SEINSORIENTIERTE KÖRPERTHERAPIE (151): Liebe als Tauschgeschäft

SEINSORIENTIERTE KÖRPERTHERAPIE (151): Liebe als Tauschgeschäft

Foto: vkd

Denn die falsche Welt gilt längst als richtig in der Welt der Erwachsenen. Die Beziehungsangebote der Mutter (und selbstverständlich auch die des Vaters) zeigen sich von den eigenen Selbstbeziehungsdefiziten geprägt: Ihr Umgang mit dem lebendigen Wesen des Kindes wird gesteuert von Konzepten und Kategorisierungen, von Urteilen und Leistungsdenken, von narzisstischen Aufwertungsbedürfnissen und dem phantasierten Blick des Anderen.
Die intuitiven und gefühlsmäßigen Ressourcen, das instinktive Wissen, Achtsamkeit und Stimme des Herzens, all die tiefen Gefühle, sie verlieren unter der Knute gehirndominierten Bindungsverhaltens. Sie verändern schlussendlich die Natur des Kindes: Es lernt, diejenigen Elemente seiner Natur in sich zu verleugnen, die in diesem Beziehungsmodell keine Resonanz erfahren.
  
So entsteht ein Phänomen, das wir (kulturelle) Tradition nennen. Eine Tradition, die sich auf allen Stufenleitern der Gesellschaft widerspiegelt. Eines der Fundamente dieser Tradition findet sich in der  ständigen Übererregung und der tiefgehenden Entspannungsunfähigkeit unserer Kultur, die einher gehen mit der Hochmut, Ignoranz und Unkenntnis gegenüber allen Seinsaspekten des Lebens.
Die subtile Botschaft, die bereits dem jüngsten menschlichen Lebewesen in unserer Kultur vermittelt wird, lautet: „Du bist nur etwas wert, wenn du was machst, handelst, agierst, Erwartungen erfüllst, die an dich herangetragen werden. Du bist nichts, wenn du einfach nur bist oder sein willst.“
Was zunächst auf den archaischen Stufen der Entwicklung als rein organismische Information existiert, wird später zur durchgängigen charakterbildenden Botschaft: Liebe wird gewährt aufgrund von Erwartungserfüllung, einem von der Lebensumwelt formulierten Anspruch, aber nicht um des Seins, der Existenz eines Menschen willen. Diese charakterbildende Liebe will erarbeitet sein, sie ist unmittelbar mit der leistungsorientierten Dominanz des Gehirns verbunden. Sie verdeckt die Liebes- und Bindungsimpulse des Herzens, und das die Liebe als Selbst- und Welterfahrung verkümmert.
Was ist diese charakterbildende Liebe für eine Liebe? Ist sie eine Liebe, die mir ermöglicht, mich selbst anzunehmen und zu lieben, wie ich bin, den anderen anzunehmen und zu lieben, wie er ist, die Natur anzunehmen und zu lieben, wie sie ist?
Oder liegt hier nicht vielmehr die tiefe narzisstische Kränkung einer kranken Kultur verborgen, die in jedem Menschen aufscheint: Liebe als etwas erfahren zu haben, das nicht seinem eigentlichen Wesen, seinem Sein gilt, sondern nur im Tausch zu den Ansprüchen verkauft wird, die an ihn herangetragen werden. Dass dies kein Liebe ist, sondern nur ein entfremdetes Konzept von Liebe, "das weiß doch jedes Kind" ... aber kaum ein Erwachsener. Der hat es meist vergessen auf dem Weg des Erwachsenwerdens.
(Fortsetzung folgt)

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