Liquid Sound in Bad Orb: Da treffen Geheimtipps aufeinander. Während ich das Konzept der Toskana-Thermen vor vielen Jahren schon im ebenso etwas verwunschenen Bad Sulza in Thüringen kennenlernen durfte, hat es längst auch im verschlafenen Kurstädtchen am Rande des Rhein-Main-Gebietes seinen Charme entwickelt. Ein wohlig-warmer Auszeit-Tipp gerade für gestresste Großstädterinnen. Und da ich eine bin, musste ich hin!
Nur auf den ersten Blick handelt es sich bei der Toskana-Therme um ein “ganz normales” Wellnessbad auf zeitgenössischem Stand: Geschwungene Archtiktur, üppige Hallen mit großzügigen Fensterkonstruktionen und Lichtspots, verspielte Formen bei den Becken, Whirlpools und der Weg nach draußen ins warme Wasser bei jedem Wetter – natürlich auch Saunalandschaften. Das alles ist fein – und im kleinen Kurort noch feiner, da hier eher leise Menschen unterwegs sind – aber all das kennt man. Nur drei Mal in Deutschland jedoch gibt es bisher das Konzept Liquid Sound.
Foto: liquidsound.com
Deswegen fahre ich hin und dafür ist die etwa einstündige Autofahrt nach Bad Orb von Frankfurt am Main aus auch nicht zu weit. In einer hochgezogenen stilisierten Kuppel mit mandalaähnlichem Lichtspiel erwartet mich, was ich ersehne: Auf dem Solewasser liegen, der Schwerkraft enthoben, die Augen schließen und die Ohren sanften Klängen hingeben, die unter Wasser zugespielt werden. Es ist eine Variante des Floating-Konzepts, eingebettet in die Infrastruktur eines Thermalbads, nicht so vereinzelt – und auch vergleichweise günstig. Für 24 Euro kann man hier einen langen Tag verbringen.
Die Geschichte dieses Entspannungsgeschenks reicht zurück nach Frankfurt, wo Autor, Musiker und Medienkünstler Micky Remann 1986 das “1. Frankfurter Unterwassrkonzert” im Stadtbad-Mitte veranstaltete. Remanns Liquid Sound, das er sich als Wortmarke schützen ließ, wurde aber in Thüringen aus der Taufe gehoben. Ganz augenscheinlich verliebte er sich mit anderen gemeinsam in die hügelige Landschaft im Weimarer Land. An wetterguten Tagen ist der Toskana-Vergleich in der Region auch keineswegs abwegig, kulturell hat sich in den letzten Jahren auch ungeheuer viel getan, wobei Remann kein Unbeteiligter blieb.
Foto: http://www.bad-orb.info/
Als Re-Import kann ich jetzt die Toskana-Therme in Bad Orb besuchen, die 2010 eröffnet wurde. Ich mache mich auf den Weg mit einer schmerzhaft verspannten Schulter und stressgeplagter Seele. Ich fahre Ende Januar durch eine weiß-graue Witterung samt leichter Schneeverwehungen ins Spesssart-Städtchen. Die Therme ist am späten Freitag vormittag noch angenehm leer, ich strebe gleich zur Kuppel, die ich noch fast für mich alleine habe. Im Laufe des Nachmittags nimmt der Besucher(innen)andrang zu, überschreitet aber nicht die Grenze des Erträglichen. Und bis dahin bin ich ohnehin schon in einer wohligen Trance angekommen.
Anfangs muss ich mich etwas gewöhnen, das Entspannen erst wieder erlernen, obwohl ich darin prinzipiell nicht so schlecht bin, wenn ich darf. Ich habe keine Ahnung, ob es Menschen gibt, die das nicht genießen, die sich langweilen, wenn die Außenreize verschwimmen und die Entfernung zwischen Wachsein und Träumen mehr und mehr schmilzt. Während das Wasser trägt. Und die Musik, die unter Wasser keine Richtung mehr hat, selbst ein Bad bietet, das überall zugleich zu sein scheint und das Schweben mitten in ihr.
Wunderbar auch die Liegesessel außerhalb der Sound-Kuppel, auf denen man ohne Anstrengung nach vorne und hinten kippen kann. Solebaden, dann wieder ein wenig lesen, vielleicht kurz ins “normale” Thermalbecken und dann wieder ab in die Welt aus Salz und Klang. So kann das von mir aus ewig gehen – und darf das auch in Bad Orb: Die Therme hat bis 23 Uhr geöffnet, am Freitag und Samstag sogar bis Mitternacht und bei Vollmond noch eine Stunde länger! Nur aufgrund der Witterung nutze ich meine Tageskarte nicht bis zur Neige. Doch zum guten Ende schwimme ich noch raus, wo die Kälte das dampfende Bad umgibt und das Einatmen ein großartiger Genuss ist. Ein bisschen Island und ganz viel Totes Meer im Spessart!
An diesem Tag widme ich mich so ganz und gar dem Schwebebad, dass ich von der Stadt Bad Orb kaum etwas sehe. Obwohl mich das ja nun doch interessiert hätte. Ich fahre zurück, sehr entspannt und in den nächsten Tagen spüre ich meine Schulter auch nicht mehr im Störungszustand. Aber ganz scheine ich Bad Orb nicht loslassen zu können. In der Umkleidekabine ist mein Schlüssel aus der Kleidung gefallen, abholbereit liegt er tags drauf an der Theke der Toskana-Therme. Teil 2 des Spessart-Abenteuers beginnt. Wir stellen fest, dass man auch mit dem öffentlichen Nahverkehr angenehm zügig von unserer Stechuhrstadt am Main nach Bad Orb durchrutschen kann. In etwa anderthalb Stunden sind wir dort, trotz mehrfachen Umsteigens, und finden den Weg durchs Städtchen zur am Rande des Kurparks gelegenen Therme auch gleich. Verlaufen kann man sich hier wohl nur schwer.
In Bad Orb, nun bei Tag und ganz und gar in Augenschein nehmend, treffen wir auf ein – alle Einwohner(innen) mögen es mir verzeihen – für Frankfurter Augen ganz wundersam provinzielles Bild. Alles scheint hier irgendwie noch handgemacht, -gemalt und -geschrieben, manches Fenster das letzte Mal 1950 dekoriert, die deftigen Restaurantspeisen werden angenehm günstig annonciert, kein Haus geleicht dem anderen und manches steht leer. Bad Orb erinnert mich an so manche ostdeutsche Kleinstatdt, deren Niedergang nicht endgültig ist, die aber auch den Prinzenkuss zur Beendigung des Dornröschenschlafs nicht vollständig empfangen durfte.
In der Tat war Bad Orb, als traditionell auf Einnahmen von Kurgästen angewiesen, am Rande des ökonomischen Kollaps bis die Toskana-Therme eröffnet wurde. Dass es heute einen starken Gegensatz zwischen futuristischer Thermen-Architektur und gemächlicher Provinz bietet, mag für jeden, der einfach Ruhe sucht, kein Nachteil sein. Immerhin treffen sich Kurort-Tradition und Wellness-Moderne auf engstem Raum. Aus den Fenstern der Toskana-Therme blickt man auf das Gradierwerk von Bad Orb. Das Technik-Denkmal, 1806 errichtet, ist es seit 2010 ebenfalls wieder voll nutzbar. Eine variantenreiche Sole-Kur ist möglich! Günstige kulinarische Angebote für hungrige Thermenbesucher lassen uns auch auf Bad Orb aufmerksam werden. Denn einen kleinen Minuspunkt vergebe ich für die unpersönlich-sterile Gastronomie der Therme. Und frage: Warum?
Ich rate Wellness-Neugierigen und Deutschlandentdeckerinnen gleichwohl undbedingt zu einer Auszeit in Bad Orb. So manches ist hier zum Augen reiben!
Tipps:
Ich empfehle in der Toskana-Therme die Tageskarte. Denn dieses Erlebnis sollte man nicht unter Zeit-Stress absolvieren! Sie kostet zwischen 10 Uhr und 23 Uhr bzw. 24 Uhr (Fr + Sa) 24 €, für Kinder 13 €. Wer einige Tage in Bad Orb verbringt kann als Kurkarteninhaber(in) für 12 € 2 Stunden lang entschweben.
Vollmondnächte in der Therme. Immer wenn sich der Mond ganz zeigt, ist die Toskana-Therme eine Stunde länger geöffnet, das nächste Mal am 05.03.2014. Vollmond-Live-Konzert inbegriffen.
Eine ganze Reihe anderer Veranstaltungen locken: Beispielsweise literarische Events zum Sauna-Aufguss. Das Programm für alle drei Toskana-Thermen gibt´s hier.
Wer ein bisschen länger bleibt, kann den lauschigen Spessart, seine Wälder, seine Wirthäuser kennen lernen.
Last not least: Und irgendwann will ich auch mal in die Toskana-Therme Bad Schandau, inmitten der Sächsischen Schweiz!