Sherlock Holmes: Rathbone-Filmserie 1939-46

Sherlock Holmes: Rathbone-Filmserie 1939-46Als Vorbereitung auf Sherlock hab ich mal die Uni-Videothek ausgebeutet und vier Filme der Sherlock-Holmes-Filmreihe mit Basil Rathbone als Holmes und Nigel Bruce als Watson mitgenommen: The Secret Weapon, The Woman in Green, Terror by the Night und Dressed to Kill.
Moffat und Gatiss versetzen in ihrer Adaption Sherlock Holmes in die heutige Zeit – eine Idee, die keinesfalls neu ist. Vielmehr tat das die überwiegende Mehrheit der Filme aus der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts, nur, dass das damals noch keinen so großen Unterschied machte. Die Filmreihe mit Rathbone und Bruce ist tatsächlich die erste, die ihre Handlung in die Viktorianische Zeit zurücklegte – allerdings auch nur für die ersten beiden Filme, für den Rest wurde Holmes in die Gegenwart geholt.
Die vier hier besprochenen Filme sind alle ziemlich kurz (ca 70 Minuten) und mäßig unterhaltsam:

The Secret Weapon (1943)

Story: Sherlock Holmes bringt einen Wissenschaftler aus der Schweiz nach England, der eine neuartige Bombenzielmechanik erfunden hat, die auf keinen Fall in die Hände der Nazis fallen darf. Doch dann wird dieser in England entführt…

Sherlock Holmes: Rathbone-Filmserie 1939-46Die USA waren gerade in den Zweiten Weltkrieg eingetreten, also durfte auch Sherlock Holmes seinen Teil fürs Vaterland tun und gegen Nazis antreten. Was kein Problem wäre, wenn es stimmiger umgesetzt worden wäre: Der Film hat ziemlich wenig von einer Holmes-Detektivgeschichte und wirkt viel eher wie ein typisches Spionage-Abenteuer – Holmes löst den Fall nicht durch brillante Schlussfolgerungen, sondern durch Entschlüsselung von Codes, Tricks und Verkleidungen. Und natürlich passt auch die ganze Bomben-Geschichte mit kriegsentscheidender Bedeutung besser zu einem Agentenfilm als zu Sherlock Holmes.

Basil Rathbone gibt einen ganz ordentlichen Holmes ab – hier eben mehr Agent als Detektiv, die seltsame Frisur irritiert etwas, und er ist viel zu normal und charmant für Holmes – aber es macht Spaß ihm zuzusehen. Ich kenne Rathbone ja bisher vor allem als Schurke in Errol-Flynn-Abenteuern, wo man ihm nicht so richtig Aufmerksamkeit schenken kann, schön also, ihn hier mal als Helden zu haben.

Watson ist halt leider ein Volltrottel. Was nicht nur kein bisschen zum Buch-Watson passt, sondern vor allem einfach keinen Sinn ergibt: Unter keinen Umständen wäre ein Mann wie Holmes mit einem Dödel wie diesem Watson befreundet. Aber es hat sich wohl jemand gedacht, Holmes würde noch viel klüger aussehen, wenn man ihn nur zusammen mit Idioten sieht, und deshalb haben wir einen trotteligen Watson und einen ebenfalls ziemlich stümperhaften Inspector Lestrade.

Der Award für die beste Setdekoration in diesem Film geht ganz eindeutig an einen Gegenstand auf Moriartys Schreibtisch: Der Gute hat nämlich einen Abakus, der anstelle von Kugeln Totenköpfe hat. Seeeehr unauffällig. Aber wer zu den gerissensten Verbrechern der Welt gehört, will sich halt stilgerecht einrichten.

The Woman in Green (1945)

Story: Eine grausame Mordserie an Frauen erschüttert London, und Holmes vermutet, dass dahinter kein irrer Serienmörder, sondern ein größeres Komplott steckt. Und was hat eine geheimnissvolle Frau damit zu tun?

Sherlock Holmes: Rathbone-Filmserie 1939-46The Woman in Green fühlt sich sehr viel mehr nach Sherlock Holmes an als noch The Secret Weapon, hier müssen wir nicht mehr Kriegsgeheimnisse beschützen, sondern ganz simpel eine unerklärliche Mordserie aufdecken, was Holmes typischer klärt. Damit ist auch Rathbones Holmes typischer

Watson darf diesmal immerhin ein paar sinnvolle Sachen zu einer Schusswunde sagen, steht aber sonst auch nur mit dümmlichen “Hä? Was passiert? Wo bin ich überhaupt?”-Gesichtsausdruck herum, und dient mit seiner Trotteligkeit für etwas Comic Relief. Ächz.

Wie auch The Secret Weapon ist auch dies hier eine Moriarty-Story, was gerade auch deswegen nett ist (und soviel Spoiler erlaub ich mir hier mal), weil Moriarty dort ja schon zu Tode kam. Nachdem er schon in einem Film vor Secret Weapon eigentlich gestorben ist. Und dann in diesem Film nochmal von einem anderen “Tod” Moriartys erzählt wird. Und er dann am Ende nochmal stirbt. Man kann da dann nur noch kichern und möchte fast “Oh my god! They killed Moriarty! – You bastards!” schreien – vor allem eben, wenn man diese beiden Filme hintereinander guckt.
Aber Moriarty ist nicht nur unfreiwillig komisch, sondern auch ganz toll, weil er von Henry Daniell dargestellt wird – den man wie Rathbone als Flynn-Widersacher kennt (Sea Hawk). Schade, dass wir keinen Fechtkampf zwischen den beiden bekommen.

Terror By Night (1946)

Story: In einem Zug nach Schottland wird der Sohn einer reichen Adligen ermordet und ein wertvoller Diamant gestohlen. Holmes, Watson und Inspector Lestrade müssen den Mörder unter den Fahrgästen finden…

Sherlock Holmes: Rathbone-Filmserie 1939-46

Die ganze Handlung findet in einem Zugabteil statt – dieses eng eingeschränkte Set sorgt für ganz gute Atmosphäre, auch wenn sich so alles etwas mehr nach “Murder in the Orient-Express” anfühlt als nach ordentlichem Sherlock Holmes. Spannung kommt aber trotzdem nicht auf, dafür sorgt die ständige Komik und vor allem die emotionale Distanziertheit, die alle Figuren zeigen, und die sich so auch auf die Zuschauer überträgt. Das gilt für die gesamte Filmreihe, hier merkt man es mal wieder besonders, wenn eine Mutter sich vom Tod ihres Sohnes nicht weiter stören lässt, und auch Holmes die Morde weit weniger schlimm wiegt als Diebstahl.

Die Comic Relief Einsätze sind diesmal wieder besonders lästig, vor allem wenn Dödel-Watson daran beteiligt  ist. Bruces Watson ist hier nämlich mehr denn je zurück im Volltrottel-Modus, man ächzt schon immer wenn er im Bild auftaucht; ähnliches gilt für Lestrade – das Holmes von so viel Inkompetenz umgeben überhaupt irgendwas machen kann, grenzt an ein Wunder.

Dressed to Kill (1946)

Story: Eine mysteriöse Frau hat es auf drei eigentlich wertlose Spieldosen abgesehen, und geht dafür auch über Leichen. Holms muss herausfinden, was es mit den Melodien auf sich hat…

Sherlock Holmes: Rathbone-Filmserie 1939-46Der 14. und letzte Film mit Rathbone und Bruce als Holmes und Watson, und selbst wenn man davor nur drei Filme der Reihe gesehen hat, kann einen hier nichts mehr überraschen, das läuft nach gut etabliertem Muster: Schicker Basil Rathbone macht den Film sehenswert, Bruces Watson ist schon fast gemeingefährlich dumm, die Polizei stellt sich auch furchtbar an, alle sind völlig emotionslos (“Oh, mein Schulfreund wurde ermordet. Tja, was solls.”), und das ganze ist mäßig spannend.

Wie für alle Filme hier gilt, dass eigentlich nichts den Film als typisch Sherlock Holmes auszeichnet – es könnte genauso ein Krimi mit jedem x-beliebigen Detektiv sein. Ich weiß nicht, ob das daran liegt, dass man dachte, Holmes’ Schlussfolgerungsketten würden im Medium Film zuviel Erklärzeit brauchen und sich deswegen nicht eignen, oder ob die Autoren sowas einfach nicht schreiben konnten.

Also, Fazit für die ganze Filmreihe: Die Spannung hält sich in Grenzen, aber dafür sind die Filme immerhin sehr kurz, es ist alles etwas austauschbar statt typisch Sherlock Holmes und Watson ist ein Idiot, dem man an die Gurgel gehen möchte und sich ständig wundert, warum Holmes das nicht schon längst getan hat. Rettung der ganzen Sache ist Basil Rathbone als Holmes, der sich jetzt zwar nicht allzu getreu dem Original gegenüber verhält, aber immerhin charmant ist, meistens schick aussieht und damit gerade so das Interesse ein paar Filme über hochalten kann. Man kann da ruhig mal den ein oder anderen Film gucken, aber zuviel erwarten darf man sicher nicht.


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