Hypochondrie hat ganz viel mit der Sehnsucht nach Sicherheit zu tun. Was genau meine ich damit?
Jemand der unter Hypochondrie leidet, hat eine meist unbegründete Angst davor, körperlich ernsthaft krank zu sein. Ein Großteil seines Lebens beschäftigt sich der Hypochonder mit möglichen Krankheiten. Jedes Stechen, Kribbeln, jede noch so kleine körperliche Veränderung nimmt er wahr und interpretiert diese als gefährlich.
So war es auch jahrelang bei mir. Dabei war es bei weitem nicht immer der Fall, dass ich eine gefährliche Erkrankung für den wahrscheinlichsten Fall hielt. So hatte ich beispielsweise sehr häufig Stiche in der Brust, Manchmal waren es richtiggehend Schmerzen. Ich war mir im Grunde ziemlich sicher, dass diese Symptome von Verspannungen herrührten. Schließlich war ich ständig verspannt, eine Folge meiner Panikattacken, der generalisierten Angststörung und der Hypochondrie.
Der kleine Mann im Ohr
Allerdings blieben Zweifel. Immer wieder meldete sich der kleine Mann im Ohr: “Na, ob da nicht doch eine Herz-Kreislauf-Erkrankung hinter steckt?” Allein die Möglichkeit, dass doch etwas Ernstes dahinter steckte, machte mich wahnsinnig. Ich wollte nichts versäumen. “Was, wenn diesmal tatsächlich eine ernsthafte Erkrankung die Ursache war? Besser einmal zuviel zum Arzt, als einmal zu wenig!”
Also stand mal wieder ein Besuch bei meinem Arzt bevor. EKK, Blutdruckmessung und die ganze Prozedur. Dabei war es keineswegs der Fall, dass ich hoffte, der Arzt möge etwas finden. Ich wollte mich beruhigen lassen, mir die Garantie holen, dass ich gesund war.
Erhielt ich dann die Bestätigung durch den Arzt, war ich meist tatsächlich erst einmal beruhigt. Allerdings hielt dies nie lange an. Schließlich bestand immer die Möglichkeit, dass der Arzt etwas übersehen hat, zudem konnte es innerhalb einer Woche ja vollkommen anders aussehen.
Im Grunde ging es dabei um eine größtmögliche Sicherheit. Ich hielt die Ungewissheit nicht aus. Immer wieder kam ein Gedanke: “Was, wenn dieses eine Mal doch etwas Schlimmes dahinter steckt?” Dieser Gedanke zwang mich förmlich dazu, zum Arzt zu laufen.
In der Zeit als meine Hypochondrie ausbrach, war mein Leben insgesamt relativ unsicher. Ich fand keinen adäquaten Job und hatte Existenz- und Zukunftsängste. Auch das wird sicherlich dazu beigetragen haben, dass sich die Hypochondrie so prächtig entwickelt hat. In diesem Bereich hat sich im Übrigen bislang nicht viel geändert. Ich habe mich nun selbständig gemacht und hoffe damit erfolgreich zu sein. Unsicher ist das allemal.
Keine Garantie
Allerdings habe ich meine Hypochondrie dennoch im Griff. Ich akzeptiere, dass es keine vollständige Sicherheit gibt. Ich bin bereit, dieses Risiko einzugehen. Wir sind den Unwägbarkeiten des Lebens ausgesetzt. Es gibt keine 100%ige Garantie. Es fällt mir auch heute noch hin und wieder schwer, das zu akzeptieren. Aber halten Sie sich doch einmal die Alternative vor Augen. Die größtmögliche Sicherheit bezogen auf Ihre Gesundheit hätten Sie, wenn Sie Ihr Leben auf der Intensivstation verbringen würden.
Ziehen Sie ein derart jämmerliches Dasein tatsächlich einer gewissen Unsicherheit vor? Ich mache das nicht mehr. Ich bin dazu nicht mehr gewillt. Und das sollten Sie auch nicht!