In diesem Artikel gibt es ausnahmsweise mal keine Tipps zum Abnehmen und wir stellen auch keine neue Diät vor. In dieser Geschichte geht es um eine Studie, tolle Schlagzeilen und journalistischen Ehrgeiz. Diese Geschichte zeigt, wie wichtig es ist, Dinge kritisch zu hinterfragen, gerade wenn jemand neue Wunderdiäten anpreist.
Was ist passiert?
Viele große Medien (z.B. Focus) berichteten im März über eine neue Diät-Studie. Das Ergebnis dieser Studie: Wer Schokolade isst nimmt schneller ab. Eigentlich zu schön um der Wahrheit zu entsprechen. Allerdings kam die Studie doch vom „Institute of Diet and Health“ und dessen Direktor Johannes Bohannon und wurde auch noch im wissenschaftlichen Journal „International Archives of Medicine“ veröffentlicht.
Die Veröffentlichung dieser Studie zog internationale Aufmerksamkeit auf sich. Auch hier in Deutschland berichteten bekannte Zeitschriften wie Brigitte aber auch Bild, die größte deutsche Zeitung, über diese neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse.
Wo ist das Problem?
Die Studie war eine Fake. Der Journalist John Bohannon hat zusammen mit einem deutschen Fernsehproduktionsteam die Studie entworfen, sogar tatsächlich durchgeführt und für die Veröffentlichung und medial Ausbreitung gesorgt.
An der Studie nahmen 15 Versuchsteilnehmer teil. Diese wurden in drei Gruppen eingeteilt: zwei Gruppen befolgten eine Low-Carb Diät und die dritte Gruppe befolgte keine Diät. Eine der beiden Low-Carb-Gruppen aß zusätzlich 42 Gramm dunkle Schokolade täglich. Das Gewicht, Blutwerte und Erkenntnisse über Schlaf und allgemeines Wohlbefinden wurden am Anfang der Studie und am Ende der Studie nach 21 Tagen festgehalten. Es wurde ein bisschen herumgerechnet und schon fang man einen statistische signifikanten Effekt von Schokoladeessen auf Gewichtsverlust.
Statistisch signifikant hört sich zuerst gut und richtig an. Das Problem ist jedoch, dass man bei einer so kleinen Teilnehmer Zahl und dem vollkommen unwissenschaftlichen Versuchsaufbau nicht wirklich von einem eindeutigen Ergebnis sprechen kann. Die Studienleiter haben einfach an ein paar Schrauben gedreht (z.B. die Zahl der Überprüften Variablen (Blutwerte, Schlafgüte, Wohlbefinden, Gewichtsverlust und viele mehr) erhöht. Dies erhöht automatisch die Chance, dass irgendwo ein signifikanter Effekt entsteht. Die Statistik ist wohl korrekt, allerdings erlaubt die beabsichtigte dilettantische Durchführung des Experiments keine wissenschaftlichen Schlüsse.
Wie wurden die Medien genarrt?
Die Studie wurde dann für 600 € in einem „wissenschaftlichen“ Journal untergebracht. In hochwertigen wissenschaftlichen Zeitschriften gibt es sehr aufwendige Bewertungsprozesse. Manche Studien befinden sich über ein Jahr lang in Korrektur und werden von Experten auf Herz und Nieren geprüft bevor diese veröffentlicht werden können. In diesem Journal reicht allerdings eine kleine Einmalzahlung und schon ist die Studie publiziert. Schnell eine reißerische Pressemittelung erstellt und verbreitet und schon begann der Siegeszug der neuen Studie.
Keiner der Reporter stellte kritische Fragen, alles wurde einfach blind übernommen und als wissenschaftliche Fakten an die Öffentlichkeit verkauft. Natürlich hatte kein Journalist Lust diesen komplizierten wissenschaftlichen Aufsatz ganz zu lesen, geschweige denn auf mögliche Schwachstellen zu untersuchen. Warum auch? Die Schlagzeile ist unbezahlbar. Die Boulevardpresse freut sich natürlich wenn die das drucken kann, was die Leute hören wollen. Das Schokolade jetzt beim Abnehmen helfen soll ist natürlich eine hervorragende Neuigkeit.
Was können wir daraus lernen?
Gefährliches Halbwissen ist in der Abnehmwelt leider an der Tagesordnung. Echte wissenschaftlich validierte Fakten sind die absolute Ausnahme. Deswegen sollte man neuen Trenddiäten und Abnehmprodukten nicht blind abkaufen, was diese versprechen. Es ist wichtig kritisch zu bleiben, denn anscheinend haben viele Journalisten und Blogger das verlernt. Wer die ganze Geschichte lesen möchte, kann das hier tun. Sehr unterhaltsam, kann es jedem empfehlen.