So hat ESC-Gewinner Sobral an der Algarve überrascht!

Seinen Auftritt in Lagoa hatte Salvador Sobral bereits vor dem 62. Eurovision Song Contest zugesagt. Doch dann gewann er den Wettbewerb - mit der Jazz-Ballade „Amar pelos dois". Der so zu Weltruhm gekommene Sänger aus Lissabon hielt sein Versprechen trotzdem. Deshalb konnten am Freitag, 23. Juni, rund 700 Besucher des Lagoa Jazz Fest in Estômbar erleben, wie der 27-jährige Künstler mit adeligen deutschen Vorfahren sie mit feinfühliger Latin Music vor sommerlichem Sternenhimmel begeisterte. Überraschung: Der Portugiese sang und moderierte ausschließlich auf Spanisch. Und trug den Sieger-Song aus Kiew nicht noch einmal vor.

Sobral, der sich auch in der Flüchtlingshilfe engagiert, ging beim Festival in Lagoa - anders als bei vorherigen Auftritten - auch nicht mehr auf die portugiesische Waldbrand-Katastrophe ein. Wenige Tage zuvor, bei einem Auftritt in Ourém, hatte der Song Contest-Sieger noch eine kleine Hilfsaktion durchgeführt. Die Einnahmen aus dem Verkauf von Tonträgern vor und nach dem Konzert wurden für den Wiederaufbau und in Not geratene Menschen in Pedrógão Grande und Góis gespendet.

Trotz schweißtreibende Abendtemperaturen von mehr als 25 Grad trat Sobral im graugrün karierten Sacco auf die Bühne des Amphitheaters im Sítio das Fontes. Sein Trio begnügte sich hingegen mit T-Shirt oder Hemd. Der bärtige Barde trug unterm Sacco ein weites dunkelgraues Hemd und dazu anthrazitfarbene Jeans. Zwischendurch setzte sich Sobral, die mittellangen Haare schlicht nach oben gesteckt, immer wieder auf einen bereitgestellten Stuhl neben dem Piano. Einmal, während eines Songs, unterstrich er mit einer Handbewegung seinen gewölbten Bauch. Medien mutmaßen, hier würden medizinische Gerätschaften oder die Wund-Abdeckung nach einer Bauch-Operation kaschiert. Doch der Sänger ging nicht weiter darauf ein.

Vielmehr verzauberte Sobral sein sachkundiges Publikum mit softem Swing, lachenden, neugierig blitzenden Augen und einem gewaltigen Stimm-Spektrum. Seine witzigen Sprüche kamen beim einheimischen Publikum problemlos an. Denn Portugiesen verstehen das Spanische gut. Nur die zahlreich vertretenen Zuhörer aus dem deutschsprachigen und angelsächsischen Raum schauten sich manchmal etwas ratlos an, wenn die anderen Gäste lachten oder den Refrain mitsangen.

Ständig war Sobrals Körper in Bewegung. Der Sänger zappelte, wippte, sprang, dirigierte und gestikulierte, oft ein wenig unbeholfen wirkend. Gelegentlich nestelte der 27-Jährige an Nase, Bart und Hals oder simulierte mit den Armen das Zupfen des Kontrabasses bzw. das Trommeln des Schlagzeugs. Und immer wieder hielt er sich die Hände vors Gesicht, so, als würde er sie trotz der Sommer-Hitze noch warm hauchen wollen. Doch das tat er nur, um diverse Musikinstrumente täuschend ähnlich zu imitieren. Ähnlich oder sogar noch besser als bei dem im Februar gestorbenen amerikanischen Jazz-Sänger Al Jarreau glaubte man zum Beispiel entweder eine Trompete zu hören bzw. eine ganze Percussion-Gruppe; großartig!

Sanfte Sobral-Songs vor sommerlichem Sternenhimmel

Wie schon bei seinem Auftritt in Kiew kamen Sobral und sein südamerikanisches Trio Alma Nuestra (übersetzt etwa „Unsere Seele") völlig ohne Background-Chor oder Zutaten wie Tänzer, Licht-Effekte oder Feuerwerk aus. Zusammen mit seinem Freund und Pianist Victor Zamora sowie Bassist André Rosinha und Schlagzeuger André Sousa Machado zauberte er durch sanftes Timbre und jazzige Phrasierung Gänsehaut auf die Körper der Gäste - und das an einem schwülwarmen Juni-Abend. Sobrals Trio glänzte mit perfektem Zusammenspiel, das mitriss. Eineihalb Stunden lang trugen die Musiker bekannte und zeitlose Songs aus Kuba, Argentinien und anderen südamerikanischen Ländern vor. Sie wirkten größtenteils wie frisch erfunden, locker improvisiert und immer authentisch-persönlich.

Lagoa Jazz Fest: Internationale Fan-Gemeinde huldigt nicht nur Sobral

Das ambitionierte Lagoa Jazz Fest hat eine treue internationale Fangemeinde. Seinen besonderen Reiz macht vor allem der einzigartige, magisch wirkende Veranstaltungs-Ort in der Freizeitanlage Sítio das Fontes mit ihrem Amphitheater aus. Hier herrscht herrlicher Weitblick auf grüne Hügel und Teiche sowie paradiesische Ruhe. Nur das Wispern des Windes und das Zwitschern der Vögel unterbricht gelegentlich die Stille. Rund 20 Quellen sprudeln in dieser sanft swingenden Karstlandschaft. Sie speisen den Fluss Arade, der im nahe gelegenen Portimão in den Atlantik mündet.

2017, in dem der Geburt von Jazz-Legende Ella Fitzgerald und der ersten Aufnahme einer Jazz-Schallplatte vor 100 Jahren gedacht wird, erlebt das intime Festival für Liebhaber von Qualität und Vielfalt bereits seine 13. Auflage. Organisatoren sind der Pianist António Palma und der Gitarrist Joaquim Andrés. Beiden gehört die Konzertagentur Ao Vivo.

Palma als künstlerischer Direktor recherchiert zusammen mit Andrés ständig, wo sich ideenreiche neue und speziell arrangierte Kompositionen finden lassen und sich musikalische Energie mit dezenter Eigenwilligkeit paart.

So sorgen sie von Jahr zu Jahr dafür, dass Purismus und Kreativität gut gemischt sind. Weniger bekannte Musiker lassen sie mit international renommierten Virtuosen zusammentreffen.

Am Freitag war das zu erleben. Da eröffneten der italienische Pianist Pasquale Stefano und der rumänische Bandoneon-Virtuose Gianni Iorio als Duo Nocturno das Lagoa Jazz Fest um 22 Uhr. Die europäischen Musiker haben bereits Konzertreisen durch die ganze Welt unternommen und verbinden Klassik und Tango.

Bei ihrem ersten Auftritt in Portugal bewiesen sie Stärke in der Interpretation, kombiniert mit subtilen solistischen Eskapaden. Danach, kurz vor Mitternacht, trat Eurovisions-Gewinner Sobral vors erwartungsvolle Publikum.

Lagoa Jazz Fest: Das steht außer Sobral noch auf dem Programm

Samstagnacht will das „ Marius Preda 4teto ", die Festivalbesucher in seinen Bann zu ziehen. Marius Preda, 1977 geborener Spross einer rumänischen Musiker-Familie, ist der erste Cymbal-Solist in der Jazz-Geschichte geworden. Seine virtuose Art und Weise des Cimbalom-Spielens hatte er in der Vibraphon-Klasse einer niederländischen Musikhochschule fortentwickelt. Bislang trat er schon mit vielen internationalen Jazz-Größen zusammen auf, darunter auch Arturo Sandoval.

Am Sonntag stellt beim Lagoa Jazz Fest zunächst das einheimische Trio KOLME mit Piano, Bass und Schlagzeug seinen ureigenen Stil vor. Die Konzertbesucher dürften sich bei den Stücken an Jazz-Idole wie Bill Evans, Keith Jarrett und Brad Mehldau erinnern. Das sehr differenzierte Repertoire der drei portugiesischen Künstler besteht fast ausschließlich aus eigenen Songs.

Den Abschluss der drei Jazz-Nächte in Estombar wird am Sonntag das Alberto Lopez-Quintett machen. Die Spanier rund um den 1990 geborenen Gitarristen wollen beweisen, dass Flamenco zwingend zum Jazz gehört. Die Gäste des Lagoa Jazz Fest sollen die Verschmelzung von temperamentvollem Instrumentalspiel, Gesang und Tanz erleben.

Sobral bekommt Chet Baker-Azulejo geschenkt

Am Rande des Eröffnungsabends des Lagoa Jazz Fest gab es noch eine große Geste. Der Lissaboner Jazz-Maler Francisco Fernandes, genannt Xicofran, überreichte Salvador Sobral auf einer gebrannten Kachel (Azulejo) ein Bild von Chet Baker. Der 1988 in Amsterdam verstorbene US-Jazztrompeter, Sänger und Komponist ist das große Idol des ESC-Gewinners. Dieser zeigte sich sehr gerührt und bedankte sich herzlich.

Xicofran, der einige Meisterstücke seiner Malkunst im Sítio das Fontes ausstellt und zum Kauf anbietet, beeindruckt durch schwungvollen Pinselstrich, durch Reichtum an Farben und Nuancen. Dem mehrfach ausgezeichneten Künstler gelingt es in seinen Porträts von Jazz-Legenden, deren Bewegungen beim Musizieren und das Vibrieren der Instrumente gewissermaßen miterleben und nachempfinden zu lassen; die Leinwand scheint zu swingen.

Auf Xicofrans oft großformatigen Bildern sind neben Chet Baker auch andere berühmte Jazz-Größen präsent, etwa Earl Hines, Sonny Rollings, John Coltrane, Charlie Parker, Charles Mingus und Miles Davis präsent, aber auch Louis Amstrong mit Ella Fitzgerald sowie Betty Carter. Sogar T-Shirts und Ohrensessel bemalt der in Angola geborene Künstler mit Jazz-Motiven, wie Ausstellung und Katalog beweisen. Sehenswert!


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