Der elektronische Fortschritt ist einnehmend, kann verhexen. Jedoch bleibe ich dabei: die vordringlichste Erfindung waren, sind und bleiben gebundene Papierbögen - auch Buch genannt. Doch ausgerechnet dieses sieht man bei Spiegel Online als lebensgefährlich an. Das alles hat es schon ähnlich gegeben. Man hat Bücher auf Indizes gesetzt oder den Flammen überstellt. Schließlich waren sie gefährlich oder entartet, was nur eine speziell kleinbürgerliche Benennung für gefährlich war. Heute erklärt man Papier für gefährlich, weil es die Fortentwicklung, das Lesen ohne Faserstoffe und Leimung, beeinträchtigt.
Parallelgesellschaft - nicht entweder oder
Das e-Book wird sich durchsetzen, lautete die frohe Kunde, die die Frankfurter Buchmesse und die ihre Messe-Feuilletonisten, diese Messdiener des Literaturkommerzes, proklamieren. Eine Frage der Zeit sei es nur. Denn es sei "eine Frage der verfügbaren Technik und auch der von klein auf erworbenen Gewohnheiten", wie Spiegel-Mann Stöcker weiß. Der stete Fortschrittsglaube, der uns als Gesellschaft seit dem Nachkrieg begleitet, mal optimistischer, mal semi-optimistischer, läßt solche Vermutungen, die sich zur Gewissheit steigern, natürlich erklären. Aber dies scheint zu einfach, ja zu brachial progressiv gedacht - es ist so gedacht, als sei das Buch, dieses griffige Stück Lesbarkeit, das im Bett wie am Klo problemlos gelesen werden kann, das man umklappen, mit Eselsohren markieren, in das man schreiben, notieren kann... es wird also so gedacht, als sei das Buch das Vergangene, das durch das Neue ersetzt werden muß. Dass elektronische wie papierliche Medien in einem Kosmos nebeneinander existieren können und müssen - und vielleicht auch werden -, kommt im Katechismus der Fortschrittsmissionare gar nicht vor.
Die Parallelgesellschaft von Papier und Pixel liegt eigentlich auf der Hand. Beide Spezies' bieten Vorteile, beide haben Nachteile. Wie so oft im Leben. Das gilt für Buch wie e-Book, für Brief wie e-Mail oder e-Brief, für Zeitungen wie Blogs. Der elektronische Auftrieb, den wir irrtümlich als Fortschritt bezeichnen, gleichwohl wir nicht wissen, wohin wir fortschreiten, gleichwohl wir nur die positiven Aspekte in unsere schnelle Wertung einfließen lassen... dieser elektronische Aufwind, er ist nicht der Mörder des antiquierteren Verfahrens. Sollte er jedenfalls nicht sein! Die Vorzüge des Buches klangen ja bereits oben an, als ich vom Klolesen schwärmte. Das Buch erlaubt es, dass selbst aus Mann oder Heine Scheißlektüre wird - das e-Book, dieses starrige Brett, verbietet das. Es genehmigt andere Vorzüge. Schnelles Finden von Passagen, keine Eselsohren, kein mühevolles Abschreiben, dafür copy and paste. Das ist nützlich und hat Berechtigung, aber das Buch es... es bleibt Buch, womit ich meine, fast alles gesagt zu haben. Fast...
Denn ich könnte nun noch einige Romantizismen einstreuen. Vom Lesen kann man als leidenschaftlicher Leser nicht nur rationell schreiben. So soll es sein - die Romantik des Buches bittesehr...
Bücher riechen, atmen, leben auf ihre Weise. Als ich vor Jahren Camus' Die Pest auf einem Flohmarkt erstand und auf der ersten Seite die Widmung einer Enkelin an ihren Großvater fand, eine Widmung vom Januar 1990, da ahnte ich, dass dieses geleimte Papier schon ein emotionales Vorleben gehabt hatte. Umso mehr, da unter der Widmung stand, dass der Opa bereits Ende 1991 verstarb - womit das Büchlein zurück an die Enkelin ging.
Und dann ist da noch die Romantik, die ich als Autor empfinde, wenn ich das Paket noch druckfrischer, warmer Autorenexemplare öffne. Mein Buch in meinen Händen - da hält man ein Stückchen Sichselbst fest. Als mich dereinst derjenige ansprach, der meine Texte gerne "verbucht" sehen wollte: ich kann dieses Gefühl aus Spannung und Glück kaum beschreiben. Wäre diese von mir vorgebrachte Romantik kitschiger, ich würde schreiben: magischer Augenblick! - ich tue es aber nicht. Ich erinnere mich an die ersten Zeilen, die er mir schrieb. Ich strahlte, ich war in diesem Augenblick glücklich. Ein Glück, so weiß ich heute, das ich so nicht mehr erleben werde; zuzusehen, wie aus Nichts etwas entsteht, von dem man träumte: das ist nicht kopierbar. Die Aussicht, ein eigenes Buch schreiben zu dürfen, das dann auch gedruckt wird: ich glaube, solche Freuden werden elektronische Medien einem Autoren nie bescheren. Doch was zählt schon Autorenglück...
Argumente, nehme ich an, auf die es nicht ankommt in einer Welt, die Effizienz liebt, nicht die Romantik; die nicht die Poesie des Gegenstandes wahrnimmt, sondern nur seinen Nutzen.
Die proklamierten Vorteile, sind die größten Nachteile
Die Geschäftsleute, die das elektronische Lesen anfeuern, werben damit, dass das e-Lesen interaktiv sei. Kinder könnten anhand des e-Buchs lesen und handeln - alles gleichzeitig. Auf der Buchseite bewegt sich dann das Häschen, von dem das Kind eben las. Und wer weiß, vielleicht spricht es sogar und nennt den kleinen Leser beim Namen. Nette Features. In einer kritischeren Zeit hätten kritischere Pädagogen aber gewarnt. Reizüberflutung! hätten sie gerufen. So lernt man nicht, sich zu konzentrieren, man lernt nicht, seine Phantasie einzusetzen. Der Lernfaktor, der hier groß beworben wird, er ist nichtig. Es gibt ihn schier nicht! Ich erinnere mich, dass es zu meiner Kindheit ein ähnliches aktives Lesen gab. Mein Bruder hatte einen Buch mit elektronischem Stift. Im Buch standen Fragen wie Welches Tier miaut? und dann waren da Bilder mehrerer Tiere. Führte man den Stift auf die Katze, so piepste er zustimmend und es leuchtete zusätzlich ein wohlwollendes grünes Lämpchen auf. Dasselbe in Rot, wenn man die Stiftspitze auf Schwein, Huhn oder Traktor drückte. Den Stift fand mein Bruder sensationell. Piepsen, Lichter - das gefiel diesem kleinen Menschen ausgesprochen. Das Wesentliche aber, das Lesen und Erfassen, das hat das Kind nicht erreicht. Wesentliches ausklammern, an Randerscheinungen rumwursteln: das ist irgendwie sozialdemokratisch - und bei denen landete er dann auch. Ich hätte es vorher wissen können, denn der Zauberstift flackerte sein schönstes Sozialistenrot, wenn er ihn quer über Nase und Wangen zog.
Die Stärke des neuen Mediums ist die eigentliche Schwäche. Das e-Book kann natürlich ohne Ausstattungen umgesetzt werden. Fraglich ist bloß, ob man trotz der technischen Umsetzbarkeit so asketisch bleiben wird. Was es für die Kindesförderung bedeutete, wenn das Buch verschwände und durch einen Totalitarismus des motion book ersetzt würde, ist nicht schwer zu prognostizieren. Die Konzentrationsfähigkeit ließe nach. Hat sie doch heute schon, weil das Bücherlesen Rarität geworden ist. Das bisschen Lesen, das es heute noch gibt, wird aber dann durch interaktives Erlebnis-Lesen ersetzt. Von der Phantasie, die nie lernen wird, auf ihren Füßen zu stehen, und die uns peu a peu auch als Gesellschaft verloren geht, ganz zu schweigen.
Einsame Geistesleistung, kein Massenspektakel
Lesen wird zum Event, ist kein Ausschnitt aus einem vita contemplativa mehr - man würde gar nicht mehr lesen, man würde das Lesen erleben. Das sagt alles aus: Erlebnisse kann man über sich ergehen lassen - einen geistigen Akt, der das Lesen aber ist, den muß man selbst bestreiten. Es ist sicherlich klischeehaft, nun eine Rede von der geistigen Abstumpfung im Munde zu führen. Aber falsch ist sie deswegen nicht. Das e-Book in einer Welt voller e-Books, es würde geistige Leistungen weiter abtöten. Und es wird ja berichtet - ich weiß nicht, ob ernst oder spaßig -, dass das e-Book sogar spannende Stellen markiert, damit der Leser nicht mal mehr selbst erfassen muß, wann eine Passage es ist und wann weniger. Der Leser braucht gar nicht mehr ins Lesen abtauchen, er kann abtauchen lassen - wenn es denn wirklich stimmt; aber gut erfunden wäre dieses Szenario auf jeden Fall. Neil Postman schreibt über die Urteilsbildung im Zeitalter der Unterhaltungsindustrie, dass die Menschen zu Abraham Lincolns Zeiten noch die Konzentration aufbrachten, einer politischen Debatte stundenlang zu folgen. Postman berichtet von Wahlkampfschlachten, die Stunden andauerten, aber die Zuhörer harrten aus und lauschten. Das wäre bereits heute undenkbar - eine rein elektronische Bildungswelt mit allem Schnickschnack, mit Leuchten, Piepsen, Rascheln, mit Pop-Ups und Bannern, mit Geflackere und Gesumme, sie würde der gänzlichen Abstumpfung Vorschub leisten und Generationen heranziehen, die nie gelernt hätten, dass Lesen ein intellektuelles Unterfangen ist. Ein einsamer Akt auch, den der Leser in seinem Kopf zu gestalten hat - kein Massenspektakel mit massigen Features und der interaktiven Verbundenheit mit der vernetzten Welt, wo man zwischen zwei Sätzen ein Guckloch in die Welt hinaus hat.
Und ob jemand, der nie gelernt hat, das Gelesene für sich alleine zu begreifen und auszuwerten, jemals kritisch zu denken vermag, bleibt an dieser Stelle nur ein Gerücht. Dem elektronischen Fortschritt kann man nicht im Wege stehen. Er bietet ja zweifelsohne auch Vorteile. Gerade bei der Recherche, beim Zitieren, wenn man mal schnell eine Passage sucht, die man irgendwann gelesen hat und die man nur noch ungefähr im Kopf hat. Aber die Parallelgesellschaft von Papier und Elektronik, sie muß gewahrt bleiben - und da das Buch auch viele Vorteile aufweist, bin ich mir dessen sicher, dass es genau so kommen wird...
Parallelgesellschaft - nicht entweder oder
Das e-Book wird sich durchsetzen, lautete die frohe Kunde, die die Frankfurter Buchmesse und die ihre Messe-Feuilletonisten, diese Messdiener des Literaturkommerzes, proklamieren. Eine Frage der Zeit sei es nur. Denn es sei "eine Frage der verfügbaren Technik und auch der von klein auf erworbenen Gewohnheiten", wie Spiegel-Mann Stöcker weiß. Der stete Fortschrittsglaube, der uns als Gesellschaft seit dem Nachkrieg begleitet, mal optimistischer, mal semi-optimistischer, läßt solche Vermutungen, die sich zur Gewissheit steigern, natürlich erklären. Aber dies scheint zu einfach, ja zu brachial progressiv gedacht - es ist so gedacht, als sei das Buch, dieses griffige Stück Lesbarkeit, das im Bett wie am Klo problemlos gelesen werden kann, das man umklappen, mit Eselsohren markieren, in das man schreiben, notieren kann... es wird also so gedacht, als sei das Buch das Vergangene, das durch das Neue ersetzt werden muß. Dass elektronische wie papierliche Medien in einem Kosmos nebeneinander existieren können und müssen - und vielleicht auch werden -, kommt im Katechismus der Fortschrittsmissionare gar nicht vor.
Die Parallelgesellschaft von Papier und Pixel liegt eigentlich auf der Hand. Beide Spezies' bieten Vorteile, beide haben Nachteile. Wie so oft im Leben. Das gilt für Buch wie e-Book, für Brief wie e-Mail oder e-Brief, für Zeitungen wie Blogs. Der elektronische Auftrieb, den wir irrtümlich als Fortschritt bezeichnen, gleichwohl wir nicht wissen, wohin wir fortschreiten, gleichwohl wir nur die positiven Aspekte in unsere schnelle Wertung einfließen lassen... dieser elektronische Aufwind, er ist nicht der Mörder des antiquierteren Verfahrens. Sollte er jedenfalls nicht sein! Die Vorzüge des Buches klangen ja bereits oben an, als ich vom Klolesen schwärmte. Das Buch erlaubt es, dass selbst aus Mann oder Heine Scheißlektüre wird - das e-Book, dieses starrige Brett, verbietet das. Es genehmigt andere Vorzüge. Schnelles Finden von Passagen, keine Eselsohren, kein mühevolles Abschreiben, dafür copy and paste. Das ist nützlich und hat Berechtigung, aber das Buch es... es bleibt Buch, womit ich meine, fast alles gesagt zu haben. Fast...
Denn ich könnte nun noch einige Romantizismen einstreuen. Vom Lesen kann man als leidenschaftlicher Leser nicht nur rationell schreiben. So soll es sein - die Romantik des Buches bittesehr...
Bücher riechen, atmen, leben auf ihre Weise. Als ich vor Jahren Camus' Die Pest auf einem Flohmarkt erstand und auf der ersten Seite die Widmung einer Enkelin an ihren Großvater fand, eine Widmung vom Januar 1990, da ahnte ich, dass dieses geleimte Papier schon ein emotionales Vorleben gehabt hatte. Umso mehr, da unter der Widmung stand, dass der Opa bereits Ende 1991 verstarb - womit das Büchlein zurück an die Enkelin ging.
Und dann ist da noch die Romantik, die ich als Autor empfinde, wenn ich das Paket noch druckfrischer, warmer Autorenexemplare öffne. Mein Buch in meinen Händen - da hält man ein Stückchen Sichselbst fest. Als mich dereinst derjenige ansprach, der meine Texte gerne "verbucht" sehen wollte: ich kann dieses Gefühl aus Spannung und Glück kaum beschreiben. Wäre diese von mir vorgebrachte Romantik kitschiger, ich würde schreiben: magischer Augenblick! - ich tue es aber nicht. Ich erinnere mich an die ersten Zeilen, die er mir schrieb. Ich strahlte, ich war in diesem Augenblick glücklich. Ein Glück, so weiß ich heute, das ich so nicht mehr erleben werde; zuzusehen, wie aus Nichts etwas entsteht, von dem man träumte: das ist nicht kopierbar. Die Aussicht, ein eigenes Buch schreiben zu dürfen, das dann auch gedruckt wird: ich glaube, solche Freuden werden elektronische Medien einem Autoren nie bescheren. Doch was zählt schon Autorenglück...
Argumente, nehme ich an, auf die es nicht ankommt in einer Welt, die Effizienz liebt, nicht die Romantik; die nicht die Poesie des Gegenstandes wahrnimmt, sondern nur seinen Nutzen.
Die proklamierten Vorteile, sind die größten Nachteile
Die Geschäftsleute, die das elektronische Lesen anfeuern, werben damit, dass das e-Lesen interaktiv sei. Kinder könnten anhand des e-Buchs lesen und handeln - alles gleichzeitig. Auf der Buchseite bewegt sich dann das Häschen, von dem das Kind eben las. Und wer weiß, vielleicht spricht es sogar und nennt den kleinen Leser beim Namen. Nette Features. In einer kritischeren Zeit hätten kritischere Pädagogen aber gewarnt. Reizüberflutung! hätten sie gerufen. So lernt man nicht, sich zu konzentrieren, man lernt nicht, seine Phantasie einzusetzen. Der Lernfaktor, der hier groß beworben wird, er ist nichtig. Es gibt ihn schier nicht! Ich erinnere mich, dass es zu meiner Kindheit ein ähnliches aktives Lesen gab. Mein Bruder hatte einen Buch mit elektronischem Stift. Im Buch standen Fragen wie Welches Tier miaut? und dann waren da Bilder mehrerer Tiere. Führte man den Stift auf die Katze, so piepste er zustimmend und es leuchtete zusätzlich ein wohlwollendes grünes Lämpchen auf. Dasselbe in Rot, wenn man die Stiftspitze auf Schwein, Huhn oder Traktor drückte. Den Stift fand mein Bruder sensationell. Piepsen, Lichter - das gefiel diesem kleinen Menschen ausgesprochen. Das Wesentliche aber, das Lesen und Erfassen, das hat das Kind nicht erreicht. Wesentliches ausklammern, an Randerscheinungen rumwursteln: das ist irgendwie sozialdemokratisch - und bei denen landete er dann auch. Ich hätte es vorher wissen können, denn der Zauberstift flackerte sein schönstes Sozialistenrot, wenn er ihn quer über Nase und Wangen zog.
Die Stärke des neuen Mediums ist die eigentliche Schwäche. Das e-Book kann natürlich ohne Ausstattungen umgesetzt werden. Fraglich ist bloß, ob man trotz der technischen Umsetzbarkeit so asketisch bleiben wird. Was es für die Kindesförderung bedeutete, wenn das Buch verschwände und durch einen Totalitarismus des motion book ersetzt würde, ist nicht schwer zu prognostizieren. Die Konzentrationsfähigkeit ließe nach. Hat sie doch heute schon, weil das Bücherlesen Rarität geworden ist. Das bisschen Lesen, das es heute noch gibt, wird aber dann durch interaktives Erlebnis-Lesen ersetzt. Von der Phantasie, die nie lernen wird, auf ihren Füßen zu stehen, und die uns peu a peu auch als Gesellschaft verloren geht, ganz zu schweigen.
Einsame Geistesleistung, kein Massenspektakel
Lesen wird zum Event, ist kein Ausschnitt aus einem vita contemplativa mehr - man würde gar nicht mehr lesen, man würde das Lesen erleben. Das sagt alles aus: Erlebnisse kann man über sich ergehen lassen - einen geistigen Akt, der das Lesen aber ist, den muß man selbst bestreiten. Es ist sicherlich klischeehaft, nun eine Rede von der geistigen Abstumpfung im Munde zu führen. Aber falsch ist sie deswegen nicht. Das e-Book in einer Welt voller e-Books, es würde geistige Leistungen weiter abtöten. Und es wird ja berichtet - ich weiß nicht, ob ernst oder spaßig -, dass das e-Book sogar spannende Stellen markiert, damit der Leser nicht mal mehr selbst erfassen muß, wann eine Passage es ist und wann weniger. Der Leser braucht gar nicht mehr ins Lesen abtauchen, er kann abtauchen lassen - wenn es denn wirklich stimmt; aber gut erfunden wäre dieses Szenario auf jeden Fall. Neil Postman schreibt über die Urteilsbildung im Zeitalter der Unterhaltungsindustrie, dass die Menschen zu Abraham Lincolns Zeiten noch die Konzentration aufbrachten, einer politischen Debatte stundenlang zu folgen. Postman berichtet von Wahlkampfschlachten, die Stunden andauerten, aber die Zuhörer harrten aus und lauschten. Das wäre bereits heute undenkbar - eine rein elektronische Bildungswelt mit allem Schnickschnack, mit Leuchten, Piepsen, Rascheln, mit Pop-Ups und Bannern, mit Geflackere und Gesumme, sie würde der gänzlichen Abstumpfung Vorschub leisten und Generationen heranziehen, die nie gelernt hätten, dass Lesen ein intellektuelles Unterfangen ist. Ein einsamer Akt auch, den der Leser in seinem Kopf zu gestalten hat - kein Massenspektakel mit massigen Features und der interaktiven Verbundenheit mit der vernetzten Welt, wo man zwischen zwei Sätzen ein Guckloch in die Welt hinaus hat.
Und ob jemand, der nie gelernt hat, das Gelesene für sich alleine zu begreifen und auszuwerten, jemals kritisch zu denken vermag, bleibt an dieser Stelle nur ein Gerücht. Dem elektronischen Fortschritt kann man nicht im Wege stehen. Er bietet ja zweifelsohne auch Vorteile. Gerade bei der Recherche, beim Zitieren, wenn man mal schnell eine Passage sucht, die man irgendwann gelesen hat und die man nur noch ungefähr im Kopf hat. Aber die Parallelgesellschaft von Papier und Elektronik, sie muß gewahrt bleiben - und da das Buch auch viele Vorteile aufweist, bin ich mir dessen sicher, dass es genau so kommen wird...