Schubert eine Winterwanderung Teil 3 – Nur Muth!

Johanna Rehm, Dorottya Lang, Hannes Pendl, Sebastian Zeleny

Johanna Rehm, Dorottya Lang, Hannes Pendl, Sebastian Zeleny © Schauspielhaus

Eiskalt ist die Nacht – so kalt, dass auf der Straße niemand anzutreffen ist. Bei minus 12 Grad bleibt die Wiener Bevölkerung wohlweislich zuhause. Nur ein kleines Häufchen marschiert, begleitet von einigen Laternenträgerinnen und -trägern, von der Porzellangasse in den Park des Palais Liechtenstein. Heißer Tee mit Rum wartet dort auf die kleine Gruppe und mit dem wärmenden Plastikbecher in der Hand lauscht sie dort Schuberts Liebeswirrnissen mit Caroline, der jüngeren Tochter des Grafen Esterhazy. In einem kleinen, von Teelichtern und Laternchen markierten Kreis möchte sie ihn verführen – und schafft es doch nicht, den Standesunterschied zwischen ihnen auch nur annähernd aufzuheben. Prunkvoll erleuchtet ist – aufgrund einer Abendgesellschaft – in dieser Nacht das Liechtenstein´sche Palais und vermittelt nur durch seine Präsenz eine Ahnung dessen, wie groß die Standesdünkel der beiden Beinahe-Liebenden tatsächlich gewesen sein müssen. Zwar ist das Palais ei x-faches größer und pompöser als das ehemalige fürstliche Anwesen der Esterhazys im heutigen Želiezovce, dennoch ist der Ort gut gewählt. Johanna Elisabeth Rehm darf bereits zum dritten Mal in der Schubertreihe des Schauspielhauses das ewig weibliche Prinzip verkörpern und Sebastian Zeleny ihr als Schubert Franzl die Aussichtslosigkeit ihrer Zuneigung klar machen. Aber auch wenn die Szene im herrschaftlichen Naturambiente nicht wirklich lange dauert, sind doch alle Beteiligten wegen der beißenden Kälte froh, als sie sich auflöst und man sich zum nächsten Stopp auf den Weg macht.

Und der befindet sich dann nur wenige Schritte weit weg entfernt – im Studio Molière. Dort gewährt der Regisseur Julian van Daal weitere Einblicke in Schuberts Freundeskreis und zoomt jene Zeit so nah heran, dass man darin so tief eintaucht, als hätte man sie selbst erlebt. Mit dem kleinen Trick, das Publikum auf der Bühne neben die Schauspielerinnen und Schauspielern zu setzen um diese quasi in Griffnähe zu haben. Das kleine Zimmer von Johann Mayrhofer, bei dem Schubert drei Jahre lang untergekommen war, wird markiert durch ein großes, behagliches Bett, einen kleinen Tisch, auf dem ein gewirkter Teppich heimeliges Flair verbreitet, durch ein Klavier, zwei Stehlampen und – ganz wichtig – einem Nachttopf, den Schubert auch brav benutzen darf.

Ganz menschlich, einfach seinem Drang folgend, steht er dem Publikum abgewandt und pinkelt in das historische Utensil. Desillusionierend und doch berührend zugleich wirkt dieser Akt, der mehr Nähe und Verständnis für den Menschen Franz Schubert verbreitet, als dies minutenlange Mono- oder Dialoge zustande brächten.

Doch bleibt dies nicht nur das einzige Bild an diesem Abend, das im Gedächtnis haften bleibt. Auch das Dienstmädchen der Esterhazys berührt emotional tief – Dorottya Lang schlüpft einmal kurz in diese Rolle. Während Schubert die beiden Comtessen im Klavierspiel unterrichtet laufen ihr die Tränen beim Schuheputzen über die Wangen. Emotionen auszulösen, die durch einfache Bilder geweckt werden, darauf versteht sich der junge Regisseur fabelhaft. Ob das verliebte Dienstmädchen, oder die Erinnerung an die Verhaftung des Freundes Johann Senn, der geisterhaft erscheint und aus dem Polizeiprotokoll seiner Verhaftung rezitiert und dabei Johann Mayrhofer (Hannes Pendl) die Kehle zudrückt – immer sind es einfache Gesten, die berühren und spüren lassen, dass Schubert aus Fleisch und Blut bestand und nicht nur aus Noten, die aus seinem Kopf auf Papier gebannt werden mussten.

Neben der schönen Stimme Dorottyas Lang, am Klavier von Merdokht Manavi begleitet, ist es gerade diese gestische Sprache, die beeindruckt. Zeleny, der auch aufgrund seiner Statur eine gute Schubertbesetzung darstellt, gelingt das Meisterwerk, das Publikum, das ihn auf Tuchfühlung beobachtet, scheinbar völlig zu vergessen. Eine große Leistung, die in dieser Bühnenanordnung zum Schwersten gehört, was der Beruf einem Schauspieler abfordern kann. Schon wie in den Folgen zuvor färbt der Autor der „Serie“ Thomas Arzt, an diesem Abend gemeinsam mit Julian van Daal, die Sprache Schuberts und seiner Freunde teilweise ins Oberösterreichische. Die kleine Forellen-Elegie, in Mundart vorgetragen, gehört zu den interessantesten Texteinschüben dieses Abends. Die Freiheit, die in Schuberts Zeit durch Metternich mit den Füßen getreten worden war, im Bächlein schwimmen zu sehen und ihren Tod durch den Angler zu betrauern ist mehr als ein gelungener Kunstgriff. Beständig geistert dabei das Forellenlied im Hinterkopf ohne jemals real angestimmt zu werden. Schubert, eine Winterwanderung Teil 3 unter dem Titel „Nur Muth!“ wird seiner Rolle als Bindeglied zwischen den ersten beiden und letzten beiden Aufführungen mehr als gerecht. Die Aufführung zeigt völlig eigenen Charakter und macht Lust auf das noch Kommende. Hoffentlich in weniger klirrender Kälte!

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