Start-ups in der Energiebranche sind zu einem großen Trend geworden. Kaum ein Energieversorger der sich nicht mit der Arbeitsweise und den frischen Ideen der Gründerinnen und Gründer beschäftigt. Auch immer mehr Stadtwerke wollen vom Gründergeist profitieren, um für die Anforderungen der Zukunft gerüstet zu sein. Der Blick auf die Gründer der Energiewirtschaft ist schon fast zu einem Hype geworden. Ist das noch sinnvoll, helfen die Start-ups Probleme zu lösen oder ist es nur ein Hype der wieder vorüber geht? Um diese Fragen drehte sich eine interessante Diskussion bei der BDEW Konferenz Smart Renewables am 22.02.2017 in Berlin.
Energiewende und Digitalisierung stellen Stadtwerke und Versorger vor neuen Herausforderungen
Die Energiewirtschaft steht vor großen Veränderungen. Energiewende und Digitalisierung stellen Stadtwerke und Versorger vor neue Herausforderungen. Sie müssen sich auf die Suche nach neuen Geschäftsmodellen machen bei sinkenden Margen im Vertrieb und bei einer zunehmenden Eigenversorgung mit dezentral erzeugtem Strom. Hinzu kommen neue Akteure, die mit der Digitalisierung neue Leistungen anbieten können. Der Druck sich anzupassen ist also groß.
Vor diesem Hintergrund ist das aktuelle Engagement vieler Unternehmen der Energiewirtschaft für Start-ups zu sehen. Interessant ist der Umgang der gestandenen Unternehmen mit den meist jungen Gründerinnen und Gründern. Es geht nicht darum diese Unternehmen aufzukaufen und ins eigene Unternehmen einzugliedern oder sie dann zu schließen. Das Ziel ist vor allem selbst etwas daraus zu lernen und auf Augenhöhe zu kooperieren.
Energiewirtschaft kann von den Start-ups lernen
Das war für mich eine der wesentlichen Aussagen der Diskussion auf der BDEW-Konferenz. Bei den Teilnehmern der Diskussion war auch von vornherein klar, dass niemand an der Bedeutung der Start-ups zweifelt. Auf dem Podium diskutierten Thorsten Marquardt, Managing Director des e.on :agile Accelerators, Dirk Bessau von InnoEnergy, Kai Morgenstern, Projektleiter des ausgelaufenen Projektes Energiegründer beim RKW Kompetenzzentrum und Andreas Kuhlmann, Vorsitzender der dena-Geschäftsführung. Alle engagieren sich auf unterschiedlichen Wegen für die Gründerinnen und Gründer der Energiebranche.
Möglichkeit zum Scheitern gehört zu Start-ups dazu
In den letzten Jahren haben sich viele Start-ups gegründet, damit gibt es heute viele neue Geschäftsmodelle im Energiemarkt. Doch welche davon wirklich dauerhaft bestehen können, ist noch nicht klar. Startups müssen nicht unbedingt erfolgreich sein, sie können auch scheitern. Kai Morgenstern betonte, die Möglichkeit zu scheitern gehört dazu. Wir dürfen also nicht enttäuscht sein, wenn sie morgen nicht mehr existieren. Scheitern gehört zum Wesen von Start-ups, so Kai Morgenstern.
Ob es schon Gründer aus Energie-Startups gibt, die von ihrem Scheitern bei einer sogenannten Fuck-up Night berichtet haben, ist mir nicht bekannt. Wer diese Veranstaltungen nicht kennt, dort berichten ehemalige Gründerinnen und Gründer offen vom Scheitern ihrer Startups.
Die Möglichkeit zu Scheitern ist bisher in etablieren Unternehmen nicht bekannt. Projekte müssen erfolgreich sein, sonst sind die Wachstumsziele in Gefahr oder das gesamte Unternehmen scheitert. Doch mit den vielen mutigen Start-ups wächst heute auch die Risikobereitschaft in älteren Unternehmen. Sie wollen von der Arbeitsweise der Start-ups lernen und geben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Raum neue Ideen auszuprobieren. Start-ups sind somit ein Treiber für die Änderungen in der Energielandschaft.
Energie-Start-ups bringen neue Perspektiven ein
Diese Änderungen sind notwendig, denn, so Andreas Kuhlmann, bisher wird versucht die Energiewende auf das bestehende Energiesystem aufzusetzen. Die Gründer aus den Start-ups hingegen bringen ganz neue Perspektiven ein und verbinden verschiedene Wertschöpfungen.
Start-ups können damit für die Unternehmen wichtig Impulse setzen und auch eine neue Form des Praktikums sein. Unternehmen, wie Stadtwerke, die es sich leisten können, sollten eine eigene Werkstatt für Experimente aufbauen oder andere Wege finden um von der Arbeitsweise und der Kreativität der Start-ups zu lernen. Start-ups sind damit auch eine Art Innovationskraft-Methode, sie zeigen wie man innoviert und neue Marktnischen erschließen kann.
Politik setzt den Start-ups Grenzen
Der Energiemarkt ist sehr stark reguliert, so stoßen die Start-ups in diesem Markt früher oder später an rechtliche Grenzen. Besonders schwierig wird es mit der Internationalisierung, wenn in jedem Land andere Vorschriften gelten. Die Politik müsse den Markt erleichtern, so Thorsten Marquardt. Und Dirk Bessau ergänzte, dass mehr Gemeinsamkeiten und Flexibilität in Europa notwendig sei.
Auch die Politik muss sich an die Änderungen anpassen und den Unternehmen mehr Raum geben. Andreas Kuhlmann hat das so formuliert, dass sich die Politik nicht länger hinter den Weisheiten vergangener Jahre verbergen darf, sie muss sich auch öffnen und neugieriger werden. Als Beispiel gibt er die neue Netzflex-Studie der dena an, die sie zusammen mit jungen und alten Unternehmen erstellt haben.
Start-ups zeigen der Energiewirtschaft die Chancen auf
Große Teile der Energiewirtschaft haben bereits begriffen, dass sich etwas ändert und dass sie sich auch ändern müssen, um zu überleben. Es entsteht ein neuer Markt an den sich die Unternehmen anpassen, so Kai Morgenstern.Auch Andreas Kuhlmann sieht eine stark erkennbare und wachsende Akzeptanz der Veränderungen am Markt, die mit großem Interesse an den Aktivitäten der Start-ups einher gehen. In seinem Statement betonte Thorsten Marquardt, dass große Chancen vor uns liegen und wir keine Verteidungsstellung gehen sollten. Er glaubt an den Markt und die Marktteilnehmer.
Start-ups der Energiewirtschaft stehen erst am Anfang
Die Entwicklung der Energie-Start-ups steht heute erst am Anfang. Ihre Anzahl ist in den letzten Jahren gefühlt deutlich angewachsen. Doch in der Startup-Landschaft in Deutschland spielen sie eher eine Nebenrolle. Gemessen am Risikokapital liegt die Branche auf dem 6.Platz in 2016 mit 230 Mio. Euro (2015: 39 Mio. Euro) , diese verteilen sich aber nur auf zehn Finanzierungsrunden (Quelle: EY-Startup-Barometer).
Für die Energiebranche ist es schwerer als in anderen Branchen große Investoren anzuziehen, so Dirk Bessau in der Diskussion. Hinzu kommt, dass Hardware-Produkte schwerer skaliert werden können als rein digitale Angebote, wie Kai Morgenstern betont. Es ist also noch viel zu tun für ein optimales Umfeld für Gründerinnen und Gründer. Der BDEW könnte diese Chance nutzen und ein Forum schaffen für die Start-ups, schlug Kai Morgenstern vor.
Das Schlusswort der Diskussion von Thorsten Marquardt kann ich nur unterstreichen, die Energiewende sollte als Geschäftschance erkannt werden. Dazu brauchen wir mehr Start-ups. Die aktuellen Rahmenbedingungen sind nicht schlecht für Gründungen, wir müssen aber mehr dazu ermutigen, über den Tellerrand schauen und Kooperationen auch mit anderen Branchen eingehen.