"Wenn der Wirtschaftsminister mit strahlender Miene verkündet, daß Deutschland einen hohen Exportüberschuß in der Handelsbilanz ausweisen kann, sind wir wieder einmal glücklich darüber, unseren Ruf als „Weltmeister im Export“ gefestigt zu haben.
Schließlich – so denken viele – drückt der Exportüberschuß in der volkswirtschaftlichen Bilanz dasselbe aus wie der Jahresüberschuß in einer Unternehmensbilanz: nämlich den Jahresgewinn. Und je höher die Exportüberschüsse, desto besser haben wir gewirtschaftet.
In dieser Vorstellung steckt allerdings ein kapitaler Denkfehler, denn im Unterschied zum Unternehmensgewinn ist der Exportüberschuß kein erwirtschafteter Ertrag, sondern stellt nur die Differenz zwischen Ein- und Ausfuhren dar.
Wenn die Höhe der Exporte nun ständig die Höhe der Importe übertrifft, kann dies die Stabilität der Währung empfindlich stören.
Um dies zu verstehen, sollten Sie sich zunächst vor Augen halten, daß mit jedem Importgeschäft deutsches Geld ins Ausland fließt, während bei jedem Exportvorgang ausländische Währungen nach Deutschland kommen. Gleichzeitig nimmt bei Importen die Zahl der in Deutschland erhältlichen Produkte zu, während sie beim Export abnimmt – denn was außer Landes gebracht wird, ist weg vom deutschen Markt.
Wird nun längere Zeit mehr exportiert als importiert, wirkt sich dies in zweierlei Hinsicht auf die Währung aus:
- Auf dem Devisenmarkt wird die Währung knapp, weil sie ja gebraucht wird, um die Exportprodukte neu zu bezahlen. Dadurch steigt der Wechselkurs, und die exportorientierten Branchen bekommen Absatzprobleme, weil nun ihre Erzeugnisse im Ausland teurer werden.
- Weil die exportierten Waren und Dienstleistungen in Deutschland bezahlt werden müssen, steigt die Geldmenge an. Gleichzeitig nimmt jedoch die Menge der erhältlichen Waren – die ja exportiert worden sind – ab. Und wenn es immer mehr Geld gibt, für das man immer weniger kaufen kann, wird es weniger wert, und eine Inflation entsteht.
So ist das Ziel einer gesunden Außenwirtschaft nicht ein hoher Exportüberschuß, sondern eine möglichst ausgeglichene Außenhandelsbilanz. Dies ist der sicherste Garant für eine stabile Währung."
- Thomas Hammer, "100 populäre Irrtümer rund ums Geld" -
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