Die Eiseskälte herrscht von Frankreich bis Russland: Der Wintereinbruch hat in weiten Teilen Europas für schwere Verkehrsbehinderungen gesorgt. Ein schnelles Ende des Schneetreibens scheint nicht in Sicht.
Berlin – Tausende Verkehrsunfälle, gestrichene Flüge und ausgefallene Busverbindungen – so lautete am Dienstag in Deutschland die Bilanz nach dem Wintereinbruch.
BMSS Artikel vom 6. Oktober 2010 zum Thema Winter 2010/2011
Quelle: Spiegel Online
Mindestens drei Menschen starben bei Unfällen auf glatten Straßen. Allein die Polizei in Nordrhein-Westfalen zählte zwischen Montagnachmittag und Dienstagmorgen 1784 witterungsbedingte Unfälle. Dabei kam ein Mensch ums Leben, 20 wurden schwer verletzt, wie das Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste am Dienstag in Duisburg mitteilte.
Im Osten von Schleswig-Holstein kam der Verkehr bei stellenweise bis zu 40 Zentimetern Neuschnee und zahlreichen Unfällen auf einigen Straßen zum Erliegen, wie die Polizei in Lübeck mitteilte. Der öffentliche Busverkehr wurde teilweise eingestellt. Straßen im Kreis Ostholstein waren stundenlang durch im Schnee steckengebliebene Fahrzeuge blockiert. Zahlreiche Unfälle mit Verletzten meldete die Polizei auch aus Hessen und Bayern.
In Bayern geriet ein Schweinetransporter ins Schleudern und kippte um. Mehr als 100 quiekende Schweine sprangen auf die Autobahn. Der Lastwagenfahrer verletzte sich schwer, 25 Tiere starben.
Nicht nur auf der Straße war der Verkehr beeinträchtigt. Am Frankfurter Flughafen wurden bis zum Nachmittag 266 Flüge annulliert. In Oberfranken saßen mehr als 200 Bahnreisende fest: Sie mussten ihren ICE verlassen, weil ein Baum unter der Schneelast nachgegeben und eine Oberleitung beschädigt hatte.
In einer Schule in Schleswig-Holstein saßen rund 40 Kinder fest, die mit Suppe versorgt wurden. "Wir werden Kino machen und uns in der Turnhalle vergnügen", sagte der Schulleiter. Experten warnen vor Kältetoten. Im vergangenen Winter waren bundesweit mindestens 16 Obdachlose erfroren. In einigen Städten sind bereits Kältebusse unterwegs, um Menschen mit Decken und warmen Getränken zu versorgen.
Bei der Bahn kommt es aufgrund der Schneefälle weiterhin zu Verspätungen im gesamten Bundesgebiet, vereinzelt fallen auch Züge aus. Bestimmte Strecken, die besonders betroffen seien, ließen sich derzeit nicht nennen, sagte eine Sprecherin.
Vorsorglich fahren die Fernzüge laut Bahn höchstens 200 Stundenkilometer und nicht Tempo 250 oder 300 wie sonst auf einigen Fernstrecken. So soll verhindert werden, dass Eisklumpen, die von der Unterseite der Wagen fallen, Schottersteine aufwirbeln und dadurch Schäden verursachen. Die Einschränkungen würden bis auf weiteres andauern, so die Bahnsprecherin.
Doch es gibt auch Menschen, die der Wintereinbruch erfreut: Schneefans können Handschuhe, Skier und Schlitten auspacken. Auf Deutschlands höchstem Berg – der 2962 Meter hohen Zugspitze – liegt der Schnee derzeit etwa 1,10 Meter hoch. "Wir haben Neuschnee, Sonnenschein und beste Bedingungen auf den Gletscherpisten", sagte eine Sprecherin der Zugspitzbahn. Auch in den Allgäuer Alpen laufen die ersten Skilifte. Aus etlichen Orten im Thüringer Wald wurden Schneehöhen von um die 40 Zentimeter gemeldet, Loipen und Skiwanderwege wurden gespurt.
Und es schneit weiter
Das Winterwetter dauert Meteorologen zufolge die nächsten Tage an: Am Mittwoch zieht ein Tief von den Pyrenäen voraussichtlich über den Alpenraum nach Süddeutschland und löst vor allem im Süden und der Mitte des Landes länger andauernde Niederschläge aus, wie die Unwetterzentrale von Meteomedia meldete. In Süddeutschland ist bei verbreitetem Dauerfrost mit Schnee und Glatteis zu rechnen.
Die Temperaturen liegen oft um oder sogar deutlich unter minus fünf Grad. In den zentralen Mittelgebirgen sowie in in der Mitte und im Osten Deutschlands liegen die Höchstwerte in einigen Regionen nur um oder unter minus zehn Grad. Es weht frischer und somit eisiger Nordostwind mit starken, örtlich auch stürmischen Böen bis in die Niederungen.
In der Nacht zum Donnerstag soll es noch einmal kräftig frieren. Laut Meteomedia muss verbreitet mit Schneefällen und besonders in der Nordhälfte auch mit Schneeverwehungen gerechnet werden. Am wenigsten Schnee dürfte in den westlichen und nordwestlichen Landesteilen fallen.
Auch für Donnerstag rechnen die Meteorologen mit weiteren weißen Flocken und Dauerfrost. Für Freitag gehen sie von einer Fortsetzung der kalten Witterung aus. Ergiebige Schneefälle in weiten Landesteilen deuten sich derzeit nicht an, aber gebietsweise kann es weiterhin schneien.
Mindestens sechs Kältetote in Moskau
Die Kälte wütet auch anderswo in Europa. In Moskau erfroren mindestens sechs Menschen. Zahlreiche weitere Kälteopfer seien mit Erfrierungen in Kliniken gebracht worden, teilte der medizinische Notfalldienst nach Angaben der Agentur Interfax mit. Die Temperaturen lagen in der russischen Hauptstadt am Dienstag etwa 20 Grad unter Null. In anderen Landesteilen kämpften die Bewohner mit Schnee und eisigen Böen. Russische Meteorologen rechnen mit einem der kältesten Winter seit vielen Jahren.
Am Flughafen im polnischen Warschau wurden Flüge wegen heftiger Schneefälle gestrichen. Alle 15 Minuten musste der Schnee dort nach Angaben einer Sprecherin von der Rollbahn entfernt werden.
Im französischen Department Eure-et-Loire südwestlich von Paris wurde mit minus 16,8 Grad Celsius ein Kälterekord für die Jahreszeit gemessen. Auf den Straßen lag der Schnee bis zu 25 Zentimeter hoch.
Großbritannien erlebt derzeit den frühesten Wintereinbruch seit 1993. Während Schottland und Nordirland bereits in den vergangenen Tagen von ungewöhnlich viel Schnee geplagt wurden, zog das frostige Wetter am Dienstag weiter nach England. Im Südosten und Osten Englands lagen nach Angaben des britischen Wetterdienstes bis zu 2,5 Zentimeter Schnee. Auch in der Hauptstadt London schneite es am Morgen.
Bei Autounfällen im Zusammenhang mit dem Winterwetter kamen zwei Menschen ums Leben. An einigen Flughäfen, darunter Luton und Stansted im Großraum London, kam es zu Störungen im Flugverkehr. Am größten Hauptstadtflughafen Heathrow verliefen Starts und Landungen dagegen planmäßig. Auch der Zugverkehr litt unter dem Wetter, im Südosten Englands wurde ein Ersatzverkehr mit Bussen eingerichtet. In Schottland war der Bahnverkehr zum Teil unterbrochen, Hunderte Schulen blieben wegen des vielen Schnees geschlossen.
Laut dem Wetterexperten Tom Morgan wird das kalte Wetter in den kommenden Tagen anhalten. Dabei soll ein eisiger Nordostwind wehen.