Über die schöne neue Arbeitswelt machen sich auch andere Menschen Gedanken – etwa die Macher von Work Hard – Play Hard. Auch in der Zeit war jetzt ein nachdenklicher (wenn auch nicht wirklich kritischer) Artikel zu diesem Thema, der mit “Bespaßt und gequält. Wie deutsche Unternehmen ihren Beschäftigten eintrichtern: Selbstausbeutung macht Spaß!” überschrieben war.
Denn die schöne neue Arbeitswelt tarnt sich als großer Spaß für die Mitarbeiter, der sich bei genauerem Hinsehen immer wieder nur als Aufforderung zu noch mehr Selbstausbeutung entpuppt. Auf der einen Seite werden die Arbeitsverhältnisse immer prekärer, auf der anderen Seite wird von den Mitarbeitern verlangt, dass sie nicht nur für immer weniger Geld immer mehr arbeiten, nein, sie sollen brennen für ihren Betrieb, ihr Projekt, sie sollen begeistert sein und diese Begeisterung auch leben – bei modernen Arbeitgebern wie Google gibt es kein Privatleben mehr, die Freizeitgestaltung wird zum Zweitjob, denn den Abend und das Wochenende hat man gefälligst mit seinem Team zu verbringen. Wer mit der kollektiven Zwangsbespaßung nicht klar kommt, der ist schnell wieder draußen, denn heute arbeitet man entweder ganz oder gar nicht.
Altmodische Anreize wie Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld oder eine Firmenpension braucht der moderne Mitarbeiter nicht, ihm reicht ein launchig gestaltetes Großraumbüro mit Espressomaschine, Salatbar und der Möglichkeit, sich mit seinem Laptop zu jeder Zeit in sein aktuelles Projekt einloggen zu können. Denn er oder sie hat keine Familie, die in der realen Welt auf ihn wartet, seine Familie ist sein Unternehmen, und das hat immer für ihn Zeit. Also ist er auch da, wenn es ihn braucht, und es braucht ihn eigentlich immer. Arbeit ist gleich Lebenssinn und deshalb machen die modernen Arbeitnehmer das alles auch klaglos mit – selbst wenn sehr viele dieses Rattenrennen nur ein paar Jahre durchhalten und irgendwann zusammenbrechen. Burnout heißt die neue Krankheit der Zeit – und sie grassiert nicht, weil die Leute heutzutage so verweichlicht sind, dass sie ein hartes Arbeitsleben nicht mehr durchstehen, wie ich es in Foren immer wieder lese.
Zu Zeiten, in denen die Mehrheit der Menschen noch körperlich hart arbeiten musste, lag die durchschnittliche Lebenserwartung bei nicht mal 40 Jahren – nach spätestens 20 Jahren mit 10- oder gar 12-Stundenschichten in der Fabrik waren die Leute fertig – chronisch mangelernährt und überarbeitet wie sie waren, starben sie dann schnell an “Schwindsucht” oder “Auszehrung”, bevor sie die Rentenkassen belasten konnten. Heute stellt man die Leute nicht mehr für 12 Stunden ans Band, sondern man lässt sie sich freiwillig an ihren Computerarbeitsplatz ketten – für so viele Stunden sie eben durchhalten, Hauptsache, sie erfüllen die freiwillige Zielvorgabe.
Und es gibt noch einen perfiden Nebeneffekt: Wer sich dermaßen mit seiner Arbeit und damit auch mit seinem Arbeitgeber identifiziert, der kommt gar nicht auf die Idee, für bessere Arbeitsbedinungen zu streiken. Denn er bestreikt ja irgendwie sich selbst, wenn er sein Projekt nicht durchzieht. Dieses ganze “Mach-es-zu-deinem-Projekt”-Ding, das den Mitarbeitern im Gewand von Mitsprache und Eigenverantwortlichkeit übergestülpt wird, ist eine fiese Zwangsjacke, die sich der Mitarbeiter begeistert selbst anlegen soll. Und viele tun das auch noch – sie werden gebraucht, sie dürfen kreativ sein, gestalten, alles geben – und sehen am Ende sogar darüber hinweg, dass sie früher übliche Gehaltszulagen für Überstunden und Mehrarbeit nicht mehr bekommen, weil das jetzt selbstverständlich zum Arbeitsalltag dazu gehört.