Win sonniger Tag in Budapest neigt sich dem Ende zu. Wir schreiben den 15. Nisan 5771 – oder den 19. Mai 2011. Mit dem Untergang der Sonne beginnt der Vorabend des ersten Tages des Pessah-Festes.
Pessah ist das Fest, aus dem die Christen später Ostern gemacht haben, deswegen spricht man vereinzelt von „jüdischem Ostern“, wobei es an und für sich nichts mit Hasen, Kreuzigungen oder Wiederauferstehungen zu tun hat. Höchstens mit Eiern.
Zu Pessah feiert man den Auszug der Israeliten aus Ägypten. Man erinnert sich fast jeder Einzelheit des Auszuges, da mit diesem Ereignis viele Wunder zusammenhängen. Mit der Entlassung aus der Ägyptischen Knechtschaft wurde das Fundament Israels als Nation gebildet. Auf dem Weg in diesen Staat erhielt das Volk auch die Thora.
Wer Pessah schon einmal von außen gesehen hat, wird möglicherweise bemerkt haben, dass Juden während dieser Zeit eine ganze Woche lang Knäckebrot essen. Wirklich Knäckebrot ist es nicht – es handelt sich um sogenannte „Mazzot“ (Sing. Mazze). Dies rührt daher, da die Flucht aus Ägypten sehr hastig war und damals keine Zeit vorhanden war, um den Teig gären oder säuern zu lassen. Bis heute wird darauf geachtet, dass der Backprozess nicht länger als 18 Minuten dauert, damit nicht doch irgendetwas zu gären anfängt. Generell essen Juden während dieser Zeit nichts, was irgendwie gesäuert sein könnte.
Das hat zwei Zwecke: Jeder soll persönlich den Auszug nachvollziehen können und zweitens soll diese Erinnerung für alle Zeiten auch bestehen bleiben.
Was ich dann aber nicht so ganz verstanden habe ist warum die Mazzot so fad schmecken müssen. Ich kann mich nicht erinnern, irgendwann einmal gelesen zu haben:“Und der Herr sprach zu Moses: Mach deine ungesäuerten Brote so geschmacklos als nur möglich“. Als ich letztes Jahr selbst Mazzot gebacken habe hielt ich es für angebracht, noch Salz und ein paar andere Gewürze hinzuzugeben. Eine israelische Freundin hatte mir meine Frage mit der geschmacklosen Mazze so beantwortet:“Das Volk hat damals gelitten. Das musst auch du spüren.“ Aber warum durch Nichtwürzen leiden? Meiner Meinung nach haben die israelitischen Frauen zumindest irgendwas in den Teig gemischt, damit er nicht ganz so papierig schmeckt wie heute… Wer mir nicht glaubt, soll Ausgrabungen machen…
Aber weg vom Ungewürzten zum Ungesäuerten: Die Regel ist einfach: Nichts Gesäuertes während den 8 Tagen. Auf manchen Lebensmitteln (hauptsächlich in Israel) findet sich der Vermerk „Koscher für Pessach“, was bedeutet, dass dieses Produkt nichts Gesäuertes enthält und somit auch für den Verzehr an diesen Feiertagen geeignet ist.
Mazzot haben den Vorteil eben „Koscher für Pessach“ zu sein, heißt das aber auch, dass man sie essen muss? Ja und nein. Mazzot muss man nur am Vorabend des ersten Tages von Pessach essen – in den restlichen Tagen ist es lediglich eine Art Brotersatz. Wer will könnte statt Mazzot auch Kartoffeln essen. Die übrigen Tage müssen „nur“ ungesäuert sein – schon das ist unleicht genug.
Die sogenannte vorgeschriebene Mazze (Mazza Mizwa) ist meistens noch dazu selbstgebacken, unterscheidet sich sonst aber nicht wesentlich von „normalen“ Mazzen. Am besagten Vorabend des Pessachfestes legt man drei von ihnen auf den Tisch – diese symbolisieren die ehemaligen Bevölkerungsschichten von Israel: Den Kohen (Priester), den Leviten (Tempeldiener) und die Dritte das Volk Israel.
Der Vorabend des Fests ist der Sederabend. Das ist eines der man könnte sagen „jüdischen Familienfeste“, weil sich an diesem Abend meist die Familie trifft. Wenn nicht, dann feiert man eben in der Gemeinde. Erstgeborene fasten jedoch meist an diesem Tag, um auch zu gedenken, dass Gott in Ägypten die Erstgeborenen der Israeliten verschont hatte und nützen den Tag ggf. um Bilanz zu ziehen.
Für den Sederabend gibt es dann wieder einige Regeln: Neben dem normalen Geschirr befindet sich auch noch ein spezielles Glas für den Propheten Elijahu (Elias), der an diesem Abend hin und wieder vorbeischaut und ggf. den Messias ankündigt. Sonst ist es noch wichtig, dass auf einem Teller alle zehn Zutaten zu finden sind, die für den Sederbend benötigt werden. Diese Zutaten sind:
- Oben rechts: Ein gebratener Knochen (Sro‘a)
- Dieser soll an das Pessachopfer erinnern
- Oben links: Ein hartgekochtes Ei (Beitzah)
- Dieses erinnert generell an die Opfer, die an jedem der drei jüdischen Wallfahrtsfeste im Tempel dargebracht wurden
- Ein Ei symbolisiert Israel, da es immer härter wird, je länger man es kocht
- Und je strenger das Volk Israel geprüft wurde, desto stärker wurde es
- Eine andere Interpretation: Als Trauersymbol für die Zerstörung des Tempels
- Zentral: Bitterkraut für den Segensspruch (Maror)
- Das kann Kopfsalat oder etwas anderes Grünes sein
- Leitet sich aus einem Gebot in der Thora ab
- Unten rechts: Charosset
- Bestehend aus zerdrückten Nüssen, Apfelstückchen, Datteln, Gewürzen, Rosinen und Wein
- Dieses Charosset kommt von „Charssit“, was Tonerde heißt und von Farbe und Konsistenz her an die Tonerde erinnert mit der die Ziegel in Ägypten hergestellt wurden
- Unten links: Eine Erdfrucht wie Kartoffel oder Sellerie (Karpas)
- Könnte auch durch anderes Gemüse ersetzt werden und wird in Salzwasser getaucht, was die Tränen der Israeliten in Ägypten symbolisieren soll
- Symbolisiert auch die zermürbende Arbeit in Ägypten
- Unten Mittig: Kren als Bitterkraut (Chaseret)
- Dieser wird zwischen zwei Mazzotscheiben gelegt und als eine Art „Sandwich“ gegessen, da das Essen von ungesäuertem Brot mit Bitterkraut eine Vorschrift in der Thora ist
Diese „Zutaten“ isst man, wenn bestimmte Teile der Haggada – das ist die Geschichte vom Auszug aus Ägypten, das Durchschreiten des Meeres und schließlich die Besiedelung des Landes – vorgelesen werden. Interessanterweise wird in der Haggada niemals Moses erwähnt. Das mag etwas seltsam sein, wo doch Moses derjenige war, der die Israeliten aus Ägypten nach Israel geführt hat und auch derjenige war, der die Thora erhalten hat. Jemanden so besonderes kann man doch nicht zu erwähnen vergessen. Aber die Sache verhält sich genau umgekehrt. Genau weil er so besonders war, wird er hier ausgelassen, damit niemand Gefahr läuft Moses anzubeten. Das Judentum ist bei weitem Monotheistischer als das Christentum. Um diesen Monotheismus vor bestimmten Heilgenkulten zu schützen wird Moses bewusst ausgelassen.
Dabei gibt es ein wichtiges Zitat, das gesprochen wird:“Dieses Jahr feiern wir es noch hier, aber im nächsten Jahr hoffen wir, es im Land Israel zu feiern. Dieses Jahr sind wir noch Sklaven hier, aber im nächsten Jahr hoffen wir, freie Menschen zu sein“.
Generell ist der Sederabend sehr gemütliches Zusammensein von Familie und Freunden, bei dem auch der religiöse Charakter des Festes stark zur Geltung kommt.
Für jeden, der sich sehr mit dem Judentum auseinandersetzen will empfehle ich das Buch „Wie Juden leben“ von Israel Meir Lau, das manchmal etwas zu detailliert Tradition und Feste beschreibt. Bei generellem Interesse empfiehlt sich aber eher das Buch „Was ist koscher?“ von Paul Spiegel
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