"Der kleine Wolf und warum die Tiere lernten, den Menschen zu misstrauen"
Eines Tages saß ein kleiner Wolf am Waldesrand und sah Kinder auf einem Weg spielen. Freudig und neugierig lief er zu ihnen hin, um mitzuspielen. Als die Kinder ihn bemerkten, liefen sie schreiend zurück zu ihren Eltern.
Der kleine Wolf erschrak und lief mit eingezogenem Schwanz, als die großen Menschen brüllend auf ihn zuliefen, weg. Traurig lief er zurück zu seinem Rudel und verkroch sich hinter dem Rücken seiner großen Tante.
"Was ist denn los Kleiner," wollte seine Tante wissen," hat Dich jemand geängstigt?" "Ja, da waren so kleine Menschenkinder, die spielten da so schön Fangen und ich wollte doch so gerne nur mitspielen," antwortete der kleine Wolf traurig," aber sie sind schreiend weggelaufen und die großen Menschen haben mich angebrüllt und sind auf mich zugerannt."
Weinend verkroch er sich noch tiefer hinter seiner Tante, er wollte nicht, dass die anderen Wölfe seine Tränen sahen. Die Tante leckte zärtlich und tröstend seine Tränen weg. "Warum haben Menschenkinder Angst vor uns?" fragte der Kleine.
Die Tante stupste den kleinen Wolf zwischen ihre Füße, sodass er es sich an ihrem Bauch bequem machen konnte und erwiderte: "Ja weißt Du, die Menschen sind sehr komische Lebewesen, sie benutzen die Namen der Tiere, um ihren Kindern Angst zu machen, damit sie nicht weglaufen und zu selbstständig werden.
Sie denken damit können sie ihre Kinder an sich binden und nehmen ihren Kindern so die Möglichkeit, die Natur und uns wirklich kennenzulernen. Kein Wolf würde einen Menschen angreifen, es sei denn, er würde von ihm bedroht werden oder er wäre in einer verzweifelten Situation."
"Hm," sagte der Kleine," das verstehe ich, aber warum sind Menschen nur so grausam zu ihren Kindern?" "Ich glaube, die großen Menschen fühlen sich einfach nur hilflos gegenüber der Natur und uns Tieren, im Laufe der Jahrhunderte hat der Mensch verlernt, auf seine Instinkte zu vertrauen, er vertraut zu sehr auf die Erfindungen, die er gemacht hat.
Kaum ein Mensch ist heute noch in der Lage, mit der Natur zu reden oder mit uns. Sie fahren in Autos durch die Gegend oder fliegen in so großen Blechvögeln über die Erde. Manchmal gehen sie noch zu Fuß spazieren, aber mittlerweile macht ihnen die Natur und wir zuviel Angst, sie kennen uns meistens nur noch aus so komischen Geräten, die sie Fernseher nennen oder Büchern, viele von uns sind in Zoos eingesperrt.
Leider werden wir aber oft falsch dargestellt, erst seit einigen Jahren versuchen manche Menschen, den Anderen klar zu machen, dass wir Tiere nicht böse sind, sondern nur nach unserer natürlichen Art leben," erzählte die Tante dem kleinen Wolf.
"Was sind Zoos?" wollte der Kleine daraufhin wissen. "Das sind so große Gelände, die eingezäunt sind von den Menschen, in diesen Geländen sind so Gehege und Käfige, in denen sie wilde Tiere, so wie wir, eingesperrt haben.
Die Menschen wollen uns zwar sehen, aber sie haben zuviel Angst, dass wir ihnen etwas tun würden, deswegen sperren sie uns da ein. Bei manchen Tieren trifft es auch zu, der Grizzly Bär zum Beispiel macht da keinen Unterschied, sämtliche Lebewesen, die er sieht, hält er für Futter. Das ist aber nur sein natürliches Verhalten, er macht es nicht, weil er böse ist, er würde nie ein anderes Lebewesen einsperren zum reinen Vergnügen oder gar töten nur zum Spaß, so wie die Menschen." erklärte die Tante dem kleinen Wolf.
"Die Menschen sind komische Lebewesen," meinte der kleine Wolf, " einerseits wollen sie uns sehen und so, aber andererseits haben sie Angst vor uns."
"Ja, da hast Du recht, lächelte die Tante. "Sie haben Waffen erfunden, um sich verteidigen zu können und im Laufe der Jahre verlernt, unsere Sprache zu verstehen.
Viele von uns haben sie vor sehr langer Zeit zu Hunden umgezüchtet, damit sie sie als Schutz einsetzen können. Diese Hunde sind aber mittlerweile fast alle so überzüchtet, dass sie kaum noch überlebensfähig sind, wenn kein Mensch sich um sie kümmert.
Die Menschen bilden sich ein, das höchste Lebewesen zu sein und über allen Tieren zu stehen. Sie benutzen unsere Namen, um andere Menschen zu beleidigen oder ihnen Angst zu machen, da gibt es zum Beispiel den Ausdruck "Böser Wolf" oder "Der Wolf im Schafspelz." "So was blödes, kein Wolf würde sich je einen Schafspelz über- ziehen," meinte der Kleine lachend," boah, sind die Menschen dumm, so etwas zu sagen."
"Aber warum wollen denn die großen Menschen ihre Kinder mit Angstmachen an sich binden?" fragte er weiter. Die Tante schaute nachdenklich den Kleinen an und erwiderte," Hm, so genau weiß ich das nicht, aber ich glaube, die Menschen haben auch ihre Sprache irgendwie verlernt und ihre Vergangenheit, die der Urväter, vergessen.
Sie können nicht mehr richtig mit ihren Kindern reden und anstatt ihnen richtig zu erklären, wie es in der Natur ist, weil sie die ja gar nicht mehr richtig kennen, erfinden sie Gruselgeschichten. Das ist für sie einfacher, als wenn sie über ihre Gefühle und Ängste reden würden."
"Das verstehe ich jetzt nicht," schaute der kleine Wolf seine Tante an. "Ich versuch es Dir zu erklären," sagte die Tante daraufhin," die Menschen haben Angst vor ihrer eigenen Angst, sie wollen nach außen stark sein und wollen keine Schwäche zeigen, weißt Du, sie haben nicht nur Angst vor uns, sie haben auch Angst vor ihrer eigenen Rasse.
Dabei haben sie vergessen, dass die Angst nur ein Teil ihres natürlichen Instinktes ist, der sie vor Gefahren schützt, schützen soll. Sie denken, wenn sie ihren Kindern erzählen, dass sie Angst haben, ihnen könnte was passieren, dass die Kinder dann glauben könnten, dasss ihre Eltern sie nicht mehr beschützen könnten.
Deswegen erzählen sie lieber, wie böse wir sind und wie gefährlich die Welt ist, dabei ist der Mensch das gefährlichste Tier auf der Erde.
Die großen Menschen haben vergessen, dass man Kindern schon vieles erklären kann und dass die Kinder eigentlich in der Lage sind, auf sich aufzupassen. Die großen Menschen können sich selber nicht mehr vertrauen und dadurch auch nicht mehr ihren Kindern.
Das Traurige daran ist, dass sich das bei den Menschen über Jahrhunderte im Kopf festgesetzt hat, kaum ein Mensch ist in der Lage, wieder zu seinen Wurzeln zurückzu-finden und somit zur Natur, zu seinem natürlichen Instinkt."
"Aber den Menschen muss doch klar sein, dass ihnen ein kleiner Wolf nun wirklich nicht gefährlich werden kann oder?" fragte der Kleine wieder. "Eigentlich sollte man davon ausgehen, ja," antwortete die Tante geduldig weiter," aber leider sind die Menschen blind geworden, was das betrifft, sie erkennen das nicht mehr.
Anstatt ehrlich zu sagen, wie es ist, haben sie sich Geschichten ausgedacht. Es gibt auch den Begriff "sonst holt Dich der schwarze Mann", das soll Kinder dazu bringen, immer brav auf die Eltern zu hören.
Die Menschen haben sich so komische Sachen angewöhnt, Manieren und so, nennen sie das. Ein Menschenkind hat immer brav und lieb zu sein, danke und bitte zu sagen. Und so wird ihnen der natürliche Instinkt, der sie vor anderen Menschen schützt, die ihnen nichts Gutes wollen, ausgetrieben, indem den Kindern mit dem schwarzen Mann gedroht wird.
Menschenkinder haben es sehr schwer, ihren natürlichen Instinkt zu behalten, viele verlieren ihn durch diese Erziehung, wie dies die Menschen nennen.
Es gibt so vieles, was Du noch über die Menschen lernen musst. Da gibt es Menschen, die haben ihre natürlichen Instinkte behalten, sie geben nach wie vor die Erzählungen ihrer Vorfahren an die nächste Generation weiter und achten die Natur und die Tiere.
Nur der sogenannte moderne, zivilisierte Mensch ist gefährlich geworden, aufgrund seiner Erfindungen und seiner Meinung glaubt er, etwas Besseres als wir und die Natur zu sein."
Die Tante machte eine Pause und lächelte den kleinen Wolf fragend an," geht es Dir jetzt wieder besser?" "Ja," lächelte er seine Tante an," schon viel besser."
"Nur wie unterscheide ich die Menschen, wie erkenne ich, wer seine natürliche Instinkte behalten hat und wer nicht?" fragte der Kleine weiter.
"Da gibt es zwei Sorten Mensch, der eine, der ängstlich ist und alles, was ihm seiner Meinung nach gefährlich werden könnte, aus dem Weg räumt, und der Mensch, der voller Arroganz meint, über der Natur und uns zu stehen, das sind die Menschen, die Tiere einfach zum Spaß umbringen und als Trophäe in ihre Bauten hängen.
Während der Erste einem noch leid tun kann, ist der Zweite einfach nur noch grausam," versuchte ihm die Tante zu erklären," vor diesen Menschen musst Du Dich in acht nehmen."
"Ja, mach ich," versprach der kleine Wolf seiner Tante," schade nur das der moderne, zivilisierte Mensch so dumm geworden ist, danke, dasss Du mir das erklärt hast."
"Danke nicht mir, danke Deinen Vorfahren das sie ihre Urahnen nie vergessen haben und trage sie mit Achtung und Respekt weiter," lächelte die Tante den Kleinen nochmals an," und vergiss nie, dass die Natur uns nicht braucht, aber wir sie.
Das gilt auch für den Menschen, aber leider haben das zu viele von ihnen schon vor langer Zeit vergessen. Sei ihnen deswegen aber nicht böse, sie wissen es oft leider nicht besser, sie haben sich zu sehr von ihren Erfindungen und ihrem zivilisiertem Leben abhängig gemacht."
Unbekannter Autor
Das Foto wurde von Karin Heringshausen zur Verfügung gestellt