Dabei geht es in gemächlichem Tempo erst durch das tropische Tiefland, bevor der Zug in den Bergsteigermodus schaltet. Es folgt eine 110 Kilometer lange, spektakuläre Zugfahrt durch die Serra de Mar, den atlantischen Regenwald mit seiner unberührten, zerklüfteten Gebirgslandschaft. Über steile Abhänge, kurvige Traversen, hohe Brücken und tiefe Täler.
Curitiba, 7:30 Uhr
Es ist früh in Curitiba, der „europäischsten" Stadt Brasiliens, die berühmt für Ihre fortschrittliche Stadtplanung und das Bildungswesen ist. Bereits um kurz nach 7 tummeln sich an die 50 Leute in der kleinen Wartehalle des Serra Verde Express, um ein Ticket für den berühmten Zug zu ergattern.
Den Ticketverkäufern scheint die Herrgottsfrühe nichts anzuhaben. Sie klären mich ausführlich über die verschiedenen Klassen und Fahrtpreise auf. Und warum die hochpreisige Executive Klasse natürlich besser wäre. Nein danke, das Budget ist begrenzt, ich noch zu müde für ausschweifende Erklärungen über Zugklassen und nehme mit einem simplen Touristenticket vorlieb. Dafür erhält man ein Erfrischungsgetränk und ein Guide erklärt die Entstehung des Zuges, der Bahnstrecke und die umliegende Landschaft. Passt doch.
Ächz, Stöhn. Der Zug setzt sich in Bewegung
Um 8.15 Uhr soll der Zug starten und so geht es pünktlich um 8:00 Uhr zum einchecken. Der Zug selbst sieht jetzt nicht sonderlich spektakulär aus, denke ich mir, als ich meinen Platz einnehme. Eine alte, silbrig schimmernde Dieselok und scheinbar wahllos zusammengewürfelte Waggons. Auch die Mitreisenden sind eine bunte Mischung. Backpacker, Familien mit Kindern und ältere Herrschaften befinden sich auf den Sitzen neben mir und erwarten mit Vorfreude das erlösende Signal zur Abfahrt.
Eine laute Tröte ertönt. Los geht´s. Punt 8:15 Uhr, da kann sich die Deutsche Bahn mal ein Beispiel nehmen. Mit einem Ruck setzen sich die farblosen Waggons des Serra Verde Express in Bewegung. Die betagte Lok kämpft schwer an der Last und spuckt dabei dichte schwarze Rußwolken gen Himmel. Im Schneckentempo fährt der Schmalspurzug durch das morgendlich ruhige Curitiba. Der Name „Express" spottet dabei jeder Beschreibung. Ich jedoch mag das Tempo. Brasilianische Gelassenheit kehrt ein. Nur keine Hektik.
Einmal quer durch die Stadt
Es geht vorbei an urbanen Zonen, vielbefahrenen Schnellstraßen und trostlosen Industriegebieten. An jedem der zahlreichen Bahnübergänge ertönt das ohrenbetäubende Horn der Lok. Ich öffne das schwergängige Fenster und lasse mir den Fahrtwind um die Nase wehen.
Kurz nach Verlassen der Stadt winden sich die Schienen durch sumpfige Wiesen und grüne Viehweiden. Einzelne kleinere Siedlungen, verlassene Bretterbuden und weitläufige Farmen ziehen vorbei.
Dschungelfieber!
Schon bald wird das flache Grasland durch dichteren Wald abgelöst. Yeah, endlich richtiger Dschungel! Ich hänge mich aus dem Fenster und erfreue mich an riesigen Farnen, Bananenpalmen, hohen, mit Lianen besetzten Bäumen und Gewächsen mit farbenprächtigen Blüten. Die umliegende Natur kann man mit der wahnsinnigen Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h so richtig auskosten.
Passend zu dem Pflanzenmeer türmen sich nach und nach üppig bewachsene Berge im Hintergrund auf. Auf beeindruckenden Brückenkonstruktionen überqueren wir schwindelerregend tiefe Täler und mächtige Bergrücken, es geht über Bachläufe steil bergauf und wieder bergab wie in einer Achterbahn. Immer dicht am Abgrund.
Gemeinsam mit den anderen Touristen quetsche ich meine Nase an die Scheiben auf der linken Seite des Zuges, dort, wo sich die Reize der Natur sammeln. Aufgrund des Ungleichgewichts wird mir ein wenig mulmig. Rechts nur grauer Felsen - links Abgrund und eine phänomenale Aussicht. Doch die alte Lok hat genug Erfahrung mit Touristen und bringt uns sicher durch die grandiose Landschaft.
Nach mehr als 3 Stunden überwältigender Fahrt erreichen wir das verschlafene, koloniale Nest Morretes. Schulkinder erfreuen sich am Eintreffen des Zuges, winken eifrig oder sprinten eine Weile neben ihm her.
Nach meinem Ausstieg inmitten des tropischen Regenwalds habe ich nicht nur Schmetterlinge in der Luft, sondern auch im Bauch. Was für eine wunderschöne Zugfahrt mit dem Serra Verde Express!
Infos Serra Verde Express:
- Der Zug startet täglich um 8.15 aus Curitiba von der Bahnstation Serra Verde Express gleich neben dem Bus Terminal.
- Natürlich kannst du die Fahrt auch in Morretes beginnen. Da geht es um 15 Uhr los in Richtung Curitiba.
- Tickets kannst du auch online kaufen. Wenn du vorab keine Möglichkeit hast Tickets zu kaufen sei möglichst früh (7 Uhr Curitiba bzw. 14 Uhr Morretes) am Schalter.
- Die Fahrt dauert 3 Stunden und endet in der schönen Kolonialstadt Morretes. Hier habe ich einen 2-tägigen Stopp eingelegt, was sich lohnt, da Morretes neben der Gemütlichkeit auch den Murumbi-Nationalpark in der Nähe hat, wo du tolle Wanderungen im atlantischen Regenwald machen kannst.