seit 2016 / USA / 13 Folgen á 42 Minuten / FSK: 16 / Genre: Drama, Krimi / Bilderrechte bei: NBC
"Na endlich! Eine Crime-Serie! Wie lange haben wir darauf gewartet, dass diesem Genre endlich mal Beachtung geschenkt wird?" - So ungefähr müssen die Gedanken der Menschen ausgesehen haben, die 1951 miterlebten, wie "Polizeiberichte" (OT: "Dragnet") ins Fernsehen gekommen ist. Was folgte, waren "Law & Order" und (zu) viele "NCIS"-Formate. Ganz zu schweigen von der Krimi-Flut der Öffentlich-Rechtlichen in Deutschland. Kurzum: Die neue Cop-Serie "Shades of Blue" und ihre typisch klingende Inhaltsbeschreibung muss mit einem besonders kritischen Auge ihrer Zuschauer rechnen und am besten sehr schnell sehr innovativ in die Geschichte einführen, um nicht als eine Serie von vielen zu gelten.Wenn "Shades of Blue" jedoch schon im Vorfeld dazu animieren kann, eine Augenbraue zu heben und sich dem Ganzen doch etwas interessierter hinzugeben, dann geschieht das vor allem dank des Casts: Jennifer Lopez spielt an der Seite von Ray Liotta und jeder, der schon mal "The Cell" und "GoodFellas" gesehen hat, weiß, dass die beiden eine ganze Menge zum Gelingen einer Produktion beitragen können. Ebenfalls gemein haben die beiden jedoch eine Karrierekurve, die sich immer mehr dem Nullpunkt annähert, liegen ihre filmischen Höhepunkte doch schon recht lange zurück. "Shades of Blue" wird an diesem Negativtrend leider nichts ändern. Dabei waren sie zumindest bemüht, so wie im Übrigen auch ihre restlichen Schauspielkollegen. Und das von Anfang an: "Ich wollte immer ein guter Cop sein, aber dorthin führt kein gerader Weg", flüstert J.Lo als Polizistin Harlee Santos wie ein Geständnis tränenverschmiert in die Laptopkamera vor sich, ehe ein Zeitsprung in die Geschehnisse, die sich zwei Wochen zuvor abspielten, geschieht.
Bevor man sich aber fragen kann, was genau diese kryptische Einführungsszene bedeutet und ob sich die Auflösung wirklich bis zum Staffelfinale mit ihrem Auftritt Zeit lässt, nimmt die NBC-Produktion auch schon dermaßen Fahrt auf, dass sich selbst ein Anflug dieser Gedanken als Zeitverschwendung herauskristallisiert. Innerhalb weniger Minuten machen die Autoren klar, dass Santos und ihr ganzes Team um Boss Matt Wozniak (Ray Liotta) eines der wohl korruptesten dieser Welt ist: Schutzgeld, unterschlagene Razzia-Fundstücke, Handhabung des Drogenhandels in New York – sie bedienen die ganze Palette und haben sich zudem quasi nebenbei den Weltrekord für die meisten Verbrechen, die TV-Polizisten in einer einzigen Folge begangen haben, gesichert.
Zu dieser kriminellen Truppe gehören zwar auch Tess Nazario (Drea de Matteo, "Sons of Anarchy") und Carlos Espada (Vincent Laresca, "Graceland"), doch Regisseur Adi Hasak ("From Paris with Love") fokussiert sich vorwiegend darauf, Liottas Figur als Bösewicht darzustellen. Passt zwar zu Liottas Vergangenheit, in der er intensiv für diese Rollenschablone trainiert hat, aber dummerweise nicht so recht zu einem Drehbuch, das so viel mehr Asse hätte austeilen können, wenn man all die verschiedenen Charaktere und ihre Facetten mit einbezogen hätte. Selbst Protagonistin J.Lo bleibt absolut hinter ihren Möglichkeiten - charaktertechnisch, nicht immer zwingend schauspielerisch.
Durchgehend wird Santos als liebevolle alleinerziehende Mutter inszeniert, die ihr Leben nur deswegen auf diese Weise lebt, um die immensen Schulkosten ihrer Tochter tilgen zu können. Selbst in einer Szene, in der sie selbstlos dazu beiträgt, einen ungerechten Schusswechsel zu vertuschen, um ihren neuen Partner Loman (Dayo Okeniyi, "Terminator Genisys") zu schützen, sieht man sie dank der Autoren eher in der Rolle als Retterin eines jungen Polizisten und nicht so sehr als Vertuscherin eines eiskalten Mordes. Doch ist sie im Grunde genauso schuldig, wie Wozniak es ist. Einseitige Charakterbilder? Kann "Shades of Blue".
Ein spannender Ansatz wird aber mit dem durchaus interessanten Blick auf den familiären Zusammenhalt innerhalb solch einer korrupten Polizeieinheit getroffen und erinnert damit vage an Shawn Ryans "The Shield". Doch anstatt an diesem Punkt aufzubauen und zwischenmenschliche Beziehungen wachsen zu lassen, die ein Crime-Format wie dieses zu etwas ganz besonderem machen könnten, verrennt sich Hasak in einer halsbrecherischen Jagd nach dem immer nächsten Adrenalinschub. Action und knackige One-Liner sind schön und gut, doch selbst an dieser Stelle hat es sich Hasak nicht zur Aufgabe gemacht, zwei Mal über seine Szenen nachzudenken.
In seinem Wahn, derbes Fernsehkino abliefern zu wollen, entflieht er nämlich jeglicher Logik und sorgt nach gerade einmal zwanzig Minuten nicht nur dafür, dass Santos als schlechtester korrupter Cop überhaupt direkt vom FBI hops genommen wird, sondern lässt nach Sprüchen wie "Wie viele Squats schaffen Sie? Ohne Hilfestellung" auch ein tiefgelegenes Bedürfnis nach alten Sylvester-Stallone-Filme aufkeimen. Bei ihm wäre ein Augenzwinkern in Richtung J.Los voluminösen Pos nämlich nicht so gnadenlos überzogen gewesen wie bei dem unglaubwürdigsten internen Ermittler der Welt, Donnie Pomp (Michael Esper, kann's eigentlich besser: "The Drop").
Hätte sich "Shades of Blue" vollkommen motiviert der Aufgabe angenommen, ein Portrait über korrupte Polizisten und ihr aufrüttelndes Innenleben anzufertigen, hätten Lopez und Liotta nicht nur mit einer besseren Charakterzeichnung arbeiten können, sondern wären auch Teil einer Serie gewesen, die Genre-Kollegen gezeigt hätte, dass es nicht der immer gleiche Trott sein muss, der es ins Fernsehen schafft. Traurigerweise hat NBC jedoch etwas ins Leben gerufen, dass zu beinahe keinem Zeitpunkt den Willen versprüht, mehr als ein gehetztes Spektakel bekannter Action-Elemente zu sein, das allerhöchstens für einen mit Bier gefüllten Feierabend reicht.
3.5/10