Zu Schuljahresbeginn, kam unsere Tochter von der Schule nach Hause und erzählte uns, dass der Sportlehrer gesagt hat, sie müsse Turnschuhe mit Klettverschluss für den Unterricht haben. Erst konnte ich es gar nicht glauben, denn Isabel ist sehr fingerfertig und konnte bereits im Kindergarten sehr gut Schleifen binden. Außerdem hatten wir die Turnschuhe für den Schulsport gerade erste gekauft. Warum also schon wieder Geld ausgeben?
Der Klettverschluss – Spiegel unserer Gesellschaft?
Keine Frage, Schuhe mit Klettverschlüssen sind praktisch. Sie sind schnell angezogen und das Kind kann es in der Regel alleine.
Zeit gespart und den Rücken geschont. Während Schnürsenkel doch ab und zu aufgehen und neu gebunden werden müssen, halten Klettverschlüsse was sie versprechen und sparen den Eltern auch hier Zeit und Nerven.
Denn Zeit ist ja das, was wir Erwachsenen immer zu wenig haben. Und gerade anfangs, wenn die Schleife noch nicht so fest sitzt, neigt sie blöderweise dazu aufzugehen und alle müssen anhalten und warten. Schlimm, oder? Und wie lange das dauert, bis so ein Kind sich mit seinen ungeschickten kleinen Fingern so eine läppische Schleife gebunden hat. Nein, da lobe ich mir doch Klettverschlüsse.
Zeit, das haben nur Kinder und Rentner. Obwohl es für letztere mittlerweile auch schon eine große Auswahl an orthopädischen Halbschuhen mit Klettverschluss gibt. Interessant übrigens, dass nun auch Senioren zur Ergotherapie müssen um die Feinmotorik in Schuß zu halten…. nun, dass ginge beim Schleifen binden sicher auch und gut für den Rücken und die Beweglichkeit wäre es allemal. Aber gut…
Schleife binden auf Rezept – wie praktisch!
Das bringt mich gleich zum nächsten Punkt, auf den ich bei meiner Recherche aufmerksam geworden bin. Spricht man mit Grundschullehrern und Ergotherapeuten, dann ist Schleife binden eine Fähigkeit, die für räumliches Denken, wie Geometrie und Feinmotorik extrem wichtig ist. Blöd nur, dass selbst 10 jährige Kinder heute teilweise nicht mehr in der Lage sind eine Schleife zu binden. Achtet mal auf Kinder bei einem Fußballspiel. Der Trainer muss in jeder Halbzeit mindestens 3 verzweifelten Spielern die Schuhe binden.
Also schicken wir unsere Kinder per Rezept zur Ergotherapie, denn dort lernt es dann erstmal Schleifen zu binden. Kostet zwar Zeit und wieder einen Termin mehr, aber es schont die Nerven der Eltern, die einfach nur glücklich darüber sind, dass sich jemand dem kleinen Grobmotoriker annimmt. Da kann man schon mal etwas Zeit investieren, oder?
Während wir auf das Kind warten, lesen wir einen Ratgeber zum Thema Kinderschuhe und bestellen gleich mal ein neues Paar für den kommenden Frühling. Natürlich mit Klettverschluss…
Das Geschäft mit der Bequemlichkeit
Irgendwann ist die Ergotherapie dann vorbei und der Nachwuchs hat, mit etwas Glück, sein Schleifen-Diplom bekommen. Der nette Therapeut verabschiedet sich mit dem klugen Ratschlag: Es (das Kind) sollte halt jetzt noch fleißig üben! Die Eltern versprechen es, während sich das Kind die Klettverschlussschuhe anzieht und verlassen die Praxis stolz und voller Zuversicht.
Und damit das mit dem Üben auch klappt, ohne viel Zeit zu verschwenden, führt der Weg in das nächste Kinderfachgeschäft. Der Nachwuchs wird ausgestattet mit einer Fädelraupe, einem Lernheft zum Thema Alltagskompetenzen und zur Feier des Tages bekommt es noch ein Paar Fädelschuhe aus Holz.
Wie einfach und sinnvoll wäre es gewesen neue Schuhe mit Schnürsenkeln zu kaufen.
Übrigens:
Wir haben keine neuen Turnschuhe für Isabel gekauft und bis heute auch nichts mehr von dem Herrn Sportlehrer gehört.