Septemberlyrik – die Poetinnen und Poeten

Die Aktion Septemberlyrik hat viel Spass gemacht. 10 000 Flugblätter mit zwanzig Gedichten, die unterschiedlicher nicht sein könnten, wurden in ganz Berlin verteilt. Wir sind stolz auf die vielen hervorragenden Gedichte, die wir bei der Aktion präsentieren durften und möchten uns hiermit bei allen LyrikerInnen bedanken. Es fiel uns schwer ein Gedicht für den Redaktionspreis auszuwählen – wir haben uns für das Gedicht Scharfer Pragmatismus von Hannah Leschke entschieden. Ihre klare aber doch sensible Sprache, die hochassoziativen und ins Schwarze treffenden Metaphern und die humorvolle und intelligente Gedankenwelt, die dahinter steht, haben uns überzeugt. Aber auch Ihr habt Euer Lieblingsgedicht ausgewählt. Der LeserInnenpreis geht an Jonas Gawinski mit seinem Gedicht Oktobernichtigkeit. Da es uns Wunder genommen hat, wer die Lyriker und Lyrikerinnen hinter diesen spannenden Gedichten sind, haben wir Hannah Leschke und Jonas Gawinski kurzerhand ein paar Fragen gestellt und stellen Euch nun die beiden spannenden NachwuchslyrikerInnen vor.

Auf unserer Facebook Seite findet Ihr die 20 ausgewählten Gedichte und Fotos der Lyrikaktion.

Viel Vergnügen! Septemberlyrik – die Poetinnen und Poeten

Gewinnerin des Septemberlyrik Redaktionspreises: Hannah Leschke

Wie bist Du zum Dichten gekommen?

Hannah Leschke: Ich hab schon in der Grundschule angefangen aus Spaß kleine Gedichte zu schreiben. Am liebsten zu irgendwelchen Anlässen wie Nikolaus oder Halloween, wo man damit dann gut Süßigkeiten erbeuten konnte. Das war aber eigentlich nur ein schöner Nebeneffekt als die Hauptmotivation, etwas zu schreiben. Generell hab ich manchmal einfach das Bedürfnis etwas zu schreiben, wenn ich eine blitzartige Idee oder bereits eine bestimmt Zeile im Kopf habe, zu der schreibe ich dann das restliche Gedicht. Das ist sehr spontan und unabhängig von Ort und Zeit. Manchmal fällt mir mitten in der Nacht etwas ein und ich schreibe es auf. Am nächsten Morgen, bin ich dann entweder positiv überrascht oder kopfschüttelnd beeindruckt.

Beim Schreiben selbst erkenne ich in der Regel noch gar keinen konkreten Zusammenhang zu mir, also warum ich das überhaupt schreibe, da es meist sehr schnell geht. Im Nachhinein finde ich es dann sehr interessant, mich selbst darin in irgendeiner Weise wiederzufinden und Bezüge herzustellen. Für mich ist das sowohl eine Möglichkeit eigene Erfahrungen zu verarbeiten, als auch einen anderen Blickwinkel einzunehmen, den ich vorher nicht hatte. Gerade bei negativen Gefühlen wie Unzufriedenheit oder Selbstzweifeln neige ich beim Schreiben dazu, diese in eine leichtere humorvolle Form umzuwandeln.

Wovon handelt Dein Gedicht “Scharfer Pragmatismus” und welche Themen regen Dich zum Dichten an?

Hannah Leschke: Scharfer Pragmatismus ist ein Gedicht, in welchem eigenes Leid durch die Idee einer gewissen scheinbar abwegigen Pragmatik nicht mehr so ernst genommen wird. Das ist sozusagen ein Versuch, sich selbst zu überraschen und aufzurütteln, indem man die mitunter vielleicht auch eingebildeten Pechsträhnen einfach abschneidet. Es geht darum, sich nicht auf eine negative Wahrnehmung zu fokussieren oder sich gänzlich mit der mühevollen Suche nach der Ursache, dem zwinkernden Mürrsinn, zu beschäftigen, sondern konkret aktiv zu werden. Kleine persönliche Krisen sind nach meiner Erfahrung, wenn auch manchmal so gefühlt, gar nicht so festgefahren und aussichtslos, als dass man sie nicht mit etwas Fantasie , überwinden könnte. Thema des Gedichts ist sozusagen die Suche nach einer gewissen Leichtigkeit im Leben, da der starke Wunsch nach einer positiven Perspektive neue kreative Wege erschließt, eine Negative zu überwinden. Mich fasziniert generell das Spiel mit Erwartungshaltungen, die durch eine überraschend witzig ironische Weise entkräftet werden. Humor spielt für mich neben schlichter sprachlicher Ästhetik eine wichtige Rolle, da er einem Gedicht eine würzige Note verleiht, die sich nicht so schnell wie lediglich schön gewundene Worte verflüchtigt. Es reizt mich auch, scheinbar Banales im Leben auf diese Art und Weise neu zu gestalten beispielsweise Menschen oder auch Gegenständen einen eigenwilligen Charakter zu geben.

Ich lass mich dabei einfach von meinen Erlebnissen und Beobachtungen inspirieren.

Schreibst Du auch andere literarische Textformen?

Hannah Leschke: Neben Gedichten schreibe ich auch gern Fake-artikel, beispielsweise über von den Zungulus Dogus, eine Tierart, die von den Eigenarten meines Hundes inspiriert ist. Ansonsten schreib ich auch gern Kurzgeschichten mit satirischem Beiklang. Mir macht es generell Spaß bestimmte Eigenheiten und Fehler von Personen auf unterhaltsame Weise zu verpacken.

Septemberlyrik – die Poetinnen und Poeten

Gewinner des LeserInnenpreises: Jonas Gawinski

Wie lange schreibst Du schon Gedichte?

Jonas Gawinski: Angefangen habe ich vor rund einem Jahr zu meinem 16.Geburtstag. Da regnete es Gedanken und nachdenkliche Lyrik durch meine große Inspiration: Johnny Cash.

Wovon handelt Dein Gedicht “Oktobernichtigkeit“?

Jonas Gawinski: Es befasst sich mit der Vergänglichkeit, die unser eins gerade in den rau welkenden Herbsttagen spürt. Sinkender Sand aus Stunden streift die schwer gewordenen Beine ist beispielhaft für den Müßiggang, die Schwermütigkeit, die allgegenwärtig um uns ist und uns mitnimmt – wie ein reißender Fluss, denn die lange Zeit des Schweigens, die uns unendlich lang erscheint, lässt auch uns zumindest einen Moment schweigen. In diesen wenigen Momenten zeichnet sich Vergessen in -Dein- Wunder, welches du jeden Tag neu atmest, wie den eiskalten wind, der um die gassen wandert. Dann spielt sich vor dem inneren Auge ein altbekannter Film ab: Blattfallschirme wiegen sich gen schwimmender Erde und unser eins schwimmt mit – durch das Leben in den Tod.

Wie lässt Du Dich zum Schreiben inspirieren?

Jonas Gawinski: Wie auch Johnny Cash ist Bob Dylan eine Insel im Meer der Inspirationslosigkeit für mich.
Ich nehme seine zum Teil sehr metaphorischen, tiefgründigen Songs mit allen Sinnen auf und nach einem denkreichen Spaziergang, vorbei an Weißapfelblüten, wilden Rosen und verwunschenen Orten, ruft die Tastatur nach mir, und ich jongliere mit den Wörtern. Bis ich das Kondensat der Kreativität zu einer Komposition gedichtet habe, vergeht aber immerhin noch seine Zeit.

Hast du literarische Vorbilder?

Jonas Gawinski: Ja. Die verschiedensten Dichter finden in meinem Bücherregal ihren ganz eigenen Platz. Hermann Hesses Gesamtwerk der Lyrik, aber auch “ich will dich” Gedichte von Hilde Domin.
Desweiteren gefallen mir Ingeborg Bachmann und Eduard Mörike. Sie sind für mich Polarsterne, nach denen ich meinen Kurs setze.


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