Und wie Sie das lernen können.
Freunde zu haben, ist wichtig. Freunde, die einen, wenn's einem schlecht geht aufmuntern, trösten, Mut machen, zuhören und Verständnis zeigen. Das wünscht man sich von guten Freunden.
Genauso wichtig ist aber auch, sich selbst ein guter Freund zu sein.
Für viele Menschen ist das schwieriger als es klingt. Dazu muss man nur so jemandem zuhören, wenn mal was daneben geht. Meist hört man zahlreiche Kommentare wie:
- "Wie konnte ich nur so blöd sein?"
- "Das ist mal wieder typisch. Nicht mal das kriege ich hin."
- "Das ist allein meine Schuld!"
- "Genau wie damals. Ich hätte es besser wissen müssen."
- "Ich bin einfach unfähig."
Dem Betreffenden fallen diese negativen, aggressiven Selbstabwertungen gar nicht mal sonderlich auf. Weil er sie kennt und völlig damit idientifiziert ist.
Vielleicht würde er/sie erkennen, wenn ein guter Freund so reden würde. Vielleicht würde sich dann Widerspruch regen. ("So blöd bin ich nun auch wieder nicht.") Weil der Kommentar von außen kommt. Kommt er von einem selbst, fehlt uns meist die Beobachtungsdistanz.
Die Kommentare sind im Kern Eltern-Kommentare.
Also, überforderte und genervte Eltern sagen solche Sachen schon mal zu ihren Kindern. Meinen es vielleicht auch so - oder entschuldigen sich manchmal hinterher und nehmen die Bemerkung zurück.
Das, was wir von den Eltern gehört und vorgelebt bekommen, verinnerlichen wir oft. Entweder indem wir es genau so übernehmen, also glauben. Oder indem wir uns dagegen auflehnen und das Gegenteil zu beweisen versuchen ("Dir werde ich zeigen, dass Du unrecht hast!")
Gnadenlose Selbstkritik, übertriebene Selbstbeschuldigung, unsinnige Perfektions-Ansprüche usw. zeigen, dass jemand in manchen Situationen nicht auf seiner Seite steht. Sondern auf der Seite eines ominösen Staatsanwalts.
Wie wird man mit sich Freund?
Entscheidend ist die Achtsamkeit.
Damit Sie den Moment erwischen, wo Sie sich abwerten. Wo Sie wieder an sich rumnörgeln. Wo Sie sich mit anderen negativ vergleichen.
Das ist der Moment, wo Sie sich entscheiden können. Will ich gegen mich sein? Oder will ich mein Freund/meine Freundin sein?
Gute Gelegenheiten, sich das zu fragen, sind folgende Gelegenheiten:
- Wenn Sie sich schlecht fühlen.
Traurig, verletzt, besorgt, enttäuscht, schlecht behandelt, frustriert, gestresst, irritiert. - Wenn Sie jemand unter Druck setzen will.
- Wenn Sie sich etwas vorgenommen haben, von dem Sie wissen, dass es Ihnen gut tut - und Sie dennoch nicht entsprechend handeln.
Ihr Fitnessprogramm. Die fällige Bewerbung schreiben. Mit Rauchen aufhören. Ein klärendes Gespräch mit Ihrem Chef oder Ihrem Partner führen.
Probieren Sie in diesen Momenten, eine liebevolle, mitfühlende Energie in sich aufzurufen.
Das geht. In weniger als fünf Sekunden.
Stellen Sie sich einfach vor, ein anderes Lebewesen wäre in Not. Ein Kind, das sich im Kaufhaus verlaufen hat. Ein Tier, das dringend Hilfe braucht. Ein guter Freund, dem es dreckig geht.
Würden Sie jetzt sagen: "Das ist allein Deine Schuld!" oder "Mal wieder typisch für dich!" Sicher nicht, Ihre liebevolle Herzenergie wäre sofort zur Stelle.
Und jetzt richten Sie diese Energie auf sich selbst.
Vielleicht indem Sie die Augen schließen. Und die Hand auf Ihre Herzgegend legen. Zwei-, drei Mal tief atmen. Vielleicht gibt es einen guten, unterstützenden Satz, der Ihnen einfällt, und den Sie zu sich sagen möchten oder nur denken.
Vielleicht taucht auch ein Bedürfnis oder ein Impuls, was Sie jetzt noch tun könnten. Und dann tun Sie das.
Selbstfürsorge ist wichtig, um gesund zu bleiben.
Oder es wieder zu werden.
Ich arbeite öfter mit Burnout-Klienten. Da lässt sich immer wieder beobachten, dass jemand jahrelang Warnsignale des Körpers und der Psyche überhört oder verdrängt hat. Meist mit inneren Kommentaren:
- "Jetzt stell dich nicht so an."
- "Hör auf, dich selbst zu bemitleiden!"
- "Gut ist nicht gut genug."
- "Ausruhen kann ich mich, wenn ich tot bin."
Solche wiederholten Gedankenmuster verändern mit der Zeit die Datenautobahnen im Gehirn und vor allem beeinflussen sie unseren Umgang mit Anforderungen und Stress.
Sich selbst ein Freund, eine Freundin zu sein. Die beste Einstellung zu sich selbst, die Sie wählen können.
Zum Beispiel jetzt?
PS: Da man im Alltag die Achtsamkeit immer wieder vergessen kann, habe ich ein paar Tassen gestaltet, die einen daran erinnern können. Link steht unten.
Und was tun Sie, um sich ein Freund zu sein?
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