Sehen, riechen, schmecken – ein Besuch in Burundi V (Gastautor Viktor Funk)

Bildung – eine Frage des Zufalls

 

In entlegenen Dörfern liefen Kinder vor unserem Wagen weg. Wer groß genug war, auf eigenen Beinen zu stehen, griff den kleineren Bruder oder die kleinere Schwester und lief. Wie hielten an einer Ziegelei, um Holzkohle zu kaufen. Sofort kamen einige Kinder hervor, ein Junge trug Ziegel auf seinem Kopf, er war nicht älter als sieben Jahre, er stand direkt vor unserem Wagen und balancierte die Ziegel auf seinem Kopf. Als ich meine Kamera hob, um ihn zu fotografieren, rief ein anderer Junge ihm etwas zu und der drehte sich rasch um und lief hinter einen Block gestapelter Ziegel. „Vielleicht wird der Junge Glück haben und eines Tages doch noch in die Schule gehen können“, notiere ich mir an jenem Tag in meinem Tagebuch.

 

Der Kinderreichtum Burundis kommt mir wie eine Chance und ein Risiko zugleich vor. Es gebe so viel aufzubauen in diesem Land. Die Infrastruktur ist noch sehr dünn ausgebaut, die geographische Lage macht das Land aber zu einem unvermeidlichen Transitstaat für die Ost-West-Handelsruten des Kontinents. Bodenschätze sind noch unerforscht, die Landwirtschaft hat dank der klimatischen Bedingungen hervorragende Bedingungen. Und ob man es gut heißen möchte oder nicht – die Kriege und die Waldrodungen haben die Gesellschaft so nachhaltig verändert, dass ihr wenige Alternativen bleiben, als sich doch der Moderne mit all ihren technischen Vor- und Nachteilen zu stellen. Und eben dafür braucht es seine jungen Menschen.

 

Sie sind zugleich auch ein Risiko, wenn sie nicht eine Perspektive für ihr Leben sehen. Ich durfte einige junge deutsche Psychologen bei ihrer Arbeit begleiten, sie interviewen Straßenkinder, deren Lebensgeschichten zeigen, wie schmal der Grat zwischen Entwicklung und Zerstörung ist. In einem Viertel, das man am besten mit dem Wort Slum beschreibt, warteten wir auf einen Jugendlichen, um ein angefangenes Interview fortzusetzen. Doch er sagte, er sei krank und könne nicht mit. Vor unseren Augen aber arbeitete er und schleppte schwere Säcke. Unser Übersetzer versuchte, mit ihm zu sprechen, doch schon bald stand ein Pulk von Jungen und Jugendlichen um ihn herum und diskutierte mit ihm, was wir da eigentlich tun. Der Geruch von Haschisch umgab sie, einige wankten, ein etwas älterer junger Mann bot uns etwas an, doch das Gespräche versandete. Unser Übersetzer entschied schließlich, besser zu fahren. Sonst hätten sie uns noch den Wagen auseinander genommen, sagte er.

 

Der interviewte Junge gehörte zu einer Clique aus einem Dorf, die gemeinsam in die Stadt gekommen war. Hier schlugen sie sich durch, und dafür schlugen sie auch manchmal auf andere ein. Sie gingen nicht zur Schule und von dem einen Euro, den ein Junge am Tag maximal verdiente, indem er schwere Säcke mit Zucker oder Reis schleppte oder Botendienste machte, konnten sie sich immer noch Drogen leisten.



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