigt haben. Wenn das Spicken zum linken Nachbarn dazu dient, die Gesellschaft gerechter zu machen, dann immer gerne. Es ist doch völlig egal, wer die soziale Frage angeht.
So ähnlich wird es vermutlich zwischen Union und AfD auch verlaufen. Man bleibt auf Distanz, nähert sich aber an. Viele Christdemokraten jammern intern ja schon seit Jahren, dass sie unter Merkel jegliche wertekonservative Kontur verloren hätten. Mancher dieser Traumtänzer hat schon festgestellt, dass sich die Union massiv sozialdemokratisiere. Das ist irgend so ein reaktionärer Geist, der die Adenauer-Zeit herbeisehnt und der findet, Merkel trage zu viel vom Konservatismus ab. Unsinn - natürlich. Aber was soll man machen, wenn manche dieser Leute Probleme mit ihrer Wahrnehmung haben? Künftig werden diese Gestalten auf die AfD blicken, sie geschwisterlich herzen und damit die Union »reformieren«. Die nüchterne Distanz, die man öffentlich an den Tag legt, wird aus nächster Nähe vollzogen.
Und so weit ist es von dort nach da dann ja auch nicht. Die niedersächsische CDU warnte ja neulich schon mal vor Homosexuellen an Schulen. Man dürfe Kinder und Jugendliche nicht überfordern. Das sind dieselben miefigen Stimmen, die in den Siebzigerjahren Jagd auf homosexuelle Lehrer in Kalifornien machten. Man wolle schließlich die Kinder keiner Gefahr aussetzen, sagten all diese Bewahrer des Anstandes. Sie warben lächelnd für Proposition 8, einem Gesetzesvorhaben, das Homosexualität kriminalisieren sollte, und ließen sich nach getaner Arbeit irgendwo einen blasen. So sehen die Anständigen hinter den Kulissen aus. Irgendeinen Idioten, der sich dieses reaktionäre Geschwätz zu Herzen nimmt, gibt es dann immer. Jedenfalls war am Ende dieser kalifornischen Geschichte der schwule Aktivist und Stadtrat Harvey Milk tot. Erschossen von einem, der genug hatte von Sodom und Gomorra. Aber das führt jetzt zu weit. Lasst uns den Faden nicht verlieren. Und niemand aus der Union hat die Absicht, einen Schwulen zu erschießen. Aber zum Abschuss freigeben will man sie schon.
Vielleicht entschuldigt sich die Union jetzt noch für diesen Lapsus. Man muss auch ans Image denken. Aber Stimmen, die sagen, dass man mit zu viel Anbiedern an den schwulen Zeitgeist das Profil des konservativen Menschen aufweicht, die gab es schon vor der AfD. Mit ihr wird es für sie einfacher, ihre Partei wieder »auf Linie« zu bekommen. Wie um Himmels Willen will man denn Distanz halten, wenn in der eigenen Partei eine ganze Menge Leute mitmischen, die dieselben Ansichten vertreten wie jene Partei, die sich als Alternative wahrnimmt? Unmöglich! Die Alternative mag als Protestpartei irgendwann wieder verschwinden. Sie wird aber ihr Erbe hinterlassen und die Union, ohnehin in vielen gesellschaftlichen Fragen weit hinterher, weiter zurückwerfen.
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