„Sie sehen aber gut aus“

Diesen Satz sagte meine neue Friseurin heute im Laufe des Gesprächs zu mir. Das hört man natürlich gerne. Noch mehr hätte ich mich gefreut, wenn der Satz nicht wie folgt weiter gegangen wäre: „, dafür, dass Sie Krebs haben. Das sieht man Ihnen gar nicht an.“

Ich sollte dazu erwähnen, dass die neue Friseurin aus unserem Dorf ist und, wie das auf einem Dorf nun mal so ist, natürlich alles über jeden weiß. Das stört mich nicht besonders, da sie wirklich nett ist und nicht übertrieben neugierig oder aufdringlich. Vom Gassigehen kenne ich sie schon länger, nun war ich das erste Mal zum Haarschneiden bei ihr. Eine wirklich gute Empfehlung unserer Vermieterin (Haare sitzen perfekt).

Sie hat es auch nicht böse gemeint, das weiß ich. Als sie meine etwas entgleisten Gesichtszüge sah, betonte sie das auch sofort. Unsere Vermieterin hätte in den höchsten Tönen von uns (mir und meinem Mann) geschwärmt, wie nett wir wären und wie sehr sie sich freuen würde, dass wir bei ihr wohnen und dass es ihr ja so leid tun würde, dass ich so krank bin usw. usw.

Ich beruhigte sie, dass es schon in Ordnung wäre, dass ich mit meiner Krankheit offen umgehen würde, es mir im Moment gut gehe und bedankte mich auch für das Kompliment.

Sie hat ja Recht, man sieht es mir nicht an, dass ich Krebs habe. Keine Augenringe, gesunde Hautfarbe, alle Haare noch da (die an den Beinen kommen leider auch gerade wieder), nicht ungesund dünn (ich arbeite daran… also, gesund dünn auszusehen). Alles normal, meine Narben sieht ja keiner, wenn ich angezogen bin und an guten Tagen laufe ich auch ganz normal.

Meine Mutter sagt mir jedes Mal, wenn sie mich sieht, wie gesund ich doch aussehe und fügt gerne hinzu: Yippieh, (das sagt sie nicht, ich füge es gedanklich hinzu) Du bist wieder vollkommen gesund und kannst jetzt alles mit mir erledigen, was so anliegt. Jetzt können wir uns endlich wieder ausschließlich um meine Belange kümmern. Ich habe jetzt wirklich lange genug zurückgesteckt. Wurde ja auch mal Zeit, dass das bei Dir weggeht. So lange kann man ja gar nicht krank sein. Irgendwann muss doch auch mal gut sein.“

„Sehr gerne“ höre ich auch die aufmunternden Worte der Nachbarin meiner Mutter: „Na, jetzt kann Mutti endlich wieder etwas mehr raus, wo Sie wieder gesund sind.“

Oder, noch lieber: „Da sind wir ja alle froh, dass es doch nicht so schlimm war. Sogar die Haare sind ja dran geblieben.“ (von einer ehemaligen Kollegin)

Und, genauso gut: „Na, wieder gesund? War doch kein Krebs, oder?“ (die nette Verkäuferin aus dem Zeitungskiosk, die meine Mutter vollumfänglich über meine Krankheit informiert hatte).

Ich bin zufrieden und freue mich über mein normales Aussehen. Trotzdem stellen sich mir leicht die Nackenhaare auf bei solch nett gemeinten Komplimenten.

Das ist so ein Kopfding bei mir. Ich möchte nicht als „krank“ eingestuft und behandelt werden. Aber, mich rechtfertigen zu müssen, dass etwas nicht oder nur beschwerlich geht, nervt schon etwas.

Ich weiß, ich bin empfindlich, was Aussagen und gut gemeinte Ratschläge meiner Mitmenschen angeht. Aber, ich weiß auch, wie schlecht es mir ging (selbst in der Zeit sah ich wohl, nach Aussage meiner Mutter, „sehr gut“ aus…) und jederzeit wieder gehen kann. So ein Sarkom kann jederzeit wiederkommen. Die Wahrscheinlichkeit ist leider auch sehr hoch, dass irgendwo in meinem Körper ein neuer Tumor vor sich hinwächst, der dann irgendwann bei einer Kontrolluntersuchung entdeckt wird (das hat mein Arzt mir bei unserem letzten Gespräch vorsichtig beigebracht).

Ich bin nicht mehr so leistungsfähig wie früher und werde es wohl auch nie wieder sein.  Damit lebe ich und akzeptiere es auch so langsam. Die Angst, dass etwas gefunden wird, ist bei jeder Untersuchung da und jeder kleine Gnubbel wird von mir misstrauisch beäugt. Jeder Schmerz hinterfragt und erst einmal als ungewöhnlich eingestuft.

Gerne würde ich auch voller Überzeugung sagen, „YIPPIEH, ICH BIN GESUND!“. Mein Arzt bremst mich dann aus und schränkt ein „Ja, vielleicht werden Sie irgendwann wieder ganz gesund, das kann ich Ihnen aber nicht versprechen.“

Ein Blick in den Spiegel sagt mir heute, „ich sehe aber gut aus“. Das genieße ich dann mal😉



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