"Simpler": Ist einfacher die Zukunft des Regierens? (Teil 1)

Muss die staatliche Bürokratie ein schier undurchdringlicher Dschungel aus Vorschriften und Regulierungen sein, die ein normaler Mensch praktisch nicht verstehen kann? Ist es volkswirtschaftlich sinnvoll, hunderte und tausende von Seiten Anträge jedes Jahr von Bürgern und Unternehmen ausfüllen zu lassen und diese dann auszuwerten? Ist es nicht sogar extrem schädlich? Und, vor allem – wie können wir das verändern? Cass Sunstein, von 2009-2012 Chef der OIRA, der obersten Regulierungsbehörde der USA, hat in seinem Buch „Simpler – The Future of Government“ versucht, diese Fragen zu beantworten.


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Sunstein beschreibt zu diesem Zweck drei große Säulen, auf denen seine Arbeit bei der OIRA ruhte: Die erste ist die Kosten-Nutzen-Analyse, die gewissermaßen das zentrale Arbeitsfeld der Behörde darstellt. Unter Ronald Reagan gegründet war es ihr Auftrag, sämtliche Regulierungsvorhaben von Regierung und Kongress daraufhin abzuklopfen, ob sie leisten konnten, was sie versprachen und die Kosten im Verhältnis zum Nutzen stehen würden. Seit Reagans Tagen hat sich die Kosten-Nutzen-Analyse von einer rein betriebswirtschaftlichen Sicht deutlich verbreitert und beinhaltet nun auch eher progressive Elemente wie Umweltschäden oder die Beseitigung von Diskriminierung und die Verbesserung von Lebensqualität, bleibt aber ihrem betriebswirtschaftlichem Kern trotz allem verpflichtet. Die zweite Säule ist das titelgebende „Simpler Government“, also der Versuch, sämtliches staatliches Interagieren mit den Bürgern deutlich zu vereinfachen. Dies beginnt bei der verständlichen Bezeichnung von Sachverhalten, geht über das Reduzieren nutzloser Formulare über Abkürzungen im Prozess und das Eliminieren von Anforderungen. Dieses Element kam massiv unter Obama zum Aufgabenbereich der OIRA und soll nach Vorstellung Sunsteins jedes Jahr Milliardenbeträge an Opportunitätskosten einsparen. Beispiele umfassen die Erleichterung zum Zugang für Collegeförderung, um armen Familien bessere Chancen zu geben (nicht eine Veränderung der Leistungen oder Anforderungen – es geht lediglich um die Vereinfachung der Anträge) oder die Reduzierung von Papierkram für Unternehmensgründungen. Die dritte Säule ist, was Sunstein als „nudging“ bezeichnet und was sich holprig mit einem sanften Stoß mit dem Ellenbogen übersetzen lässt. Es ist das zweite Merkmal seiner Tätigkeit bei der OIRA und sein eigentliches Herzensanliegen. Hier geht es darum, wie man möglichst ohne Vorschriften die Bürger und Unternehmen zu besseren Entscheidungen bringt und die Kräfte des freien Markts dafür nutzt. Das Nudging ist mit Sicherheit der kontroverseste Teil seiner Ideen, und es lohnt sich, sich ausführlich damit auseinanderzusetzen. Aber auch die anderen Themen sind von entscheidender Bedeutung für die Richtung, die Regieren in Zukunft nehmen kann und soll. Wenn Sunsteins vollmundige Ankündigungen (die man wegen seiner persönlichen Verwicklung mit einer gehörigen Dosis Vorsicht genießen sollte) wahr sind, so haben „Simpler“ und „Nudging“ tatsächlich das Zeug dazu, das Regieren deutlich bürgernäher und effizienter zu gestalten - beides Ziele, die wohl niemand ablehnen will und für die es sich zu kämpfen lohnt. Wir werden in den nächsten Wochen im Rahmen unseres Seminars hier bei Deliberation Daily über einzelne Aspekte von Sunsteins Analyse und Lösungsvorschlägen sprechen. Wir wollen dabei nicht bei einer reinen Vorstellung stehen bleiben, sondern sie einem Realitätscheck gerade auch in der bundesdeutschen Wirklichkeit unterziehen und untersuchen, inwiefern sie sich tatsächlich als Instrument eignen, das dazu angetan ist, die üblichen Parteien- und Ideologiegrenzen zu überschreiten. Wir möchten unsere Leser einladen, mitzudiskutieren und sich in die Debatte einzubringen. In der nächsten Folge des Online-Seminars: Warum eigentlich überhaupt einfacher? Welche Bedeutung Einfachheit in allen Ebenen besitzt. „Simpler – The Future of Government“ ist bei Amazon gedruckt oder als eBook erhältlich und kostet 19,99 bzw. 9,99 Euro.


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