Hunger trotz Reichtum
Von Anfang an war ich überwältigt von der Vielfalt an Früchten in diesem Land. Nach einem Ausflug ins Landesinnere, wo wir in der Region Kayanza eine Ausbildungskooperation verschiedener NGO besuchten, kauften wir auf der Hauptstraße nach Bujumbura ein. Dort, wo mehrere Häuser am Straßenrand standen, oder eine kleine Siedlung war, boten Bauern ihre Früchte an. Die Verkäufer am Straßenrand waren fast ausschließlich Männer. Sie legten ihre Ware in Flechtkörben aus. Wir hielten an einer Stelle, im Schatten eines kleinen Felsen, von dem Wasser in kleinen Bächen herunterlief. Mit Bambusröhren lenkten die Männer das Wasser so ab, dass es ganz fein auf ihre Früchte nieselte. Die Auswahl an Obst und Gemüse übertraf die eines großen deutschen Supermarktes. Sie lagen vor uns aus, und lockten mit ihrem Duft und ihren satten Farben der perfekten Reife – Erdbeeren, Maracuja, Barbadinen, Gemüse wie Brokkoli, Zwiebeln, Möhren, Salate und auch Pilze.
An einem Haltepunkt kamen dann doch Frauen zu uns und boten Tomaten an. Eine junge Frau trug ein Kind auf dem Rücken, sie hielt unserem Fahrer Tomaten vor und handelte lange mit ihm. Nein, nein, nein, sagte Manuel mehrfach und lachte dabei, weil der Preis so unrealistisch hoch war. Als Manuel dann doch endlich okay sagte, strahlte die Frau plötzlich über ihr ganzes Gesicht, gab uns den Korb mit den Tomaten und lief um den Wagen herum und zu ihrer Hüte. Dort beugte sie sich hinter einer kleinen Mauer und tauchte mit drei sehr großen und wohl geformten Tomaten auf, rannte wieder zu uns und legte sie noch auf den Tomaten-Korb drauf. Der Preis muss sehr gut gewesen sein.
Es ist schwer vorzustellen, dass es Hunger gibt in diesem reichen Land, dachte ich im Wagen, während um mich herum die ganze Vielfalt der Feldfrüchte lag und duftete: süßliche Zwiebeln, Petersilie, Fenchel, Salat. Doch als Folge des Krieges und auch der hohen Geburtenrate ist die Versorgung mit Nahrungsmitteln für alle nicht gesichert. Am Straßenrand sahen wir Kinder mit aufgeblähten Bäuchen und alte Menschen, die ganz verwahrlost waren. Wer von ihnen im Krieg seine Familie verloren hat, um den sorgt sich heute keiner mehr.
Zwischen den kleinen Siedlungen im Landesinneren standen einzelne Häuser am Straßenrand oder in den Feldern. Kein Strom, kein fließendes Wasser, ein Loch als Fenster in den niedrigen Lehmhütten – vor Jahrzehnten sah es hier nicht anders, außer, dass der Wald noch nicht so stark gerodet war.