Ein freundlicher Leser schrieb dieser Tage, dass auch er wegen des Gewichts einige Zeit mit MFT fotografierte, aber bei schlechten Lichtbedingungen mit den Resultaten nicht zufrieden war. Inzwischen nutzt er eine Nikon D7500 (die 7000er Serie von Nikon ist großartig) und ein passendes Superzoom von 100mm bis 400mm. Beides zusammen hat ein Gewicht von 2kg (1880g), was gegenüber den 1,5kg einer E-M1 II mit Panaleica 100–400mm (1554g) auch kein so großer Gewichtsunterschied ist.
Es rauscht im MFT
Dem kann ich nicht widersprechen. Ich ging gerade dieser Tage an einem trüben Morgen auf Vogeljagd, kam mit knapp 1000 Bilder nachhause und habe nach Aussortieren etwa 20 behalten. Neben den ungünstigen Lichtbedingungen (Gegenlicht) und dem Umstand, dass die Vögel großen Abstand zum Ufer hielten, war es auch das Rauschen bei Empfindlichkeiten von ISO4000 und mehr, das zu unbrauchbaren Aufnahmen führte. Es würde mich durchaus interessieren, um wie vieles besser die Bilder mit einem größeren Sensor geworden wären. Es gibt keinen Zweifel daran, dass damit besseres Rauschverhalten zu erzielen ist. Andererseits hätte in dieser Situation wohl auch weniger Rauschen keine guten Bilder ergeben, da eben auch Gegenlicht und die Entfernung ungünstig waren. Letztere wäre mit den 600mm KB (400mm APS-C) sogar noch größer gewesen, als mit meinen 1200mm KB (600mm MFT). Allerdings ist das mit der Brennweitenverlängerung auch etwas relativ, worauf ich weiter unten zu sprechen kommen werde.
Relativ ist auch der erwähnte Gewichtsunterschied von etwa 400g zwischen den genannten Systemen. Einerseits sind 400g tatsächlich nicht viel, andererseits reden wir von einem Unterschied von etwa einem Viertel. Stellt sich die Frage, ob dieses Viertel mehr Gewicht ein Viertel bessere Bilder garantiert? In dieser speziellen Situation mag das sein. In den meisten Fällen jedoch sind die Unterschiede höchstens am Bildschirm in Vergrößerung sichtbar.
Ist mehr wirklich sichtbar mehr?
Dazu finde ich das folgende Video interessant, in dem ein Fotograf verschiedene Szenen mit einer APS-C- und einer Vollformatkamera fotografiert und dann einen Kollegen fragt, ob er sagen kann, welche Aufnahme mit welchem Sensorformat entstand. Am Ende des Videos bekommt der Zuschauer dann eine Reihe von Aufnahmen zu sehen, bei denen er selbst raten darf, ob mit APS-C oder Vollformat fotografiert wurde.
Interessant an dem Video finde ich auch, dass die Aufnahmen des eingesetzten 1800$ Vollformatobjektivs zwar ein etwas weiteres Bokeh, aber einen geringeren Detailkontrast liefern, als die manuelle 100$ Vergleichslinse. Das erinnert mich an einen Aspekt der stets vergessen wird, wenn das geringere Freistellungspotenzial von MFT kritisiert wird.
Mehr Bokeh aber weniger Detailschärfe mit Offenblende
Anspruchsvolle Fotografen wissen, dass die meisten Objektive bei Offenblende weniger scharf und kontrastreich abbilden, als wenn etwas abgeblendet wird. Bei den Vollformat und APS-C-Objektiven die ich diesbezüglich getestet habe hat sich das bestätigt, auch bei den vergleichsweise teuren 1.4 Festbrennweiten. Es gibt deshalb den Rat generell etwas abzublenden um optimale Detailzeichnung zu erhalten.
Wer sich mit der Thematik schon einmal befasst hat, weiß vielleicht, dass das bei MFT-Objektiven nicht der Fall ist. Weshalb auch immer – ich weiß es nicht. Was ich weiß, ist, dass ich das bei den meisten meiner MFT-Linsen getestet habe und bestätigen kann, dass ein Unterschied zwischen Offenblende und dezentem Abblenden stets kaum erkennbar ist.
Für mich ist der globale Eindruck eines Bildes wichtiger, als maximale Detailschärfe und sterile Rauschfreiheit. Ich rate deshalb auch immer schon (also auch schon, als ich noch mit Vollformat fotografierte), dass man die Regel wegen der Unschärfe bei Offenblende stets etwas abzublenden, nicht zu streng sehen darf. Ist kürzest mögliche Schärfentiefe erwünscht, sollte man die Blende ohne Skrupel aufreißen, auch wenn die Details dadurch einen Hauch weniger Schärfeeindruck vermitteln – am fertigen Bild wird es niemand als Kritikpunkt bemerken.
Was der Aspekt des Verlusts an Detailschäre bei einer Blendeneinstellung für möglichst geringe Schärfentiefe deutlich zeigt, ist, dass nahezu jede Sache zwei Seiten hat und eben alles ein bisschen relativ ist. Was er außerdem zeigt, ist, dass die Leute Fakten ganz gerne ausblenden und verschweigen, wenn sie für oder gegen etwas argumentieren.
Nun kann man zum Video oben einwenden, dass APS-C nicht MFT ist, sondern größer. Doch auch beim Vergleich zwischen MFT und Vollformat-Aufnahmen ist es oft kaum möglich zu bestimmen welches System für welches Bild verantwortlich war, wie dieses (von mir früher schon einmal geteilte) Video zeigt.
Natürlich ist für Fotografen die häufig unter Low-light-Bedingungen arbeiten nicht nur relativ wichtig, wie sich die Kamera dabei in Sachen Rauschen verhält. Daraus, dass ein Modell oder ein System für die eigenen Anforderungen und Vorlieben ungeeignet ist, zu schließen, dass es deshalb generell unbrauchbar ist, ist aber nicht nur relativ subjektiv sondern vielmehr absolut!
Kein System für alle Fälle
Kameraausrüstung ist relativ! Sie steht immer in Relation zu dem, was man damit machen möchte. Nichts ist immer richtig, nichts ist immer falsch. Falsch ist jedoch die Behauptung, dass ein einziges Modell, ein System oder eine Marke das einzig Richtig und Wahre ist. Eine Kamera ist mehr als ein Sensor. Sie ist ebenso Elektronik, Funktion, Haptik, Bedienung und wohl noch einiges mehr. Fotografie ist kreativer Ausdruck und Leidenschaft. Es ist legitim zur Erfüllung seiner Leidenschaft nach maximaler Rauschfreiheit und der geringsten Schärfentiefe zu verlangen. Ich kritisiere auch niemanden der über seine Bilder nur dann glücklich ist, wenn sie bei 100% und mehr am Monitor noch absolut makellos sind. Mein Ding ist das aber nicht.
So zu fotografieren, wie es mich am glücklichsten macht, ist aktuell nur mit der OM-D-Serie von Olympus möglich. Auf Gerüchte über ein mögliches Aus der Marke reagiere ich deshalb derzeit einigermaßen hysterisch – ich hätte schlicht keine Ahnung wohn ich wechseln könnte.
Die beste Kamera ist subjektiv
Ich weiß, dass sich in letzter Zeit in diesem Blog sehr viel um das Thema MFT und Sensorgröße dreht. Doch in keinem der Artikel geht es wirklich um Technik. Die Botschaft dahinter lautet immer: Die Kamera ist ein Werkzeug. Sie ist Mittel zum Zweck (zum Bild). Es gibt keine guten oder schlechten Kameras. Es gibt nur die optimale Aufgabe für eine bestimmte Aufgabe in den Händen eines bestimmten Fotografen.
Wenn ihr euch mit Vollformat am wohlsten fühlt und mit dessen Ergebnissen am glücklichsten seid, fotografiert mit Vollformat. Wenn ihr das klassische Bedienkonzept von Fuji gefällt, fotografiert mit Fuji. Wenn ihr elektronische Sucher mögt, nutzt eine spiegellose Kamera. Vielleicht ist euch in optischer Sucher lieber, dann fotografiert mit DSLR. Lasst euch von niemanden einreden, dass er oder – was seltener vorkommt – sie weiß, was richtig und für euch falsch ist. Der Mensch redet Unsinn!
Stempelt vor allem nicht alle Profis und Semi-Pros zu Idioten, die auf MFT schwören, indem ihr ihnen erklärt, dass ihr System unbrauchbar ist. Das gälte natürlich auch umgekehrt, aber ich kann mich nicht erinnern einmal einen MFT-Fotografen gehört zu haben, der Systeme mit größeren Sensoren schlechtgeredet hätte.
Selbstverständlich habe ich schon Fotografen gehört, die von MFT auf andere Systeme gewechselt bzw. zurück gewechselt haben und begründeten weshalb – und ebenso umgekehrt. Besonders gut hat mir dieses Video dazu gefallen, weil hier jemand beschreibt, weshalb er von Vollformat zu einer Lumix G9 gewechselt hat, dann auf eine Vollformat Sony umgestiegen ist, und nach einem Jahr zur G9 zurückgekehrt ist. Und wenn ihr zweifelt, dass der Mensch weiß, wovon er redet, schaut euch bitte seine Bilder an!
Kurz gefasst sagt Aaron J Anderson in dem Video, dass er von der Qualität, der Auflösung und dem AF-System der Sony begeistert war. Aber nach einem Jahr hat er erkannt, dass die Aufnahmen die er mit der G9 machte für seine Motive und Ausgabebedingungen nicht schlechter waren als die des Vollformats, und, dass er die Charakteristik sogar bevorzugte. Was für ihn jedoch vor allem ausschlaggebend war zur G9 zurück zu kehren, war das Handling der Kamera. Für ihn ist es besser, als bei jeder andren Kamera die er je in Händen hatte.
Für IHN! Ich würde widersprechen, denn ich hatte die G9 und für mich hat die OM-D das bessere Bedienkonzept. Aber das gilt eben für MICH. Eine Kamera ist mehr als ein Sensor – das Ganze mehr als die Summe der Teile. Die ideale Kamera für mich ist eine Kamera deren Ganzes meinen Anforderungen am besten entgegen kommt.
MFT ist nicht halb so groß wie Vollformat!
Kommen wir zurück zu einem eher technischen Aspekt. Meist wird behauptet, ein MFT-Sensor sei halb so groß, wie Vollformat. Das ist falsch! Die Seitenlängen entsprechen etwa der Hälfte von Vollformat, der Sensor ist deshalb etwa ein Viertel so groß. Ein Vollformatsensor hat eine Fläche von etwa 864mm2, ein MFT-Sensor 225mm2. Ein APS-C/DX-Sensor hat etwa 370mm2 und kommt annähernd auf die halbe Fläche des Vollformats.
Die Erkenntnis, dass MFT nur ein Viertel der Fläche von Vollformat hat, muss jetzt allerdings nicht gleich Panik hervorrufen, schließlich ist alles relativ. Meine E-M5 II sowie meine E-M1 I haben eine Auflösung von 16MP. Bei 16 Millionen Pixel steht auf einem MFT-Sensor jedem Pixel eine Fläche von knapp 15,6µm2 zur Verfügung. Zum Vergleich: Bei einem Vollformatsensor mit 16MP wären es 54µm2.
Nun gibt es heute aber nicht mehr viele Vollformatkameras mit weniger als 20MP haben (und auch für MFT ist inzwischen 20MP üblich). Bei größerer Auflösung reduziert sich natürlich auch auf Vollformat die Fläche dem einzelnen Pixel zur Verfügung steht. Bei den inzwischen verfügbaren 50MP Kameras bleiben für einen auch nur mehr 17,3µm2 übrig. Wer also glaub er könne eine so hoch auflösende Kamera kaufen und habe dann den Vorteil (z.B. gegenüber MFT), dass er bei Bedarf Ausschnitte daraus heraus-croppen kann, landet am Ende bei einem ähnlichen Rauschverhalten, wie beim kleinen Sensorformat. Alles ist relativ!
Brennweitenverlängerung ist eine Illusion
Umgekehrt gibt sich auch der MFT-Fotograf einer Illusion hin, wenn er glaubt, er käme durch die sogenannte Brennweitenverlängerung näher an seine Motiv heran, als Fotografen mit größeren Sensoren und kleinbildäquivalent gleichen Brennweioten. Wer den größeren Sensor hat, hat meist mehr Auflösung bei wahrscheinlich besserem Rauchverhalten. Das gleicht den vermeintlichen Vorteil der Verlängerung weitgehend aus. Auch das ist eben relativ.
Auch Gewicht ist relativ
Objektiv betrachtet bleibt das geringere Gewicht von Ausrüstung mit kleinerem Sensor. Aber auch das ist relativ, denn wie aus dem Eingangs zitierten Kommentar hervorgeht, sind 400g halt doch relativ wenig Unterschied. Eine Aussage, die ich allerdings selbst gleich wieder relativieren möchte, denn üblicherweise nehme ich nicht nur eine Kamera und ein Objektiv mit. Mit jedem weiteren Teil das mit soll wird aus relativ wenig Unterschied dann doch relativ viel Gewicht.