Sicht eines Mitteleuropäers auf Iran

Sicht eines Mitteleuropäers auf Iran

08.05.2011Artikel zu Iran Hintergrund erstellt von Dr. Hans-Joachim Fuchs

Beitrag von Dr. Hans-Joachim Fuchs bei der Konferenz "Vielvölkerstaat Iran" am 30. April in Wien

Sicht eines Mitteleuropäers auf Iran

Dr. Hans-Joachim Fuchs

"Vielen Dank für Ihre freundliche Einladung. Mein Name ist Hans-Joachim Fuchs. Ich kam 1973 als Medizinstudent von West-Berlin nach Wien, habe mein Studium hier abgeschlossen und mich 1985 als Arzt für Allgemeinmedizin in Wien niedergelassen. Zu dieser Zeit habe ich auch meine kurdischen Freunde kennen gelernt. Vor fünf Jahren haben wir in Wien die Österreichisch-Kurdische Gesellschaft für Wissenschafts-und Kulturaustausch gegründet und seither eine Reihe von Veranstaltungen durchgeführt. Neben informativen Treffen mit Kurden aus allen Staaten habe wir Symposien abgehalten zu den Themen: "Dreißig Jahre Kurden in Österreich",  "20 Jahre Halabja - Völkermord an Kurden", "zum 20.Jahrestag des Terroranschlags auf Dr.Ghassemlou in Wien" und kürzlich erst am 6.April 2011: "über die Massenflucht der Kurden im Jahr 1991 und UNO-Resolution 688". 
Solche Österreichisch-ausländischen Gesellschaften sind ganz normal. Nicht normal ist das fehlende Selbstbestimmungsrecht der Kurden im Iran, in der Türkei und in Syrien.
Als Mitteleuropäer, der den Iran wahrnimmt, möchte ich meine Eindrücke vom Vielvölkerstaat Iran kurz skizzieren:
Bereits um 1500 vor Chr.ist der Beginn der Eisenzeit im Iran zu datieren. Erst 800 v.Chr. kamen nach dem Thrako-Kymerischen Zug in Mittel- und Westeuropa Artefakte aus Eisen vor. In der technologisch-zivilisatorischen Entwicklung gab es also einen Riesenvorsprung in Asien.
600 v.Chr. wirkte Zardasht (Zoroaster, Zarathustra) im Iran; mit der Eroberung Babylons und des Reichs der Meder ergriffen Perser die Weltmacht. 490 v.Chr. scheiterte Xerxes in der Schlacht von Marathon an den Spartanern. 333 v.Chr. wurde Dareios von Alexander dem Mazedonier besiegt. Im Römischen Weltreich spielte der Kult um den persischen Gott, Mithras, jahrhundertelang eine bedeutende Rolle. Das ist auch in Carnuntum, der ehemaligen römischen Garnisonstadt östlich von Wien, archäologisch evident. Diese historischen Abläufe erscheinen mir wichtig, um die Globalisierung, um die enge Verbundenheit von Europa mit dem Orient bereits in der Antike und bis heute zu verstehen.
Im zwanzigsten Jahrhundert erlebte ich am 2.Juni 1967 die Schahdemonstration vor der Deutschen Oper in West-Berlin. Durch seine mit Schlagstöcken und Stahlruten bewaffnete Leibgarde ließ der Schah Reza Pahlevi die deutschen und iranischen Studenten verprügeln, die gegen ihn demonstrierten. So trug er seine Gewalt in unsere Stadt.
Im Laufe der Demonstration eskalierte die Gewalt, und es wurde der Student, Benno Ohnesorg, von dem Polizisten Karl-Heinz Kurras, in den Hinterkopf geschossen, so daß dieser starb. Dieser Todesschuß und der Freispruch im darauf folgenden Strafprozess  trugen wesentlich zur Radikalisierung der deutschen Studentenbewegung bei. Erst viel später wurde ich durch meine kurdischen Freunde auf wesentliche politische Zusammenhänge des Irans aufmerksam:
1945-1946 die erste Kurdische Republik von Mahabad; 1951-1953 war Mohammad
Mossadegh Premierminister des Iran; Schah Reza Pahlavi als gefeierter Monarch in Europa mit besten Beziehungen zum westlichen Boulevard und zum westlichen Jet Set. Dann kam die von ihm verursachte erste Ölkrise 1974, 1978 der Volksaufstand gegen den Schah, die Machtergreifung des Ayatollah Khomeini und seine Ausrufung der "Islamischen Republik".
Die Österreichische Bundesregierung hielt die zur Zeit der Schah-Regierung mit dem Iran geschlossenen Wirtschaftsverräge dennoch ein. Im Iran-Irak Krieg, der hauptsächlich in Kurdistan ausgetragen wurde, wurden die Norikum-Kanonen entgegen dem in der Österreichschen Verfassung verankerten Waffenexportverbots in kriegführende Staaten an den Irak und an den Iran geliefert.
Erst 1993 wurden die dafür verantwortlichen Manager wegen Neutralitätsgefährdung vor Gericht schuldig gesprochen. 1989,nach dem Ende des Iran-Irak-Krieges, wurde Dr.Ghassemlou im Auftrag der Iranischen Regierung in Wien ermordet. Im Jahr zuvor habe ich ihn persönlich kennen gelernt; er war ein sehr sympathischer Mensch, als Universitätslehrer an der Sorbonne, als Diplomat und als Vertreter der Demokratischen Partei Kurdistan/Iran in der Sozialistischen Internationale ein ganz hervorragender Repräsentant der Kurden im Iran. Er hatte sehr viele Freunde in Europa, darunter den heutigen Präsidenten der Republik Österreich, Dr.Heinz Fischer. Sehr enttäuscht hat mich das Verhalten der Österreichischen Bundesregierung nach dem Attentat: Obwohl die Wiener Polizei sofort im Bilde war, da eine Kieferverletzung, vermutlich durch einen Querschläger durch eine auf seine Opfer abgefeuerte MP-Salve, die Flucht von Herrn Shaharoudi, eines iranischen Militärkommandanten, mit dem zuvor in Wien gekauften Motorrad vereitelte, behaupteten die österreichischen Pressesprecher noch monatelang die iranische Regierungsversion des Tathergangs, es handelte sich um ein Attentat einer rivalisierenden Kurdengruppe. Es ist mir völlig unverständlich, und es empört mich bis heute, daß unsere europäischen Werte in diesem Fall so gar keine Rolle spielen sollten. Der Prozeß zur Aufklärung dieses Attentats wurde bis heute in Österreich nicht geführt. Durch meine ärztliche Praxis, ich betreue seit Jahrzehnuten viele Flüchtlinge in meiner Allgemeinpraxis in Wien, kenne ich viele Asylwerber und Asylempfänger aus dem Iran, die nicht nur aus politischen oder religösen Gründen staatlich verfolgt, sondern auch durch Folter in iranischen Gefängnissen schwerst geschädigt wurden. In den letzten Jahren ist es immer wieder vorgekommen, daß diese Personen wieder in den Iran gereist sind, weil sie ihre alte Mutter noch einmal besuchen wollten. Vor dem Rückflug wurden sie von der iranischen Polizei stundenlangen Verhören unterzogen. Im Verlauf dieser Verhöre hat man ihnen nachgewiesen, daß man über alle Einzelheiten ihrer Existenz in Österreich ausgezeichnet informiert ist. Diese Verhöre haben regelmäßig eine psychisch vernichtende Wirkung bei den Betroffenen entfaltet. Die iranische Regierung stiftet durch intensive Bespitzelung der Iraner in der Diaspora großes Misstrauen und große Verunsicherung. Auch dies ist als politische Verfolgung, Einschüchterung und Lähmung oppositioneller Aktivitäten zu bewerten.

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