Sich selbst gegenüber selbstgerecht

Fußballer und ihre Fans seien alle irgendwie nicht ganz auf der Höhe. Das ist jedenfalls eine populäre Meinung bei Leuten, die Fußball nicht mögen. Jeder Fußballhasser, der die Bilder von der die Mitglieder-Versammlung des FC Bayern gesehen hat, muss nun annehmen: Das ist nicht nur ein Gerücht oder eine böswillige Behauptung, sondern die absolute Wahrheit.
Sich selbst gegenüber selbstgerechtEuropas Krone des Vereinsfußballs und ihre Protagonisten haben eindrucksvoll bewiesen, aus welchem Weichholz sie geschnitzt sind. Das Vereinsmitglied, das aus der Versammlung stürmte und einem Reporter "Super is a, unsa Chef!" ins Mikro mähte, war da lediglich ein Höhepunkt des geistigen Tiefflugs oder ein Tiefpunkt des anti-intellektuellen Höhenflugs. Und das Hochleben des Steuerhinterziehers, das "Uli, Uli, Uli!"-Gerufe war auch nicht gerade von klugen Eltern. Nach dem Ende der Veranstaltung war deutlich, dass sich selten eine so riesige Masse von lauter Dummköpfen in Münchens Straßen ergoß. Und es haben sich schon oft dumme Massen aus Münchner Bierkellern an die frische Luft bewegt.

Und dann die Vereinsoberen, diese sich in plumper Selbstgerechtigkeit suhlende Mischpoke aus unverzollten und unversteuerten Herren, die sich gegenseitig die Eier schauckelten und den gebeutelten, ungerecht behandelten Wurstfabrikanten zu Tränen rührten. Ein Dokument bayerischer Geistesträgheit gab es ja schon Tage zuvor, als der ewige Kaiser (der zwar im Verein nichts mehr tut, der aber aus dem Kielwasser dieses Vereines ungefähr so nicht wegzudenken ist, wie Katzenstreu als Hinterlassenschaft kätzischen Tatzenabstreifens vor dem Katzenklo) die Sklavenarbeit in Katar ausschloss, weil er keine Ketten und Eisenkugeln mit eigenen Augen gesehen hatte.
"Mein Problem ist, dass ich immer sehr selbstkritisch bin, auch mir selbst gegenüber", sagte Andreas Möller mal. Das Problem der FC Bayern-Führung ist eher, dass sie selbstgerecht ist, auch sich selbst gegenüber.
Wenn man Hohlköpfen ein Forum gibt, wird es entweder peinlich oder, wenn sie sich besonders wichtig nehmen, gefährlich. Diese Kavaliere heulen sich nicht nur ihre Flecken von der Weste, sondern fördern ganz kalkuliert eine Staats- und Steuerverdrossenheit, nehmen es ihn Kauf, dass ihre Vereinsmitglieder mit ihnen gegen einen Staat wettern, der dem armen Uli an seine leistungsbezogenen Gelder will. Und wenn erstmal alle eingeschworen sind, dann kann man auch ganz großzügig seine Mitglieder nach Verbleib oder Abtritt befragen. Diese Abfragerei ist nicht nur ein kurioser Witz, sondern eine großspurige Liebesbezeugung auf Abruf, die sich diese Bande von feinen Herren mal schnell selbst gönnt.
Wobei eine Abwahl des Herrn Hoeneß gar nicht notwendig ist. Dieser Mann ist genau der richtige Vereinsboss für genau den richtigen Verein. Er ist das Gesicht der bayerischen Verquickung von Sport und Politik, von elitärem Dünkel und Nepotismus, von Begünstigung und selbstgefälliger Inszenierung. Ein anständiger Mann an der Spitze dieses Vereins wäre ungefähr so, als würden sich die katholischen Kardinäle im Konklave für einen homosexuellen Stricher aussprechen.
Der FC Bayern erlebt einerseits seine sportlich erfolgreichste Zeit, scheint unschlagbar, und gleichzeitig sitzen dem Verein Macker vor, die so elegant sind, wie manche ihrer Spieler. Nur auf etwas andere Weise. Wie Ribery antäuscht und sich vorbeidribbelt, so täuschen auch sie und dribbeln schnell zu ruchlosen Lobeshymnen und Beteuerungen weiter, so wie Beckenbauer neulich, als er sagte, dass "da Uli" eigentlich nicht bestraft werden sollte, weil er einen Fehler nicht nur gemacht, sondern eben auch zugegeben habe und weil man verzeihen können sollte. Und freilich, der Mann hat doch auch so viel Gutes gemacht. Bratwürste zum Beispiel. Man sollte diesem intellektuellen Offenbarungseid auf zwei Beinen namens Franzl mal gehörig in den Arsch treten und gleich feststellen, dass dieser Tritt ein Fehler war. Beckenbauer wird dann sicherlich verzeihen und nicht wollen, dass man bestraft wird.
Ich werde jedenfalls den Eindruck nicht los, dass der Erfolg eines Vereins wie es der FC Bayern München ist, bei gleichzeitigem Auftritt einer moralisch verwilderten Führung, irgendwie kein Zufall ist. Ich glaube, das muss so sein, ist nur folgerichtig.
Für mich, seit Kindesbeinen Anhänger des ehemaligen Arbeitervereins Münchens, der Löwen, und notorischen Bayernhasser (was sich aus der Sympathie zum TSV 1860 ergibt), wäre diese Ära des unschlagbaren FC Bayern eigentlich ein Alptraum, würde ich mich noch ausreichend für das Metier interessieren. Tue ich aber nicht. Die weitverbreitete Dummheit von Spielern, Funktionären und Fans hat mich weggeekelt. Und die Mitgliederversammlung des FC Bayern hat mich bestätigt: Fußball ist ein toller Sport. Aber wie schön wäre dieser Fußball ohne Fußballer und ohne Funktionäre und ohne viele Fans.
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